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Drei namhafte Redakteure der "Süddeutschen Zeitung", die maßgeblich an der Aufklärung der CDU-Parteispendenaffäre beteiligt waren, halten Rückschau auf das politische Leben Helmut Kohls, der die Bundesrepublik 16 Jahre lang regierte und am Ende seine Reputation mit dem Spendenskandal verspielte.

Produktbeschreibung
Drei namhafte Redakteure der "Süddeutschen Zeitung", die maßgeblich an der Aufklärung der CDU-Parteispendenaffäre beteiligt waren, halten Rückschau auf das politische Leben Helmut Kohls, der die Bundesrepublik 16 Jahre lang regierte und am Ende seine Reputation mit dem Spendenskandal verspielte.
Autorenporträt
Hans Leyendecker, geboren 1949, hat fast zwei Jahrzehnte für den "Spiegel" geschrieben und ist heute Leitender Politischer Redakteur der "Süddeutschen Zeitung". Der "Chefenthüller" der Republik - er deckte u.a. die Affären Flick, Lambsdorff, Späth, Steffi Graf, Schreiber und Kohl auf - beschäftigt sich seit langem mit Korruptionsfällen in Deutschland.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.09.2000

Die Macht der Spender
Kohl, Strauß und andere: Finanzaffären in der Bundesrepublik

Hans Leyendecker, Heribert Prantl, Michael Stiller: Helmut Kohl, die Macht und das Geld. Steidl Verlag, Göttingen 2000. 608 Seiten, 48,- Mark.

Pastor Johannes Fincks Devise lautete: "Das Wichtigste in der Politik ist: die Kasse muß stimmen." Der ehemalige Zentrumsabgeordnete im Bayerischen Landtag, Gründungsvater der pfälzischen CDU und Seelsorger in Limburgerhof (Vorort von Ludwigshafen) vermittelte seinem gerade 17 Jahre alten politischen Ziehsohn Helmut darüber hinaus offensichtlich nichts über die Bedeutung von Kassenbüchern, zumindest nichts, was sich dem späteren Unionspolitiker nachhaltig einprägte.

Über 50 Jahre später interessieren die deutsche Öffentlichkeit die "schwarzen Kassen" der CDU und die Verstöße des "schwarzen Riesen" gegen das Offenlegungsgebot der Finanzen im Parteiengesetz mehr als Helmut Kohls Verdienste um die deutsche Einheit und um die Einigung Europas. So ist das Thema Parteispendenaffäre längst buchreif, obwohl noch kein Ende der Enthüllungen in Sicht ist: Die Untersuchungsausschüsse tagen wieder, Sonderermittler Hirsch sucht weiter Akten. Eine erste gelungene Zwischenbilanz (Stand: Ende Juni 2000) - mit einem nützlichen Personenregister, aber leider ohne eine notwendige Chronik - legen nun drei Münchener Redakteure vor, die durch ihre Berichterstattung die skandalösen Vorgänge an Rhein und Isar mit aufdeckten, nachdem einige wenige Steuerfahnder wie Klaus Förster Ende der siebziger Jahre in Bonn und Staatsanwälte wie Winfried Maier in den neunziger Jahren in Augsburg ermittlerisch tätig geworden waren.

Hans Leyendecker zeichnet Kohls Karriere nach und beleuchtet gleichzeitig die Hinter- und Abgründe der Parteienfinanzierung seit 1949. Für ihn steht Kohl in der Tradition der Adenauerzeit, über die er zu Recht feststellt: "Die Historiker haben sich um Parteigeschäfte bislang kaum gekümmert, verläßliche Bilanzen existieren nicht, fast alle Zeitzeugen sind tot."

Ohne nähere Quellen- und Zeitangabe wird Konrad Adenauers bemerkenswerte Äußerung vor Vorstandsmitgliedern zitiert, "daß direkte Ansprüche und Forderungen seitens irgendwelcher Geldgeber meines Wissens niemals gestellt worden sind. Aber - und jeder sollte mal mit sich selber sprechen - die Leute, die das Geld geben, verstimmt man nicht gern. Das ist doch so natürlich wie nur irgend etwas, so daß eine indirekte Art von Wirkung - so will ich mich mal ausdrücken - doch nicht so ohne weiteres von der Hand zu weisen ist. Vorsichtiger konnte ich mich nicht ausdrücken." In der Tat nicht, und trotzdem ist die Macht der Spender erfaßt - zu einer Zeit, als es noch gar kein Parteiengesetz gab. Erst seit 1967 müssen Spenden ab 20 000 DM als Einnahmen mit dem Namen des Spenders deklariert werden, erst 1984 kamen die Ausgaben (Mittelverwendung) und Angaben über das Parteivermögen hinzu.

Die Grundgesetzänderung von 1984 war die Folge der ersten großen Parteispendenaffäre, die mit dem Namen Flick verbunden war. Kohl mußte im "Nachspiel" zu dieser Affäre 1986 in Mainz vor einem Untersuchungsausschuß aussagen und stand im Verdacht der uneidlichen Falschaussage bei zwei ermittelnden Staatsanwaltschaften. Sein damaliger Generalsekretär Geißler räumte immerhin ein, daß Kohl in Mainz "möglicherweise einen Blackout gehabt" habe. Eine Anklage gegen Kohl erfolgte nicht, wenn auch der Kanzler damals zweimal Uwe Lüthje die Frage gestellt haben soll: "Muß ich zurücktreten?"

Natürlich widmet sich Leyendecker auch der Schatzmeisterei der Union und ihren damaligen Protagonisten: neben Walther Leisler Kiep, Schatzmeister bis 1991, dem Generalbevollmächtigten Uwe Lüthje und dem Wirtschaftsprüfer Horst Weyrauch. Kiep und Lüthje standen 1990/91 im bisher letzten großen Parteispendenprozeß vor dem Düsseldorfer Landgericht. Als Kiep zu einer Gesamtstrafe von 675 000 Mark verurteilt wurde und Revision einlegte, sagte Kohl: "Das ist keine gute Idee." Die CDU könne "das Thema nicht mehr gebrauchen". Kiep widersprach: "Weder die Partei hat Schaden genommen noch du selbst. Ich habe alles außen vor gelassen, was diese Geschichte hätte politisieren können, bewußt - entgegen dem Rat meines Verteidigers."

Kohl habe - so Leyendeckers Fazit - "die CDU als seinen Laden, vielleicht sogar als sein Eigentum" betrachtet und den Dienst an der Partei über alles, eben auch über die Gesetze gestellt. Anonyme Spender (wenn sie denn tatsächlich existieren sollten) wollten ihm - nach eigener Aussage am 16. Dezember 1999 im ZDF - nur "helfen".

Michael Stiller bringt die bayerische Dimension in die Schilderungen ein: "Das weißblaue Amigo-System". Kohls Münchener Gegenspieler Franz Josef Strauß wird zitiert - und zwar nach der gerade verlorenen Bundestagswahl 1976 mit dem Bayern als Spitzenkandidat. In der Münchener "Wienerwald"-Zentrale des Brathähnchen-Königs und Strauß-Sponsors Friedrich Jahn ("mein Bundesgeflügeladjutant", so Strauß einmal über den ehemaligen Oberkellner) erklärte Strauß den Mitgliedern der Jungen Union, daß Kohl "nie Kanzler werden" könne. Er sei "total unfähig". Mit neunzig Jahren werde er - "vielleicht . . . in Sibirien" - Memoiren verfassen mit dem Titel: "Ich war vierzig Jahre Kanzlerkandidat." Später mußte Strauß dann als relativ einflußloser Landesfürst mit ansehen, wie der von ihm verachtete Kohl Bundeskanzler wurde.

Noch zu Lebzeiten des 1988 verstorbenen Ministerpräsidenten bahnten sich 1982 die Geschäftsbeziehungen zwischen Strauß-Sohn Max und Karlheinz Schreiber durch Immobilienspekulationen an (Investitionen in kanadisches Ödland, wie sich später herausstellte). Der durch die 100 000-Mark-Spende an Wolfgang Schäuble aus dem Jahr 1994 mittlerweile bekannt gewordene Schreiber traf sich 1986 erstmals mit Stiller, als dieser über einen "angeblichen Rücktransfer der verlorenen Millionen an die Familie Strauß" recherchierte. Schreiber dementierte und warnte: "Da soll eine Schweinerei konstruiert werden. Passen Sie bloß auf, letztlich ist es doch die Süddeutsche, die mißbraucht wird und blöd dasteht."

Ein als "Maxwell" bezeichneter Millionen-Dollar-Empfänger fand sich auf Schreibers Pay-roll; bei seiner "Vorliebe für Wortspiele mit den Namen seiner Freunde" könnte damit der Strauß-Filius gemeint gewesen sein. Jedoch weist Max Strauß energisch von sich, mit "Maxwell" gemeint zu sein oder überhaupt je Geld von Schreiber als Ausgleich für die Kanada-Investitionspleite bekommen zu haben: "Daß er und seine Geschwister bis 1996, als Schreiber schon mit Haftbefehl gesucht wurde, über die alte kanadische Strauß-Firma F.M.S. geschäftliche Verbindungen mit dem gerissenen Provisionär und Steuerkünstler hatten, daß die bayerische Ministerin ihren 33-Prozent-Anteil an dieser Firma erst 1999 an ihre Brüder veräußerte, bestreitet die Erbengemeinschaft hingegen nicht." Stiller merkt übrigens an, daß Max Strauß bereits Mitte der neunziger Jahre wegen Beschimpfungen des Redakteurs 10 000 Mark für ehemalige Dachau-Häftlinge spenden mußte. Strauß junior hatte ihn als "Mitglied der journalistischen Totenkopfdivision Joseph Goebbels" bezeichnet.

Heribert Prantl widmet sich abschließend der "Veralltäglichung des Ungesetzlichen". Für ihn war Kohl von Beginn der politischen Karriere an ein "Furchtloser". Er habe stets die Provinz verkörpert, im Gegensatz etwa zu Richard von Weizsäcker, der sich als Weltmann und Weltgeist geriere. Im Gegensatz zu Strauß sei Kohl stets als berechenbar, vertrauenswürdig und farblos erschienen, während der Bayer als unberechenbar und suspekt, ja als "bunter Hund" gegolten habe. Der Provinzler habe Weltgeschichte gemacht und nicht der Weltgeist, nicht zuletzt deshalb, weil die Welt keine Angst vor Kohl gehabt habe.

Mit dem Tod von Strauß fiel der letzte Kritiker innerhalb der Union weg, den Kohl ernst nehmen mußte. Bald nach der Wiedervereinigung wurde er in der eigenen Partei als Denkmal behandelt - nur noch von Hofschranzen umgeben und beraten. Daß dabei jegliches Augenmaß verlorenging, zeigte sich in vollem Ausmaß erst an Kohls Reaktionen auf die Enthüllungen seit November 1999. Er glaubte, längst über solchen Lappalien wie den Bestimmungen eines Parteiengesetzes zu stehen, die er allenfalls als unverbindliche Empfehlungen interpretierte. Daß Ehrenworte an anonyme Spender plötzlich über dem Gesetz stehen sollen, gab und gibt der These von der Käuflichkeit der Politik erst Gewicht.

Prantl wundert sich darüber, daß bisher gegen Kohl nur wegen Untreue, nicht aber wegen Betrugs ermittelt worden sei. Dann bringt er eine Vorschrift des Strafgesetzbuches ins Spiel, "die noch kein Staatsanwalt und auch kein politischer Kritiker dem Altbundeskanzler vorgehalten hat. Sie lautet: Parteiverrat." Wer im Paragraph 356 nachlese, merke allerdings sogleich, daß es sich um eine Vorschrift gegen untreue Rechtsanwälte handelt, die ihren Mandanten verraten: "Doch ist es exakt dieses Wort, das das Verhalten von Helmut Kohl besser kennzeichnet als jedes andere."

Aber hat Kohl nicht vielmehr seine Wähler und nicht nur die CDU und deren Mitglieder durch sein Finanzgebaren und seinen Gesetzesbruch hintergangen? Dabei hat er die zerstörerische Macht der Spender sicherlich unterschätzt, in deren Hände er sich immer dann begab, wenn er seine Hand namens der Partei und angeblich zum Wohle der CDU aufhielt. Ob wirklich politisches Wohlverhalten in einer gewünschten oder erahnten Richtung erfolgte, um die Geldgeber nicht zu "verstimmen", Entscheidungen also zugunsten einzelner Unternehmen erschmiert wurden, erscheint demgegenüber schon fast sekundär. Kohl fühlte sich in der Führung der CDU durch heimlich gespendete Millionen unabhängig. Dafür war er abhängig von Spendern, die wußten, daß sie gemeinsam mit dem Kanzler Gesetze mißachteten.

RAINER BLASIUS

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Die wichtigste Einsicht dieses Buches, so Bruno Schirra, ist die Tatsache, dass die Geschichte des "größten Nachkriegsskandal" der Bundesrepublik schon 1949 begann. Akribisch habe das "Dreigestirn der "Süddeutschen Zeitung" aufgedeckt, welch innige Verbindung von Anfang an zwischen Geld und Macht geherrscht haben und wie sehr illegale Parteienfinanzierung immer schon dazugehört hat. Ob die von den Autoren aufgestellten "Zehn Gebote" zur Finanzmoral der Parteien befolgt werden, wagt Bruno Schirra zu bezweifeln.

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