Sie war intelligent, energisch, schön, charmant; gleichzeitig war sie intolerant, stur, antiintellektuell: Gewiss war Maria Theresia jedoch 1740 mit 23 nicht darauf vorbereitet, die Herrscherin des größten, aber auch fragilsten Reichs in Europa zu werden. Dennoch regierte sie die Habsburgermonarchie vierzig Jahre lang, war eine der mächtigsten Herrscherinnen Europas, dazu Mutter von 16 Kindern. In ihrer blendend geschriebenen Biographie eröffnet die aus Frankreich stammende feministische Autorin und Historikerin Élisabeth Badinter eine neue Sicht auf die starke Frau Maria Theresia, die zu einem Symbol habsburgischer Politik wurde und wie kaum eine Frau die Geschichte von Österreich prägte.
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buecher-magazin.deMaria Theresia von Österreich, deren 300. Geburtstag im Mai gefeiert wird, gehört zu den großen Herrscherinnen der Weltgeschichte. Sie regierte rund 40 Jahre, schmiedete Allianzen, führte Krieg. Im Gegensatz zu Elisabeth I. von England oder Katharina II. von Russland stellte sie ihre Weiblichkeit nie in den Hintergrund. Das zeigt die französische Philosophin und Feministin Élisabeth Badinter in einer neuen Biografie.
Briefe und Berichte von Diplomaten lassen eine liebende Frau erkennen, die ihrem Mann trotz seiner Affären und mittelmäßigen Intelligenz treu bleibt. Maria Theresia bleibt auch stets Mutter: Sie bringt nicht nur 16 Kinder zur Welt, sondern kümmert sich auch um sie, was im Adelsmilieu des 18. Jahrhunderts selten war. Verblüfft liest man, wie die autoritäre Kaiserin sich bei jeder Geburt Sorgen macht, wie die Krankheiten ihrer Kinder sie emotional aus der Bahn werfen und wie sie bis zu ihrem Tod an wiederkehrenden Konflikten mit ihrem ältesten Sohn Joseph leidet.
Badinter geht zu sehr ins Detail. Vor allem die langen Schilderungen von Intrigen und Kriegsgeschehnissen sind ermüdend. Doch die Autorin zeichnet das Porträt einer beeindruckenden Frau, die alle Register der Macht zieht, ohne dafür "männlicher" werden zu müssen. Ein Vorbild?
© BÜCHERmagazin, Claire-Lise Tull
Briefe und Berichte von Diplomaten lassen eine liebende Frau erkennen, die ihrem Mann trotz seiner Affären und mittelmäßigen Intelligenz treu bleibt. Maria Theresia bleibt auch stets Mutter: Sie bringt nicht nur 16 Kinder zur Welt, sondern kümmert sich auch um sie, was im Adelsmilieu des 18. Jahrhunderts selten war. Verblüfft liest man, wie die autoritäre Kaiserin sich bei jeder Geburt Sorgen macht, wie die Krankheiten ihrer Kinder sie emotional aus der Bahn werfen und wie sie bis zu ihrem Tod an wiederkehrenden Konflikten mit ihrem ältesten Sohn Joseph leidet.
Badinter geht zu sehr ins Detail. Vor allem die langen Schilderungen von Intrigen und Kriegsgeschehnissen sind ermüdend. Doch die Autorin zeichnet das Porträt einer beeindruckenden Frau, die alle Register der Macht zieht, ohne dafür "männlicher" werden zu müssen. Ein Vorbild?
© BÜCHERmagazin, Claire-Lise Tull
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.2017Ein Reiter wollte sie werden
Maria Theresia ließ sich zum König krönen. Barbara Stollberg-Rilinger und Élisabeth Badinter verstehen das in ihren Biographien auf verschiedene Weise.
Von Patrick Bahners
Die Gattin von Graf Demetrius O'Mahoney, dem spanischen Botschafter in Wien, erhielt 1771 ein Geschenk aus dem Nachlass einer adligen Nonne: einen Edelstein, den Kaiserin Maria Theresia angeblich während ihrer Schwangerschaften als Amulett getragen hatte. Ein Kurier sollte den Stein nach Madrid bringen. In sechs Jahren Ehe war es der dortigen Kronprinzessin noch nicht gelungen, ein Kind zu gebären. Die letzte der sechzehn Schwangerschaften Maria Theresias lag 1771 schon fünfzehn Jahre zurück. Der Botschafter richtete vorsichtshalber eine Eingabe an die Hofburg, um sich von allerhöchster Stelle die Echtheit des Wundersteins bestätigen zu lassen.
Einem Hofrat teilte die Kaiserin am 17. Juli 1771 mit, welche Auskunft O'Mahoney erhalten sollte: "Ich kenne gar wohl diesen Stein, welcher gewiss in zehn oder zwölf Schwangerschaften von dieser Nämlichen mir geschickt worden, der aber nie weiter gekommen ist als in den oberen Gang in den Kasten der verstorbenen Justel oder den der Guttenberg, indem ich, so lang ich lebe, niemals auf solche Sachen gehalten, noch weniger etwas angehängt oder gebraucht hätte." Die Justel war eine Kammerzofe, die Guttenberg eine (adlige) Kammerfrau. Beide Frauen verfügten offenbar über Kästen, in denen sie Gegenstände sammelten, die sich für ihren Dienst an der Person der Kaiserin als nützlich erweisen konnten. Diese Kästen befanden sich allerdings in einigem Abstand zum kaiserlichen Schlafzimmer.
Hatte Maria Theresia den Stein, den sie so gut kannte, je zu Gesicht bekommen? Oder hatte sie das Geschenk bei Erhalt der Nachricht über seinen Eingang sogleich wegpacken lassen? Wie ist es dann aber zu erklären, dass die gütige Nonne ihr dieselbe Gabe bei der nächsten Schwangerschaft neuerlich übersandt hat, und das zehnmal oder sogar noch öfter? Maria Theresia hat den Stein zurückgesandt - und zwar ohne die Spenderin darüber aufzuklären, dass sie an derlei dingliche Geburtshelfer nie geglaubt hat. "Um der Klosterfrau eine Freude zu machen, habe ich ihr ihn nach meiner Niederkunft wieder geschickt, um bei Anderen mehr Glauben zu finden, besonders wenn mein Name beigesetzt worden."
Barbara Stollberg-Rilinger erzählt diese Geschichte im sechsten der fünfzehn Kapitel ihrer Biographie Maria Theresias, das den Titel "Körperpolitik" trägt. Die "Geburten" behandelt das sechste und letzte Unterkapitel des Kapitels, das mit einer Betrachtung über Schönheit als "Herrschertugend" beginnt. Als Eigenschaft des idealen Herrschers, unabhängig vom Geschlecht, wohlgemerkt. Man kennt das aus dem Märchen: "Der König ist der schönste Mann, die Königin die schönste Frau, und sie müssen es sein, eben weil sie König und Königin sind. Denn in einer wohlgeordneten, lesbaren Welt bringt die sichtbare Außenseite zuverlässig die unsichtbare Innenseite zum Ausdruck." Der König, der von Gottes Gnaden regiert, im persönlichen Auftrag des Schöpfers, beglaubigt auch mit seiner körperlichen Erscheinung, wie gut die Schöpfung eingerichtet ist. In diesem Sinne instruierte Maria Theresia 1762 den Erzieher ihres Sohns Leopold, dass ein großer Fürst auch durch sein Äußeres alle Herzen auf sich ziehen müsse. Erziehung ist dann die Kunst, die natürlichen Anlagen zur anschaulichen Entfaltung zu bringen, im Fall der Habsburger: ihre Berufung zum Regieren.
Der Untertitel der Biographie lautet: "Die Kaiserin in ihrer Zeit". Noch besser würde passen: in ihrer Welt. Die Biographin zeigt Maria Theresia nicht einfach vor dem Hintergrund ihrer Epoche. Die Zeit, in der die 1717 geborene Tochter Kaiser Karls VI. agierte, reichte im Bewusstsein der Zeitgenossen viel weiter zurück als bis zum Ende des Spanischen Erbfolgekriegs oder des Dreißigjährigen Kriegs. Maria Theresia und ihre Schwester erhielten Geschichtsunterricht vom Hofbibliothekar Gottfried Philipp Spannagl. Dessen Lehrbuch bot "eine Erzehlung der merkwürdigsten Sachen, so von Anfang der Welt bis zu gegenwärtiger Zeit vorgefallen seynd". Spätere Bezeichnungen für die Zeit, die ein solches Gedächtnis kultivierte, sind "Alteuropa" oder, mit einer griffigen Wendung des englischen Historikers Peter Laslett, "die Welt, die wir verloren haben". Verloren haben wir bald nach Maria Theresias Tod 1780 die Grundüberzeugung dieser Welt, dass der Platz jedes Einzelnen in ihr, der Status oder Rang, von der Natur verliehen werde, also angeboren sei. Es war eine Welt, in der bis zum Schluss Menschen lebten, die wirklich erwarteten, wie im Märchen der schönsten aller Frauen gegenüberzutreten, falls sie zur Kaiserin vorgelassen werden sollten.
Wo das Äußere wie bei Leopold zu wünschen übrigließ, konnte auf mütterlichen Rat und kaiserlichen Befehl nachgeholfen werden. Die Lesbarkeit der Welt musste zur Sichtbarkeit gebracht werden. Ein ungeheurer Aufwand wurde getrieben, um die kosmische Verfassung augenfällig zu machen. In was für eine Welt wurde Maria Theresia hineingeboren? Die allgemeinste Antwort: in eine Welt, in der alles Zeichen war. Eine Fürstin bediente sich von morgens bis abends einer Zeichensprache. Ihre Existenz war, mit drei Leitworten des politischen Schrifttums der Epoche, Theater, Repräsentation und Zeremoniell.
Barbara Stollberg-Rilinger ist die Zentralfigur einer geschichtswissenschaftlichen Schule, die einen Umsturz unserer Ideen von vergangener Politik bewirkt hat. Das nicht nur für die Friedenskongresse, sondern sogar für die Kriegführung der frühen Neuzeit charakteristische symbolische Handeln halten wir nicht mehr für die Vermeidung von Politik. Mit ihrem jüngsten Buch führt die Münsteraner Historikerin den Ernstfall für ihren Ansatz herbei. Sie will wissen, ob sich der Perspektivwechsel bewährt, wenn es um eine der klassischen Hauptpersonen der politischen Historie geht, ein denkbar eigenwilliges, im emphatischen Sinne souveränes Individuum. Die Probe gelingt triumphal. Konsequent erklärt die Biographin die Politik Maria Theresias gemäß einem Primat der Regeln und Formen, der wechselseitigen Handlungserwartungen.
Sprengte die Erbin Karls VI. aber nicht schon mit ihrer Thronbesteigung die überkommene Ordnung der Dinge? Ihr Vater hatte kein anderes politisches Ziel verfolgt, als seiner Tochter die Nachfolge in den habsburgischen Ländern zu sichern. Doch als der Erbfall eintrat, waren die von den anderen Mächten ausgefertigten Garantien der Pragmatischen Sanktion Pergament und Siegellack nicht wert.
In Ungarn und Böhmen ließ sich Maria Theresia zum König krönen, nicht zur Königin. Entlarvt der Zwang zum Gendercrosssing in der Urkundensprache das Unnatürliche ihres Anspruchs? Nach der Logik der Repräsentation, die Stollberg-Rilinger rekonstruiert, gerade nicht. In einer "Betrachtung über die Etiquette mit Anwendung auf die Präcedenz der Gesandten und Monarchen durch Beyspiele aus der Geschichte erläutert" heißt es: "Regentinnen hören auf, Frauen zu seyn, sobald sie den Thron besteigen." Der anonyme Verfasser postulierte kein Mirakel der Geschlechtsumwandlung durch Salbung, sondern stellte fest, dass soziales und biologisches Geschlecht auseinanderfallen konnten. Das machte die Zeichenstruktur der Welt möglich, die den Unterschied von Zeichen und Bezeichnetem voraussetzte: Auch der Körper einer Königin war als Träger der Königswürde geeignet. Beispiele aus der Geschichte kannte Maria Theresia aus dem Unterricht bei Spannagl. "Die Semiramis war eine Frau, so nicht nur alle Weiber, sondern auch die Männer mit Tugend und Tapferkeit überschritten."
Bei Stollberg-Rilinger erweist sich das Zeremonialwesen als sozialer Konstruktivismus: Die politische Ordnung wurde gemacht, durch reguliertes Handeln vor dem richtigen Publikum. Um in Pressburg von ihrem ungarischen Königreich Besitz zu ergreifen, musste Maria Theresia lernen, im Männersattel zu reiten und das Schwert zu führen. Aus dem zeremonialwissenschaftlichen Befund ergibt sich die fundamentale methodische Entscheidung der Biographin: der Verzicht auf eine psychologische Einfühlung, die an die Tatsache anknüpft, das jeder von uns eine Mutter hat. Wieder und wieder, mit höchst amüsantem Effekt, kann Stollberg-Rilinger ihre Vorgänger unter den Historikern vorführen, die sich einbildeten, Maria Theresias Politik mit weiblichen Reflexen und Instinkten erklären zu können, wahlweise etwa mit Wankelmut oder mit Starrsinn.
"Bei Maria Theresia steht die Gefühlsambivalenz im Vordergrund." Das liest man in dem Essay, in dem die Philosophin Élisabeth Badinter aus den französischen diplomatischen Akten zeigen will, wie Maria Theresia die Rollen der Ehefrau, Mutter und Herrscherin balancierte. Die ersten beiden Rollen behandelt Badinter als zeitlos. Wie im Kitschroman wird deduziert, was Maria Theresia empfunden hat, wenn ihr Gemahl sie enttäuschte. "Maria Theresia sitzt auf glühenden Kohlen, hin- und hergerissen zwischen ihrem Wunsch, ihren Mann nicht zu verraten, und den weisen Ratschlägen ihrer Minister." Die Herrscherin erkennt die Schwächen ihres Mitregenten, "doch als Frau kann sie sich nicht entschließen, dies zu akzeptieren".
Und auch die Herrscherin erweist sich als Frau, wie sie schon die männlichen Historiker des neunzehnten Jahrhunderts sehen wollten: "In ihrem Regierungsstil spielt das Affektive eine vorherrschende Rolle". Erstaunlich, dass eine berühmte Feministin in diese Falle geht. Sogar den Konflikt mit Friedrich II. führt Badinter auf den Gegensatz von "Virilität" und "Feminität" zurück: "Er will erobern, sie will bewahren." Stollberg-Rilinger erwähnt, dass auch Maria-Theresia erobern wollte.
Vermeide jede naturalistische Unterstellung! Das ist die pragmatische Sanktion, auf die sich Stollberg-Rilinger verpflichtet hat. Auch den scheinbar natürlichsten Vorgang im Leben einer Frau erörtert sie deshalb erst nach der Analyse der übrigen Rituale, in die der Körper der Kaiserin eingebunden war. Maria Theresia unterwarf sich als Gebärende dem aufgeklärten Regiment ihres Leibarztes Gerhard van Swieten. Die Reliquien der habsburgischen Hausheiligen wurden ebenso aus dem Geburtszimmer verbannt wie die Hebammen. Daher war dort auch für den Edelstein der Klosterfrau kein Platz. Van Swieten drängte magische Praktiken zurück, mit denen die Monarchie seit ihrer märchenhaften Frühzeit im Bunde gestanden hatte. Seine wissenschaftlich begründeten Vorschriften stifteten einen neuen Ritus.
Warum zog Maria Theresia den Stein nicht aus dem Verkehr, warum ermutigte sie die Nonne sogar, ihn weiterzugeben? Sie trug einem Prinzip der höfischen Ökonomie Rechnung, das die Biographin mehrfach anführt: Do ut des. Der Gabentausch bewirkte im höfischen Rahmen eine wunderbare Gunstvermehrung. Das Geschenk der Nonne hatte bei der Rückgabe seinen Wert gesteigert: Die Berührung der Kaiserin vermehrte die Kraft des Steins, der nach der Zirkulation unter den anderen Schwangeren wieder in die Hand Maria Theresias zurückkehrte. Oder doch in den Kasten im oberen Gang.
Die Kaiserin "durchschaute die soziale Magie, die von ihrem eigenen herrscherlichen Charisma ausging, und wusste sie zu nutzen". So elegant sind viele Pointen des Buches - und so wohlpräpariert. Die strukturgeschichtliche Biographie ist kein monströser Zwitter. Kunstvoll verbinden die fünfzehn Kapitel thematische Exposition und chronologische Erzählung. Die Geheimnisse der Hofgesellschaft enthüllt Barbara Stollberg-Rilinger in exemplarischen Schritten, anhand prägnanter Begebenheiten und mittels beredter Zitate. Maria Theresia behält das letzte Wort. Unverwechselbar ihr Rat an den spanischen Botschafter: "Mahoni kann den Courier ersparen." Auch ohne den Stein aus Wien wurde die Prinzessin von Asturien am 19. September 1771 von einem Knaben entbunden.
Barbara Stollberg-Rilinger: "Maria Theresia". Die Kaiserin in ihrer Zeit. Eine Biographie.
Verlag C. H. Beck, München 2017. 1083 S., Abb., geb., 34,- [Euro].
Élisabeth Badinter: "Maria Theresia". Die Macht der Frau.
Aus dem Französischen von Horst Brühmann und Petra Willim. Hanser Verlag, München 2017. 301 S., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Maria Theresia ließ sich zum König krönen. Barbara Stollberg-Rilinger und Élisabeth Badinter verstehen das in ihren Biographien auf verschiedene Weise.
Von Patrick Bahners
Die Gattin von Graf Demetrius O'Mahoney, dem spanischen Botschafter in Wien, erhielt 1771 ein Geschenk aus dem Nachlass einer adligen Nonne: einen Edelstein, den Kaiserin Maria Theresia angeblich während ihrer Schwangerschaften als Amulett getragen hatte. Ein Kurier sollte den Stein nach Madrid bringen. In sechs Jahren Ehe war es der dortigen Kronprinzessin noch nicht gelungen, ein Kind zu gebären. Die letzte der sechzehn Schwangerschaften Maria Theresias lag 1771 schon fünfzehn Jahre zurück. Der Botschafter richtete vorsichtshalber eine Eingabe an die Hofburg, um sich von allerhöchster Stelle die Echtheit des Wundersteins bestätigen zu lassen.
Einem Hofrat teilte die Kaiserin am 17. Juli 1771 mit, welche Auskunft O'Mahoney erhalten sollte: "Ich kenne gar wohl diesen Stein, welcher gewiss in zehn oder zwölf Schwangerschaften von dieser Nämlichen mir geschickt worden, der aber nie weiter gekommen ist als in den oberen Gang in den Kasten der verstorbenen Justel oder den der Guttenberg, indem ich, so lang ich lebe, niemals auf solche Sachen gehalten, noch weniger etwas angehängt oder gebraucht hätte." Die Justel war eine Kammerzofe, die Guttenberg eine (adlige) Kammerfrau. Beide Frauen verfügten offenbar über Kästen, in denen sie Gegenstände sammelten, die sich für ihren Dienst an der Person der Kaiserin als nützlich erweisen konnten. Diese Kästen befanden sich allerdings in einigem Abstand zum kaiserlichen Schlafzimmer.
Hatte Maria Theresia den Stein, den sie so gut kannte, je zu Gesicht bekommen? Oder hatte sie das Geschenk bei Erhalt der Nachricht über seinen Eingang sogleich wegpacken lassen? Wie ist es dann aber zu erklären, dass die gütige Nonne ihr dieselbe Gabe bei der nächsten Schwangerschaft neuerlich übersandt hat, und das zehnmal oder sogar noch öfter? Maria Theresia hat den Stein zurückgesandt - und zwar ohne die Spenderin darüber aufzuklären, dass sie an derlei dingliche Geburtshelfer nie geglaubt hat. "Um der Klosterfrau eine Freude zu machen, habe ich ihr ihn nach meiner Niederkunft wieder geschickt, um bei Anderen mehr Glauben zu finden, besonders wenn mein Name beigesetzt worden."
Barbara Stollberg-Rilinger erzählt diese Geschichte im sechsten der fünfzehn Kapitel ihrer Biographie Maria Theresias, das den Titel "Körperpolitik" trägt. Die "Geburten" behandelt das sechste und letzte Unterkapitel des Kapitels, das mit einer Betrachtung über Schönheit als "Herrschertugend" beginnt. Als Eigenschaft des idealen Herrschers, unabhängig vom Geschlecht, wohlgemerkt. Man kennt das aus dem Märchen: "Der König ist der schönste Mann, die Königin die schönste Frau, und sie müssen es sein, eben weil sie König und Königin sind. Denn in einer wohlgeordneten, lesbaren Welt bringt die sichtbare Außenseite zuverlässig die unsichtbare Innenseite zum Ausdruck." Der König, der von Gottes Gnaden regiert, im persönlichen Auftrag des Schöpfers, beglaubigt auch mit seiner körperlichen Erscheinung, wie gut die Schöpfung eingerichtet ist. In diesem Sinne instruierte Maria Theresia 1762 den Erzieher ihres Sohns Leopold, dass ein großer Fürst auch durch sein Äußeres alle Herzen auf sich ziehen müsse. Erziehung ist dann die Kunst, die natürlichen Anlagen zur anschaulichen Entfaltung zu bringen, im Fall der Habsburger: ihre Berufung zum Regieren.
Der Untertitel der Biographie lautet: "Die Kaiserin in ihrer Zeit". Noch besser würde passen: in ihrer Welt. Die Biographin zeigt Maria Theresia nicht einfach vor dem Hintergrund ihrer Epoche. Die Zeit, in der die 1717 geborene Tochter Kaiser Karls VI. agierte, reichte im Bewusstsein der Zeitgenossen viel weiter zurück als bis zum Ende des Spanischen Erbfolgekriegs oder des Dreißigjährigen Kriegs. Maria Theresia und ihre Schwester erhielten Geschichtsunterricht vom Hofbibliothekar Gottfried Philipp Spannagl. Dessen Lehrbuch bot "eine Erzehlung der merkwürdigsten Sachen, so von Anfang der Welt bis zu gegenwärtiger Zeit vorgefallen seynd". Spätere Bezeichnungen für die Zeit, die ein solches Gedächtnis kultivierte, sind "Alteuropa" oder, mit einer griffigen Wendung des englischen Historikers Peter Laslett, "die Welt, die wir verloren haben". Verloren haben wir bald nach Maria Theresias Tod 1780 die Grundüberzeugung dieser Welt, dass der Platz jedes Einzelnen in ihr, der Status oder Rang, von der Natur verliehen werde, also angeboren sei. Es war eine Welt, in der bis zum Schluss Menschen lebten, die wirklich erwarteten, wie im Märchen der schönsten aller Frauen gegenüberzutreten, falls sie zur Kaiserin vorgelassen werden sollten.
Wo das Äußere wie bei Leopold zu wünschen übrigließ, konnte auf mütterlichen Rat und kaiserlichen Befehl nachgeholfen werden. Die Lesbarkeit der Welt musste zur Sichtbarkeit gebracht werden. Ein ungeheurer Aufwand wurde getrieben, um die kosmische Verfassung augenfällig zu machen. In was für eine Welt wurde Maria Theresia hineingeboren? Die allgemeinste Antwort: in eine Welt, in der alles Zeichen war. Eine Fürstin bediente sich von morgens bis abends einer Zeichensprache. Ihre Existenz war, mit drei Leitworten des politischen Schrifttums der Epoche, Theater, Repräsentation und Zeremoniell.
Barbara Stollberg-Rilinger ist die Zentralfigur einer geschichtswissenschaftlichen Schule, die einen Umsturz unserer Ideen von vergangener Politik bewirkt hat. Das nicht nur für die Friedenskongresse, sondern sogar für die Kriegführung der frühen Neuzeit charakteristische symbolische Handeln halten wir nicht mehr für die Vermeidung von Politik. Mit ihrem jüngsten Buch führt die Münsteraner Historikerin den Ernstfall für ihren Ansatz herbei. Sie will wissen, ob sich der Perspektivwechsel bewährt, wenn es um eine der klassischen Hauptpersonen der politischen Historie geht, ein denkbar eigenwilliges, im emphatischen Sinne souveränes Individuum. Die Probe gelingt triumphal. Konsequent erklärt die Biographin die Politik Maria Theresias gemäß einem Primat der Regeln und Formen, der wechselseitigen Handlungserwartungen.
Sprengte die Erbin Karls VI. aber nicht schon mit ihrer Thronbesteigung die überkommene Ordnung der Dinge? Ihr Vater hatte kein anderes politisches Ziel verfolgt, als seiner Tochter die Nachfolge in den habsburgischen Ländern zu sichern. Doch als der Erbfall eintrat, waren die von den anderen Mächten ausgefertigten Garantien der Pragmatischen Sanktion Pergament und Siegellack nicht wert.
In Ungarn und Böhmen ließ sich Maria Theresia zum König krönen, nicht zur Königin. Entlarvt der Zwang zum Gendercrosssing in der Urkundensprache das Unnatürliche ihres Anspruchs? Nach der Logik der Repräsentation, die Stollberg-Rilinger rekonstruiert, gerade nicht. In einer "Betrachtung über die Etiquette mit Anwendung auf die Präcedenz der Gesandten und Monarchen durch Beyspiele aus der Geschichte erläutert" heißt es: "Regentinnen hören auf, Frauen zu seyn, sobald sie den Thron besteigen." Der anonyme Verfasser postulierte kein Mirakel der Geschlechtsumwandlung durch Salbung, sondern stellte fest, dass soziales und biologisches Geschlecht auseinanderfallen konnten. Das machte die Zeichenstruktur der Welt möglich, die den Unterschied von Zeichen und Bezeichnetem voraussetzte: Auch der Körper einer Königin war als Träger der Königswürde geeignet. Beispiele aus der Geschichte kannte Maria Theresia aus dem Unterricht bei Spannagl. "Die Semiramis war eine Frau, so nicht nur alle Weiber, sondern auch die Männer mit Tugend und Tapferkeit überschritten."
Bei Stollberg-Rilinger erweist sich das Zeremonialwesen als sozialer Konstruktivismus: Die politische Ordnung wurde gemacht, durch reguliertes Handeln vor dem richtigen Publikum. Um in Pressburg von ihrem ungarischen Königreich Besitz zu ergreifen, musste Maria Theresia lernen, im Männersattel zu reiten und das Schwert zu führen. Aus dem zeremonialwissenschaftlichen Befund ergibt sich die fundamentale methodische Entscheidung der Biographin: der Verzicht auf eine psychologische Einfühlung, die an die Tatsache anknüpft, das jeder von uns eine Mutter hat. Wieder und wieder, mit höchst amüsantem Effekt, kann Stollberg-Rilinger ihre Vorgänger unter den Historikern vorführen, die sich einbildeten, Maria Theresias Politik mit weiblichen Reflexen und Instinkten erklären zu können, wahlweise etwa mit Wankelmut oder mit Starrsinn.
"Bei Maria Theresia steht die Gefühlsambivalenz im Vordergrund." Das liest man in dem Essay, in dem die Philosophin Élisabeth Badinter aus den französischen diplomatischen Akten zeigen will, wie Maria Theresia die Rollen der Ehefrau, Mutter und Herrscherin balancierte. Die ersten beiden Rollen behandelt Badinter als zeitlos. Wie im Kitschroman wird deduziert, was Maria Theresia empfunden hat, wenn ihr Gemahl sie enttäuschte. "Maria Theresia sitzt auf glühenden Kohlen, hin- und hergerissen zwischen ihrem Wunsch, ihren Mann nicht zu verraten, und den weisen Ratschlägen ihrer Minister." Die Herrscherin erkennt die Schwächen ihres Mitregenten, "doch als Frau kann sie sich nicht entschließen, dies zu akzeptieren".
Und auch die Herrscherin erweist sich als Frau, wie sie schon die männlichen Historiker des neunzehnten Jahrhunderts sehen wollten: "In ihrem Regierungsstil spielt das Affektive eine vorherrschende Rolle". Erstaunlich, dass eine berühmte Feministin in diese Falle geht. Sogar den Konflikt mit Friedrich II. führt Badinter auf den Gegensatz von "Virilität" und "Feminität" zurück: "Er will erobern, sie will bewahren." Stollberg-Rilinger erwähnt, dass auch Maria-Theresia erobern wollte.
Vermeide jede naturalistische Unterstellung! Das ist die pragmatische Sanktion, auf die sich Stollberg-Rilinger verpflichtet hat. Auch den scheinbar natürlichsten Vorgang im Leben einer Frau erörtert sie deshalb erst nach der Analyse der übrigen Rituale, in die der Körper der Kaiserin eingebunden war. Maria Theresia unterwarf sich als Gebärende dem aufgeklärten Regiment ihres Leibarztes Gerhard van Swieten. Die Reliquien der habsburgischen Hausheiligen wurden ebenso aus dem Geburtszimmer verbannt wie die Hebammen. Daher war dort auch für den Edelstein der Klosterfrau kein Platz. Van Swieten drängte magische Praktiken zurück, mit denen die Monarchie seit ihrer märchenhaften Frühzeit im Bunde gestanden hatte. Seine wissenschaftlich begründeten Vorschriften stifteten einen neuen Ritus.
Warum zog Maria Theresia den Stein nicht aus dem Verkehr, warum ermutigte sie die Nonne sogar, ihn weiterzugeben? Sie trug einem Prinzip der höfischen Ökonomie Rechnung, das die Biographin mehrfach anführt: Do ut des. Der Gabentausch bewirkte im höfischen Rahmen eine wunderbare Gunstvermehrung. Das Geschenk der Nonne hatte bei der Rückgabe seinen Wert gesteigert: Die Berührung der Kaiserin vermehrte die Kraft des Steins, der nach der Zirkulation unter den anderen Schwangeren wieder in die Hand Maria Theresias zurückkehrte. Oder doch in den Kasten im oberen Gang.
Die Kaiserin "durchschaute die soziale Magie, die von ihrem eigenen herrscherlichen Charisma ausging, und wusste sie zu nutzen". So elegant sind viele Pointen des Buches - und so wohlpräpariert. Die strukturgeschichtliche Biographie ist kein monströser Zwitter. Kunstvoll verbinden die fünfzehn Kapitel thematische Exposition und chronologische Erzählung. Die Geheimnisse der Hofgesellschaft enthüllt Barbara Stollberg-Rilinger in exemplarischen Schritten, anhand prägnanter Begebenheiten und mittels beredter Zitate. Maria Theresia behält das letzte Wort. Unverwechselbar ihr Rat an den spanischen Botschafter: "Mahoni kann den Courier ersparen." Auch ohne den Stein aus Wien wurde die Prinzessin von Asturien am 19. September 1771 von einem Knaben entbunden.
Barbara Stollberg-Rilinger: "Maria Theresia". Die Kaiserin in ihrer Zeit. Eine Biographie.
Verlag C. H. Beck, München 2017. 1083 S., Abb., geb., 34,- [Euro].
Élisabeth Badinter: "Maria Theresia". Die Macht der Frau.
Aus dem Französischen von Horst Brühmann und Petra Willim. Hanser Verlag, München 2017. 301 S., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.03.2017Die
Königin
Vor 300 Jahren wurde Maria Theresia
geboren. Zwei sehr unterschiedliche
Bücher nähern sich der Habsburgerin
VON RUDOLF NEUMAIER
Geschichten von Helden und Antihelden werden mit Superlativen geschrieben, und Heldinnen wiederum funkeln schon allein wegen ihrer Seltenheit in den von Männern dominierten Geschichtsbüchern am glamourösesten hervor. Bei der „edlen und erhabenen“ Maria Theresia handle es sich um eine der „größten Fürsten, die je eine Krone trugen“, heißt es im „Damen Conversations Lexikon“, erschienen im Jahr 1834. Bei ihr verbanden sich die „schönsten weiblichen Tugenden mit den glänzenden Eigenschaften, die eine Krone würdig zieren“.
Noch überschwänglicher schreibt drei Dekaden später der Historiker Alfred von Arneth von ihr, Staatsarchivdirektor in Wien. Sie habe in „höherem Maße als irgend ein Monarch vor oder nach ihr zum Wohle der österreichischen Länder gewirkt“ und diese zur „schönsten Blüthe“ geführt. Maria Theresias Persönlichkeit bilde die „glänzendste Erscheinung, von welcher die Geschichte Österreichs zu berichten weiß“. Die Habsburger Kaiser von Rudolf I. über Maximilian I. bis zu Karl V. – sie alle verblassten gegenüber dieser Heldin, die im 19. Jahrhundert zu einer Nationalheiligen avancierte. Zeit für eine Entheiligung, Entehrung, Entheldung? Jedenfalls für Klarstellungen.
Seit nahezu 200 Jahren, seit Ritter von Arneth, hat sich kein Historiker mehr ernsthaft und eingehend mit Leben und Wirken der Königin-Kaiserin beschäftigt. Im Jubiläumsjahr dieser Habsburgerin, die am
13. Mai 1717 geboren wurde, erscheinen nun Maria-Theresia-Bücher von zwei Biografinnen. Die Arbeit der Münsteraner Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger setzt in der Erforschung dieser Herrscherin und in der Bibliografie zu dieser Person auf Dauer einen Meilenstein. Eine wesentlich straffere Studie stammt von der französischen Philosophin Élisabeth Badinter.
Barbara Stollberg-Rilinger, Jahrgang 1955 und seit zwanzig Jahren Inhaberin des Lehrstuhls für Frühe Neuzeit in Münster, hat sich in der internationalen Historikerelite etabliert, indem sie mit ihren Studien über Herrscherrituale und ihre Bedeutung Macht- und Standessymbole sehr plastisch dechiffrierte. Unter anderem bekam sie den Leibniz-Preis und den Preis des Historischen Kollegs, und es würde keineswegs überraschen, wenn sie nun auch für ihre „Maria Theresia“, die ganz nebenbei eine Enzyklopädie des Lebens am Hof im 18. Jahrhundert mitliefert, Auszeichnungen erhielte. Die Superlative, die sich in diesem akribisch recherchierten und mehr als 1000 Seiten umfassenden Buch finden, lassen sich an einer Hand abzählen. Die Geschichte fasziniert trotzdem.
Maria Theresias Vater, Kaiser Karl VI., hatte schon frühzeitig eine Regelung getroffen, die seinen weiblichen Nachkommen den Vorrang vor etwa konkurrierenden Töchtern seines Bruders gab: die Pragmatische Sanktion. Dieses neue Habsburger Hausgesetz verschaffte Maria Theresia, deren einziger Bruder mit sieben Monaten gestorben war, die Nachfolge – und den anderen europäischen Mächten die Gelegenheit, das Haus Österreich mit allerlei Ansprüchen zu behelligen. Sie musste sich in einem achtjährigen Erbfolgekrieg behaupten, der Österreich allerdings die reiche Provinz Schlesien kostete.
„Die Tatsache, dass Maria Theresia eine Frau war, bedeutete für ihre Regentschaft Fluch und Segen zugleich“, schreibt Barbara Stollberg-Rilinger. Friedrich II., der misogyne Preuße, stellte seine Angriffe gegen Österreich zu Beginn jenes Krieges als gut gemeinte Schutzmaßnahme dar: Junger und strammer Kavalier springt seiner ebenso jungen Kollegin, einer Vertreterin des schwachen Geschlechts, zur Seite – blanker Zynismus.
Für eine 23-jährige, in politischen Dingen nicht allzu bewanderte Königstochter handelte die junge Habsburgerin erstaunlich, man möchte fast sagen märchenhaft kühn. Statt sich einschüchtern zu lassen, bot sie ihren Gegnern die Stirn – und das mit einer Armee, die ihr der Vater nach heutigem Verständnis im Zustand einer Gurkentruppe hinterlassen hatte. Wie selbstverständlich sah sie sich als exponiertes Wesen einer überirdischen Weltordnung. Die göttliche Vorsehung selbst hatte ihr diese Rolle zuerkannt, das Erbrecht galt ihr im wahrsten Wortsinn als heilig. Wer es infrage stellte, handelte in ihren Augen dieser von Gottes Gnade eingesetzten Ordnung und damit Gott selbst zuwider. Die Vorsehung zu verteidigen war ihrer Überzeugung nach ihr heiliger Auftrag. Sie wusste von Anfang an, dass sie Geschichte schreiben würde, welche Unbilden und Erfolge auch immer sie zu verzeichnen hätte. Diese Selbsteinschätzung begründete ihr Image von der standhaften Herrscherin.
Eine der vielen Titulierungen, die Maria Theresia im Laufe der Zeit zuteilwurden, lautet Reichshausfrau. Heute klingt sie alles andere als schmeichelhaft, sie verhöhnt ihre Distinktion. Ja, diese Frau war ein Familienmensch, und ja, sie kümmerte sich wohl stärker und beherzter um ihre Kinder, als die meisten männlichen Monarchen dies taten. Doch die Staatsgeschäfte standen bei ihr Tag für Tag im Vordergrund. Die Erzherzogin und spätere Königin gebar 16 Kinder. Es ist aus heutiger Sicht schwer vorstellbar, wie eine Frau, die fast ununterbrochen schwanger ist, ein solches Vielvölkergebilde regieren kann. Maria Theresia schaffte es. Darauf haben schon immer alle verwiesen, die sie als Heldin verehren.
Bei Barbara Stollberg-Rilinger lernen die Leser eine Monarchin nicht nur in ihren privaten Gemächern und Gedankengängen kennen, bei dekadentem Zocken mit ihren Hofleuten um Tausende Gulden am Spieltisch und beim Vorbereiten der geliebten Schwiegertochter auf die Niederkunft, sondern auch in ihrem politischen Alltag. Sie war verschiedener Sprachen mächtig, verwendete aber in der Konversation mit ihrer Entourage ein Deutsch mit Wiener Einschlag. Schriftlich verständigte sie sich häufig auf Französisch, mitunter auf Italienisch.
Als die junge Königin im Jahr 1741 vor den ungarischen Ständen eine flammende Rede auf Lateinisch hielt und Unterstützung im Kampf gegen den nassforschen Preußenkönig Friedrich erbat, sollen die Magyaren begeistert die Säbel gezogen und gerufen haben, sie würden für die Königin sterben.
Grob gesagt, hat ihre vier Dekaden währende Regentschaft im Jahr 1740 trotz der widrigen äußeren Umstände gut begonnen. Doch je länger sie dauerte, desto schwerer tat sich Maria Theresia – und desto ungeschickter stellte sie sich an. Sie, die große Bewahrerin der alten Ordnung, hatte größte Schwierigkeiten mit der neuen Zeit und ihren geistigen Strömungen.
Aufklärung! Man kann bei Stollberg-Rilinger ungefähr nachempfinden, wie oft und immer öfter Maria Theresia die Hände über dem Kopf zusammenschlug, wenn sie mit dieser in ihren Augen misslichen „Modephilosophie“ konfrontiert war. Auch die Mode selbst missfiel ihr: „Bald zieht man gar nichts mehr an und läuft herum wie die Neger“, schrieb sie. Die Gesellschaft wandelte sich, und die Königin-Kaiserin wandelte sich nicht mit ihr, sondern bewegte sich in die Gegenrichtung.
Sie agierte am Anfang eher unkonventionell. Als ihr Johann Adolph Hasse 1744 nach einem Libretto von Pietro Metastasio eine Oper komponiert hatte, musste sie erst davon überzeugt werden, dass es nicht statthaft sei für eine Herrscherin, selbst darin aufzutreten. Als Jugendliche war Maria Theresia häufig auf der Bühne aufgetreten. Auch im Staatswesen traf sie überraschende Entscheidungen. Sie reformierte das Organigramm am Hof, mit der Abschaffung der Hofkanzleien im Mai 1749 per Handbillets aus dem Schloss Schönbrunn stieß sie einer Schar alter Amtsträger vor den Kopf.
Welche Stimmungen sie auslöste, verfolgt Stollberg-Rilinger gern in den Aufzeichnungen des Obersthofmeisters Johann Joseph von Khevenhüller, einer wunderbaren Quelle aus erster Hand. Khevenhüller war ein Höfling alter Schule, loyal bis zur Selbstverleugnung. Was er aber seinem Tagebuch anvertraute, war nicht immer nur schmeichelhaft für die Herrin. Es kam vor, dass die Monarchin Termine platzen ließ, weil „die Toilette nicht wohl gerathen und mann mit einem üblen Aufbutz in publico nicht erscheinen wollen“, schreibt Khevenhüller. Wobei Barbara Stollberg-Rilinger ihrer Hauptfigur deshalb nicht gleich einen Schönheitswahn andichten würde – vorschnelle Urteile sind ihr fremd. Vielmehr, sagt sie, habe Maria Theresia schlicht die Notwendigkeit erkannt, „den herrscherlichen Körper als solchen zu inszenieren. Der Habitus des Monarchen war eine Staatsangelegenheit.“
Élisabeth Badinter hingegen nimmt sich zum Beschreiben des historischen Kontextes selten Zeit. Sie schildert eine Frauengeschichte und produziert nahezu herzzerreißende Einschätzungen wie diese: „Der Konflikt zwischen Mutter und Herrscherin muss herzzerreißend gewesen sein“, nachdem die Königin ihren Sohn und Mitregenten düpiert hatte.
Zu den Aufgaben einer guten Herrscherin gehörte es zweifellos nicht, ihren Nachruhm durch die Vernichtung von Akten zu beeinflussen. Archivieren ließ sie nur, was ihr gefiel und womit sie gefallen konnte. Uneitel, wie die Maria-Theresia-Verehrer des 19. Jahrhunderts in ihren panegyrischen Lebensberichten schrieben, war diese Frau sicher nicht. Und großherzig gegen die kleinen Leute, die Armen und Beladenen, war sie auch nicht. Vielmehr, das arbeitet Stollberg-Rilinger klug heraus, handelte sie mit Gunst. Als Gegenleistung erwartete sie Loyalität.
Einen bemerkenswerten Ausschnitt dieses riesigen Gemäldes, das Barbara Stollberg-Rilinger um ihr Porträt der Habsburgerin herum malt, bildet die Beziehung Maria Theresias zu ihrem Mann Franz Stephan ab. So agil und temperamentvoll die Frau war, so träge erschien er. Aber sie liebte ihn, und zwar – so märchenhaft es auch klingt – von Kindheit an bis zu seinem Tod. Franz Stephan von Lothringen hatte einen schweren Stand am Wiener Hof: Sie war die Herrin, er hatte nichts zu melden. Bis sie ihm die Kaiserwürde verschaffte. Maria Theresia wurde selbst nie zur Kaiserin gekrönt, sie trug den Titel als Kaisergattin.
Badinter macht ein von Maria Theresia angestrebtes „Modell des bürgerlichen Ehepaars, wie es hätte prüder nicht sein können“ aus. Bei Stollberg-Rilinger dagegen lernt man, dass die Königin-Kaiserin überhaupt keinen Begriff von einer bürgerlichen Ehe hatte – dieses Modell entstand erst im nächsten Jahrhundert. Jedenfalls beruhte die Liebe in ihrer eigenartigen Intensität offenbar nicht auf Gegenseitigkeit. Franz Stephan erlaubte sich Seitensprünge, was letztendlich die notorische Keuschheitspolitik seiner Frau entfachte. Sie verbot Bälle und setzte Spitzel ein, die sexuellen Ausschweifungen im Volk nachspüren mussten.
Für eine Heldin war Maria Theresia zu verbissen. Sogar das „Damen Conversations Lexicon“ attestierte, ihr religiöser Eifer habe sie bisweilen zu Handlungen hingerissen, „die den Glanz ihres Andenkens trüben“.
Barbara Stollberg-Rilinger: Maria Theresia. Die Kaiserin in ihrer Zeit. Eine Biographie. Verlag C.H.Beck, München 2017. 1083 Seiten, 34 Euro. E-Book 28,99 Euro.
Élisabeth Badinter: Maria Theresia. Die Macht der Frau. Aus dem Französischen von Horst Brühmann und Petra Willim. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2017. 301 Seiten, 24 Euro. E-Book 17,99 Euro.
Stollberg-Rilingers Biografie ist
ein Meilenstein – und für den
Preis der Buchmesse nominiert
Sie gebar sechzehn Kinder
und liebte ihren Mann zeitlebens
mit ungewöhnlicher Innigkeit
Élisabeth Badinter erzählt eine
Frauengeschichte und kommt zu
herzzerreißenden Einschätzungen
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Königin
Vor 300 Jahren wurde Maria Theresia
geboren. Zwei sehr unterschiedliche
Bücher nähern sich der Habsburgerin
VON RUDOLF NEUMAIER
Geschichten von Helden und Antihelden werden mit Superlativen geschrieben, und Heldinnen wiederum funkeln schon allein wegen ihrer Seltenheit in den von Männern dominierten Geschichtsbüchern am glamourösesten hervor. Bei der „edlen und erhabenen“ Maria Theresia handle es sich um eine der „größten Fürsten, die je eine Krone trugen“, heißt es im „Damen Conversations Lexikon“, erschienen im Jahr 1834. Bei ihr verbanden sich die „schönsten weiblichen Tugenden mit den glänzenden Eigenschaften, die eine Krone würdig zieren“.
Noch überschwänglicher schreibt drei Dekaden später der Historiker Alfred von Arneth von ihr, Staatsarchivdirektor in Wien. Sie habe in „höherem Maße als irgend ein Monarch vor oder nach ihr zum Wohle der österreichischen Länder gewirkt“ und diese zur „schönsten Blüthe“ geführt. Maria Theresias Persönlichkeit bilde die „glänzendste Erscheinung, von welcher die Geschichte Österreichs zu berichten weiß“. Die Habsburger Kaiser von Rudolf I. über Maximilian I. bis zu Karl V. – sie alle verblassten gegenüber dieser Heldin, die im 19. Jahrhundert zu einer Nationalheiligen avancierte. Zeit für eine Entheiligung, Entehrung, Entheldung? Jedenfalls für Klarstellungen.
Seit nahezu 200 Jahren, seit Ritter von Arneth, hat sich kein Historiker mehr ernsthaft und eingehend mit Leben und Wirken der Königin-Kaiserin beschäftigt. Im Jubiläumsjahr dieser Habsburgerin, die am
13. Mai 1717 geboren wurde, erscheinen nun Maria-Theresia-Bücher von zwei Biografinnen. Die Arbeit der Münsteraner Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger setzt in der Erforschung dieser Herrscherin und in der Bibliografie zu dieser Person auf Dauer einen Meilenstein. Eine wesentlich straffere Studie stammt von der französischen Philosophin Élisabeth Badinter.
Barbara Stollberg-Rilinger, Jahrgang 1955 und seit zwanzig Jahren Inhaberin des Lehrstuhls für Frühe Neuzeit in Münster, hat sich in der internationalen Historikerelite etabliert, indem sie mit ihren Studien über Herrscherrituale und ihre Bedeutung Macht- und Standessymbole sehr plastisch dechiffrierte. Unter anderem bekam sie den Leibniz-Preis und den Preis des Historischen Kollegs, und es würde keineswegs überraschen, wenn sie nun auch für ihre „Maria Theresia“, die ganz nebenbei eine Enzyklopädie des Lebens am Hof im 18. Jahrhundert mitliefert, Auszeichnungen erhielte. Die Superlative, die sich in diesem akribisch recherchierten und mehr als 1000 Seiten umfassenden Buch finden, lassen sich an einer Hand abzählen. Die Geschichte fasziniert trotzdem.
Maria Theresias Vater, Kaiser Karl VI., hatte schon frühzeitig eine Regelung getroffen, die seinen weiblichen Nachkommen den Vorrang vor etwa konkurrierenden Töchtern seines Bruders gab: die Pragmatische Sanktion. Dieses neue Habsburger Hausgesetz verschaffte Maria Theresia, deren einziger Bruder mit sieben Monaten gestorben war, die Nachfolge – und den anderen europäischen Mächten die Gelegenheit, das Haus Österreich mit allerlei Ansprüchen zu behelligen. Sie musste sich in einem achtjährigen Erbfolgekrieg behaupten, der Österreich allerdings die reiche Provinz Schlesien kostete.
„Die Tatsache, dass Maria Theresia eine Frau war, bedeutete für ihre Regentschaft Fluch und Segen zugleich“, schreibt Barbara Stollberg-Rilinger. Friedrich II., der misogyne Preuße, stellte seine Angriffe gegen Österreich zu Beginn jenes Krieges als gut gemeinte Schutzmaßnahme dar: Junger und strammer Kavalier springt seiner ebenso jungen Kollegin, einer Vertreterin des schwachen Geschlechts, zur Seite – blanker Zynismus.
Für eine 23-jährige, in politischen Dingen nicht allzu bewanderte Königstochter handelte die junge Habsburgerin erstaunlich, man möchte fast sagen märchenhaft kühn. Statt sich einschüchtern zu lassen, bot sie ihren Gegnern die Stirn – und das mit einer Armee, die ihr der Vater nach heutigem Verständnis im Zustand einer Gurkentruppe hinterlassen hatte. Wie selbstverständlich sah sie sich als exponiertes Wesen einer überirdischen Weltordnung. Die göttliche Vorsehung selbst hatte ihr diese Rolle zuerkannt, das Erbrecht galt ihr im wahrsten Wortsinn als heilig. Wer es infrage stellte, handelte in ihren Augen dieser von Gottes Gnade eingesetzten Ordnung und damit Gott selbst zuwider. Die Vorsehung zu verteidigen war ihrer Überzeugung nach ihr heiliger Auftrag. Sie wusste von Anfang an, dass sie Geschichte schreiben würde, welche Unbilden und Erfolge auch immer sie zu verzeichnen hätte. Diese Selbsteinschätzung begründete ihr Image von der standhaften Herrscherin.
Eine der vielen Titulierungen, die Maria Theresia im Laufe der Zeit zuteilwurden, lautet Reichshausfrau. Heute klingt sie alles andere als schmeichelhaft, sie verhöhnt ihre Distinktion. Ja, diese Frau war ein Familienmensch, und ja, sie kümmerte sich wohl stärker und beherzter um ihre Kinder, als die meisten männlichen Monarchen dies taten. Doch die Staatsgeschäfte standen bei ihr Tag für Tag im Vordergrund. Die Erzherzogin und spätere Königin gebar 16 Kinder. Es ist aus heutiger Sicht schwer vorstellbar, wie eine Frau, die fast ununterbrochen schwanger ist, ein solches Vielvölkergebilde regieren kann. Maria Theresia schaffte es. Darauf haben schon immer alle verwiesen, die sie als Heldin verehren.
Bei Barbara Stollberg-Rilinger lernen die Leser eine Monarchin nicht nur in ihren privaten Gemächern und Gedankengängen kennen, bei dekadentem Zocken mit ihren Hofleuten um Tausende Gulden am Spieltisch und beim Vorbereiten der geliebten Schwiegertochter auf die Niederkunft, sondern auch in ihrem politischen Alltag. Sie war verschiedener Sprachen mächtig, verwendete aber in der Konversation mit ihrer Entourage ein Deutsch mit Wiener Einschlag. Schriftlich verständigte sie sich häufig auf Französisch, mitunter auf Italienisch.
Als die junge Königin im Jahr 1741 vor den ungarischen Ständen eine flammende Rede auf Lateinisch hielt und Unterstützung im Kampf gegen den nassforschen Preußenkönig Friedrich erbat, sollen die Magyaren begeistert die Säbel gezogen und gerufen haben, sie würden für die Königin sterben.
Grob gesagt, hat ihre vier Dekaden währende Regentschaft im Jahr 1740 trotz der widrigen äußeren Umstände gut begonnen. Doch je länger sie dauerte, desto schwerer tat sich Maria Theresia – und desto ungeschickter stellte sie sich an. Sie, die große Bewahrerin der alten Ordnung, hatte größte Schwierigkeiten mit der neuen Zeit und ihren geistigen Strömungen.
Aufklärung! Man kann bei Stollberg-Rilinger ungefähr nachempfinden, wie oft und immer öfter Maria Theresia die Hände über dem Kopf zusammenschlug, wenn sie mit dieser in ihren Augen misslichen „Modephilosophie“ konfrontiert war. Auch die Mode selbst missfiel ihr: „Bald zieht man gar nichts mehr an und läuft herum wie die Neger“, schrieb sie. Die Gesellschaft wandelte sich, und die Königin-Kaiserin wandelte sich nicht mit ihr, sondern bewegte sich in die Gegenrichtung.
Sie agierte am Anfang eher unkonventionell. Als ihr Johann Adolph Hasse 1744 nach einem Libretto von Pietro Metastasio eine Oper komponiert hatte, musste sie erst davon überzeugt werden, dass es nicht statthaft sei für eine Herrscherin, selbst darin aufzutreten. Als Jugendliche war Maria Theresia häufig auf der Bühne aufgetreten. Auch im Staatswesen traf sie überraschende Entscheidungen. Sie reformierte das Organigramm am Hof, mit der Abschaffung der Hofkanzleien im Mai 1749 per Handbillets aus dem Schloss Schönbrunn stieß sie einer Schar alter Amtsträger vor den Kopf.
Welche Stimmungen sie auslöste, verfolgt Stollberg-Rilinger gern in den Aufzeichnungen des Obersthofmeisters Johann Joseph von Khevenhüller, einer wunderbaren Quelle aus erster Hand. Khevenhüller war ein Höfling alter Schule, loyal bis zur Selbstverleugnung. Was er aber seinem Tagebuch anvertraute, war nicht immer nur schmeichelhaft für die Herrin. Es kam vor, dass die Monarchin Termine platzen ließ, weil „die Toilette nicht wohl gerathen und mann mit einem üblen Aufbutz in publico nicht erscheinen wollen“, schreibt Khevenhüller. Wobei Barbara Stollberg-Rilinger ihrer Hauptfigur deshalb nicht gleich einen Schönheitswahn andichten würde – vorschnelle Urteile sind ihr fremd. Vielmehr, sagt sie, habe Maria Theresia schlicht die Notwendigkeit erkannt, „den herrscherlichen Körper als solchen zu inszenieren. Der Habitus des Monarchen war eine Staatsangelegenheit.“
Élisabeth Badinter hingegen nimmt sich zum Beschreiben des historischen Kontextes selten Zeit. Sie schildert eine Frauengeschichte und produziert nahezu herzzerreißende Einschätzungen wie diese: „Der Konflikt zwischen Mutter und Herrscherin muss herzzerreißend gewesen sein“, nachdem die Königin ihren Sohn und Mitregenten düpiert hatte.
Zu den Aufgaben einer guten Herrscherin gehörte es zweifellos nicht, ihren Nachruhm durch die Vernichtung von Akten zu beeinflussen. Archivieren ließ sie nur, was ihr gefiel und womit sie gefallen konnte. Uneitel, wie die Maria-Theresia-Verehrer des 19. Jahrhunderts in ihren panegyrischen Lebensberichten schrieben, war diese Frau sicher nicht. Und großherzig gegen die kleinen Leute, die Armen und Beladenen, war sie auch nicht. Vielmehr, das arbeitet Stollberg-Rilinger klug heraus, handelte sie mit Gunst. Als Gegenleistung erwartete sie Loyalität.
Einen bemerkenswerten Ausschnitt dieses riesigen Gemäldes, das Barbara Stollberg-Rilinger um ihr Porträt der Habsburgerin herum malt, bildet die Beziehung Maria Theresias zu ihrem Mann Franz Stephan ab. So agil und temperamentvoll die Frau war, so träge erschien er. Aber sie liebte ihn, und zwar – so märchenhaft es auch klingt – von Kindheit an bis zu seinem Tod. Franz Stephan von Lothringen hatte einen schweren Stand am Wiener Hof: Sie war die Herrin, er hatte nichts zu melden. Bis sie ihm die Kaiserwürde verschaffte. Maria Theresia wurde selbst nie zur Kaiserin gekrönt, sie trug den Titel als Kaisergattin.
Badinter macht ein von Maria Theresia angestrebtes „Modell des bürgerlichen Ehepaars, wie es hätte prüder nicht sein können“ aus. Bei Stollberg-Rilinger dagegen lernt man, dass die Königin-Kaiserin überhaupt keinen Begriff von einer bürgerlichen Ehe hatte – dieses Modell entstand erst im nächsten Jahrhundert. Jedenfalls beruhte die Liebe in ihrer eigenartigen Intensität offenbar nicht auf Gegenseitigkeit. Franz Stephan erlaubte sich Seitensprünge, was letztendlich die notorische Keuschheitspolitik seiner Frau entfachte. Sie verbot Bälle und setzte Spitzel ein, die sexuellen Ausschweifungen im Volk nachspüren mussten.
Für eine Heldin war Maria Theresia zu verbissen. Sogar das „Damen Conversations Lexicon“ attestierte, ihr religiöser Eifer habe sie bisweilen zu Handlungen hingerissen, „die den Glanz ihres Andenkens trüben“.
Barbara Stollberg-Rilinger: Maria Theresia. Die Kaiserin in ihrer Zeit. Eine Biographie. Verlag C.H.Beck, München 2017. 1083 Seiten, 34 Euro. E-Book 28,99 Euro.
Élisabeth Badinter: Maria Theresia. Die Macht der Frau. Aus dem Französischen von Horst Brühmann und Petra Willim. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2017. 301 Seiten, 24 Euro. E-Book 17,99 Euro.
Stollberg-Rilingers Biografie ist
ein Meilenstein – und für den
Preis der Buchmesse nominiert
Sie gebar sechzehn Kinder
und liebte ihren Mann zeitlebens
mit ungewöhnlicher Innigkeit
Élisabeth Badinter erzählt eine
Frauengeschichte und kommt zu
herzzerreißenden Einschätzungen
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Pünktlich zu Maria Theresias 300. Geburtstag sind mit den Büchern von Elisabeth Badinter und Barbara Stollberg-Rilinger gleich zwei exzellente Biografien erschienen, freut sich Rezensentin Ulinka Rublack. Dabei besticht die Biografie der französischen Philosophin und Historikerin Badinter, die sich sechs Jahre lang durch tausende von Briefen und Berichten arbeitete, vor allem durch die "emotionale Dichte", mit der sie die verschiedenen Rollen und Widersprüche der Regentin und sechzehnfachen Mutter schildert. Dass sich die Autorin Maria Theresia nicht individualpsychologisch nähert, sondern die Konstruiertheit verschiedener Perspektiven und die Inszenierungskunst der Kaiserin unter zeitgenössischen Bedingungen analysiert, findet die Rezensentin überzeugend. Nicht zuletzt lobt Rublack neben der sprachlichen Eleganz auch Badinters Verdienst, einen weitreichenden Blick auf die Epoche und die Geschichte der Habsburger und jene des Heiligen Römischen Reichs zu werfen, der zu ganz neuen Interpretationen einlädt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Die Persönlichkeit der fernen Königin rückt durch geschickt gewählte Zitate aus Tausenden von Briefen den Lesern von heute nahe. ... Ein einfühlsames, manchmal fast emotionales Buch über Maria Theresia." Cord Aschenbrenner, Neue Zürcher Zeitung, 12.05.17
"Badinter hat sieben Jahre lang Tausende Briefe und Berichte gelesen und schreibt mit großer emotionaler Dichte." Ulinka Rublack, Die Zeit, 23.03.17
"Eine Biografie, die das herkömmliche Bild der Vorzeigemonarchin in eigener Art verändert. Handlich-schlank erzählt Badinter dieses Leben auf eine zentrale Frage hin: Was können Zeitgenossinnen lernen von einer Frau, die gleichzeitig drei Rollen unter einen Hut brachte, als Mutter, Geliebte und Karrierefrau?" Edelgard Abenstein. Deutschlandradio "Lesart!", 21.03.17
"Zu Maria Theresias 300. Geburtstag am 13. Mai erscheinen mehrere Biografien. Den wohl interessantesten Zugang wählt die französische Starphilosophin und Feministin Élisabeth Badinter." Ulrike Schmitzer, Ö1 "Kontext", 17.03.17
"Badinter legt den Fokus auf die Kriege, die die Regentin führte. Doch stutzt sie Maria Theresia nicht zu einer Feministin avant la lettre zurecht. Das macht ihr Buch nicht nur spannend, sondern auch aktuell." Kirstin Breitenfellner, Falter, 08.03.17
"In ihren politischen Vorstellungen und ihrer Religiosität gilt die Kaiserin als alles andere ala modern. Badinter stülpt dieses Bild um, macht sie anfassbar und zu einem Role Model für die Frau von heute." Anne-Catherine Simon, Die Presse, 03.03.17
"Élisabeth Badinter gibt auf 300 gut lesbaren Seiten einen lebendigen Einblick in die Psyche der Herrscherin, solide dokumentiert mit vielerlei Quellen, sprachlich präzise und elegant übersetzt." Norbert Mappes-Niediek, Frankfurter Rundschau, 12.04.17
"Badinters Darstellung der weiblichen Spielart von Macht ist eindrucksvoll und lässt uns auch dort noch mit Maria Theresia mitfühlen, wo sie unsäglich stur, prüde, kontrollsüchtig und depressiv ist." Kathrin Meier-Rust, NZZ Bücher am Sonntag, 30.04.17
"Badinter hat sieben Jahre lang Tausende Briefe und Berichte gelesen und schreibt mit großer emotionaler Dichte." Ulinka Rublack, Die Zeit, 23.03.17
"Eine Biografie, die das herkömmliche Bild der Vorzeigemonarchin in eigener Art verändert. Handlich-schlank erzählt Badinter dieses Leben auf eine zentrale Frage hin: Was können Zeitgenossinnen lernen von einer Frau, die gleichzeitig drei Rollen unter einen Hut brachte, als Mutter, Geliebte und Karrierefrau?" Edelgard Abenstein. Deutschlandradio "Lesart!", 21.03.17
"Zu Maria Theresias 300. Geburtstag am 13. Mai erscheinen mehrere Biografien. Den wohl interessantesten Zugang wählt die französische Starphilosophin und Feministin Élisabeth Badinter." Ulrike Schmitzer, Ö1 "Kontext", 17.03.17
"Badinter legt den Fokus auf die Kriege, die die Regentin führte. Doch stutzt sie Maria Theresia nicht zu einer Feministin avant la lettre zurecht. Das macht ihr Buch nicht nur spannend, sondern auch aktuell." Kirstin Breitenfellner, Falter, 08.03.17
"In ihren politischen Vorstellungen und ihrer Religiosität gilt die Kaiserin als alles andere ala modern. Badinter stülpt dieses Bild um, macht sie anfassbar und zu einem Role Model für die Frau von heute." Anne-Catherine Simon, Die Presse, 03.03.17
"Élisabeth Badinter gibt auf 300 gut lesbaren Seiten einen lebendigen Einblick in die Psyche der Herrscherin, solide dokumentiert mit vielerlei Quellen, sprachlich präzise und elegant übersetzt." Norbert Mappes-Niediek, Frankfurter Rundschau, 12.04.17
"Badinters Darstellung der weiblichen Spielart von Macht ist eindrucksvoll und lässt uns auch dort noch mit Maria Theresia mitfühlen, wo sie unsäglich stur, prüde, kontrollsüchtig und depressiv ist." Kathrin Meier-Rust, NZZ Bücher am Sonntag, 30.04.17