Gärten für Geschichtsinteressierte
Eine Eigenart venezianischer Gärten gibt es, aufgrund derer man sie als geheimnisvoll bezeichnen kann: "Zu vielen venezianischen Gärten gibt es keinen Zugang. Und auch da, wo sie zugänglich sind, gibt es fast immer einen verborgenen und abgeteilten Bereich, in
den man sich zurückziehen kann, nicht nur, um sich besser für Betrachtungen zu sammeln oder um…mehrGärten für Geschichtsinteressierte
Eine Eigenart venezianischer Gärten gibt es, aufgrund derer man sie als geheimnisvoll bezeichnen kann: "Zu vielen venezianischen Gärten gibt es keinen Zugang. Und auch da, wo sie zugänglich sind, gibt es fast immer einen verborgenen und abgeteilten Bereich, in den man sich zurückziehen kann, nicht nur, um sich besser für Betrachtungen zu sammeln oder um indiskreten Blicke fernzuhalten, sondern um vor Scharlatanen der Erinnerung die Handlungen und Gedanken zu verbergen, die nur wenigen Auserwählten enthüllt werden dürfen, wenn sie ihren Zauber nicht verlieren sollen." (S. 31)
Das Buch ist mit Photos von Gianni Berengo Gardin ausgestattet, von dem es im Vorwort von Vittorio Fagone heißt, er hat "wie vielleicht kein anderer italienischer Fotograf dieses Jahrhunderts" Venedig erforscht (S. 10). Das kann ich leider nicht beurteilen und daher will ich es auch mit dieser Würdigung der Photos hier bewenden lassen. Aber wenigstens ein Photo sei hier herausgehoben, das jeden vom Gegenteil überzeugen muß, der meint, Venedig sei keine Gartenstadt: Die Bildunterschrift zu dem auf S. 112 lautet: "Natur und Baukunst verbinden sich in der Stadt mit ihren Gärten in einer Einheit aus Farben und Formen, in dem sich Leben und Vergehen widerspiegeln." Dem ist nichts hinzuzufügen!
Dieses Buch präsentiert "lebendige, seltene Gärten, verlassen, mißbraucht, ausgelöscht oder zweckentfremdet" als Embleme von Venedigs anderem Gesicht" (S. 11). Na, so bedrückend, wie diese Stelle im Vorwort suggeriert, kommen die beiden Autorinnen nicht daher. Schon die Überschrift "Erinnerung" des ersten Unterabschnitts vom Einleitungskapitel "Gefühle als Hauptdarsteller" macht klar, es ist ein eher fideles Buch. Einleitend wird zunächst anhand historischer Gartenglanzpunkte und ihrem Widerschein in den Stadtplänen von Jacopo de'Barbari/Anton Kolb (1500), Bolognino Zalterio/Paolo Forlani (1566), Ludovico Ughi (1729) und Bernardo und Gaetano Combatti (1847), die selbstverständlich abgebildet sind (S. 16-20), dieses imaginäre Wesen der Serenissima verdeutlicht. Mit Beschreibungen von Gärten, die nie zu lang ausfallen, mit Aufzählungen der Pflanzenpracht, zu der natürlich die Photos das ihrige beitragen, mit Passagen aus litararischen Werken, in denen venezianische Gärten eine wesentliche Rolle spielen, wird man beim Lesen in einen wahren Rausch der Sinne versetzt. Wer da nüchterner eine historische Abhandlung haben möchte, sei auf entsprechende im Literaturverzeichnis (S. 159-164) mit aufgeführte Darstellungen verwiesen, von denen sogar einige im gleichen Verlag auch auf Deutsch erschienen sind. Wer nun unbedingt Gärten Venedigs im Original besichtigen will - und das Wollen kann schon durch dieses schöne Buch zu einem inneren Muß werden, der findet hier aber schwerlich hinreichend Handreichung. Da ist dann schon eher auf Gabriela Bondi, Mariagrazia Dammicco, Letizia Querenghi "I Giardini Veneziani: Guida per Veneziani distratti, Forestieri illuminati, Giardinieri appassionati" (Venezia 2003) zu verweisen.
Man merkt immer wieder, die Autorinnen schöpfen aus einem überreichem Fundus an Kenntnissen, gleichwohl bleibt die Entwicklung und Veränderung des Gartenbaus in Venedig nur angedeutet (S. 62-73, 85, 91f, 107/110), historische venezianische Gartentraktate werden erwähnt, aber nur angerissen. So bleibt für den interessierten Laien manches unbefriedigend. Wenigstens Signalinformationen wie Ursprungszeit des jeweiligen Gartens, zugehörige Gebäude, wesentliche Veränderungen, Besitzer im Laufe der Jahr(hundert)e hätte man bieten können. Angaben, ob sie überhaupt und wie (Voranmeldung) zu besichtigen sind, von Straße/Hausnummer, wären natürlich wünschenswert, aber dieses Buch ist nicht geschrieben worden, um einen die Gärten durchziehenden Touristenstrom zu erzeugen. Und das kann man durchaus verstehen. Aber: Ein Garten, "den man nicht besichtigen kann, ist ein für immer verlorener Garten." (S. 107)