Nach der Niederlage im 1. Weltkrieg verpflichtete der Versailler Friedensvertrag das Deutsche Reich zu einer weitreichenden militärischen Abrüstung. Pazifistischen Journalisten, die über illegale Rüstungsmaßnahmen der Reichswehr berichteten, drohte unter dem Vorwurf des publizistischen Landesverrats ein Verfahren vor dem Leipziger Reichsgericht. Dessen Urteile gegen Kritiker der illegalen Rüstung gelten in der bisherigen Forschung als exemplarischer Beleg der antirepublikanischen Weimarer Justiz. Demgegenüber zeigt Amelie Tscheu die kontinuierliche Wechselwirkung zwischen der Rechtsprechung des Reichsgerichts und der Außen- und Militärpolitik der Weimarer Regierungskabinette im Verlauf der 1920er- und frühen 30er-Jahre auf. Sie verbindet die Analyse klassisch rechtswissenschaftlicher und allgemein geschichtswissenschaftlicher Quellen, um den publizistischen Landesverrat als politische Straftat im Spannungsfeld von Recht und Politik zu begreifen.