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Der frühere israelische Geheimdienstchef und sozialistische Knesset-Abgeordnete Ami Ajalon war das, was man einen "Falken" nennt. Aber er machte eine Wandlung durch. Ihm wurde klar, dass sein patriotisches Leben ihn blind gemacht hatte für die selbstzerstörerische Natur einer Politik, die Israels Zivilgesellschaft untergräbt und gleichzeitig seine palästinensischen Nachbarn erniedrigt. Mit großer Ehrlichkeit und Offenheit schreibt er über sein Leben im Anti-Terror-Krieg und über Israels Weg der vergangenen Jahrzehnte. Auf seiner sehr persönlichen Reise durch die jüngste israelische Geschichte…mehr

Produktbeschreibung
Der frühere israelische Geheimdienstchef und sozialistische Knesset-Abgeordnete Ami Ajalon war das, was man einen "Falken" nennt. Aber er machte eine Wandlung durch. Ihm wurde klar, dass sein patriotisches Leben ihn blind gemacht hatte für die selbstzerstörerische Natur einer Politik, die Israels Zivilgesellschaft untergräbt und gleichzeitig seine palästinensischen Nachbarn erniedrigt. Mit großer Ehrlichkeit und Offenheit schreibt er über sein Leben im Anti-Terror-Krieg und über Israels Weg der vergangenen Jahrzehnte. Auf seiner sehr persönlichen Reise durch die jüngste israelische Geschichte nimmt Ajalon immer wieder die unterschiedlichen Perspektiven von Palästinensern und Israelis ein. Viele werden seine Schlussfolgerungen, was Israel tun muss, um relativen Frieden und Sicherheit zu erreichen und sich als jüdisches Heimatland und als liberale Demokratie zu erhalten, radikal finden. Für den früheren Leiter der Shin Bet war jedoch irgendwann klar: Wenn Israel Anti-Terror-Operationen in einem politischen Kontext der Hoffnungslosigkeit durchführt, wird die palästinensische Öffentlichkeit weiter Gewalt unterstützen - einfach deshalb, weil sie nichts zu verlieren hat.
Autorenporträt
Ami Ajalon, geb. 1945, war Kommandeur der Marine, Direktor des Sicherheitsdienstes Shin Bet, Kabinettsminister, Knessetmitglied und Träger der Tapferkeitsmedaille, der höchsten militärischen Auszeichnung Israels. Zusammen mit Sari Nusseibeh gründete er 2002 die Friedensinitiative People¿s Voice.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.04.2022

Jenseits der
militärischen Stärke
Ami Ajalons Einsichten über das gespaltene Israel
Friendly fire ist ein scheußliches Wort, es gilt beim Militär, wenn Soldaten durch versehentlichen Beschuss der eigenen Streitkräfte sterben oder verletzt werden. „Friendly Fire“ ist auch der englische Titel des Buchs von Ami Ajalon, in deutscher Übersetzung heißt er: „Im eigenen Feuer“. Genau in einer solchen Lage befindet sich dem Autor zufolge sein Land, Israel: „Zu lernen, Palästinenser als Menschen mit Rechten zu sehen, machte mich auf eine grundlegende Schwachstelle in unserem Sicherheitskonzept aufmerksam. Unsere mangelnde Empathie unterminierte unsere Fähigkeit, Gefahren und Chancen richtig einzuschätzen. Unsere Angst trieb uns zu Überreaktionen.“
Der Mann, der diese selbstkritischen Sätze schreibt, ist nicht irgendwer. Gewiss ist er kein typischer „Peacenik“, wie Anhänger der Friedensbewegung in Israel spöttisch genannt werden. Er weiß nicht, wie viele Menschen er im Krieg getötet hat. Er tat es, schreibt er, weil er es als Soldat tun musste, um sein stets bedrohtes Land zu retten. Ami Ajalon gehörte 20 Jahre lang zur „Schajetet 19“, einer Spezialeinheit der israelischen Marine und einer der besten Kommandotruppen der Welt. Er befehligte später die Seemacht seines Landes und stand am Ende seiner Karriere an der Spitze des Schin Bet (auch Schabak genannt), des ebenso gefürchteten wie effektiven Inlandsgeheimdienstes. Ami Ajalon war ein typischer Elitesoldat aus der sozialistischen Kibbuz-Bewegung, er saß für die linke Arbeitspartei in der Knesset, dem Parlament in Jerusalem. Männer seinesgleichen prägten jahrzehntelang Militär und Politik des jüdischen Staates. Er war ein Mann des Krieges.
Aber er ist es nicht mehr. Israel ist heute eine Militärmacht, die kein Staat weit und breit schlagen könnte, die Armee verfügt sogar über Atomwaffen. Doch die Zeit der Kriege, die der jüdische Staat gewinnen musste, um zu überleben, ist lange vorüber, der letzte von ihnen endete mit einem hart erkämpften Sieg im Yom-Kippur-Krieg 1973. Ami Ajalon kamen in seiner aktiven Zeit immer mehr Zweifel, ob militärische Stärke allein Sicherheit garantieren kann.
Als älterer Mann, längst pensioniert, genießt Ajalon heute die Gesellschaft seiner Enkel, ein kaltes Maccabi-Bier mit Blick auf seine Weinreben und intellektuelle Debatten, für die er viel Zeit hat. Oder besser: haben könnte. Ajalon hat stattdessen seine Memoiren geschrieben, wobei das beinahe das falsche Wort ist. Zwar berichtet er aus seiner Zeit im Militär, über geheime Kommandoaktionen und die Gräber von Kameraden, von denen er Abschied nehmen musste.
Aber er beschreibt all dies eher nebenbei. Sein Buch ist nichts für Militärfreaks. Es handelt von der Reise durch ein gespaltenes Land.
Ajalon hat palästinensische Extremisten besucht, fanatisierte jüdische Siedler, arabische Intellektuelle und israelische Politiker. Und mit jedem Besuch wuchs seine Überzeugung, Israel müsse einen anderen Weg finden, mit den Palästinensern zu leben, als jenen der Besatzungsherrschaft im Westjordanland.
Frieden, hatte der linke Premier und ehemalige Militärführer Jitzchak Rabin verkündet, als er sich 1993 im Garten des Weißen Hauses mit Palästinenserführer Jassir Arafat aussöhnte, Frieden schließe man mit seinen Feinden, nicht mit seinen Freunden, eben das mache den Prozess ja so schwer: All die Feindbilder, alte Wunden, Gräben und Traumata zu überwinden und im anderen jemanden zu sehen, mit dem man zumindest darüber reden kann, wie die Feindschaft zu überwinden wäre. Premierminister Rabin zahlte dafür mit seinem Leben, 1995 erschoss ihn ein jüdischer Extremist. Es war das Ereignis, das Ajalon wohl am tiefsten erschütterte. Fortan versuchte er, selbst als Geheimdienstchef, mit den Palästinensern und Jassir Arafats Autonomiebehörde zusammenzuarbeiten.
Dieses aufschlussreiche und lesenswerte, sehr selbstkritische Buch endet mit einem Fazit, das viele seiner Landsleute nicht für den Veteranen erwärmen dürfte. Israels größte Siege, schreibt er, waren nicht das Standhalten im Unabhängigkeitskrieg 1948 gegen eine Übermacht arabischer Armeen; nicht der schnelle Triumph im Sechstagekrieg von 1967 gegen die Armeen der arabischen Nachbarn, die geschworen hatten, „die Juden ins Meer zu werfen“; nicht die gewagten Kommandoaktionen, an denen er selbst teilnahm, gegen Terrortrupps oder feindliche Raketenstellungen; nicht der kühne Gegenstoß über den Suezkanal 1973, der zum Zusammenbruch des anfangs erfolgreichen Überraschungsoffensive Ägyptens und Syriens führte. Es waren für Ajalon nicht diese Schlachten, die in der DNA des israelischen Staates so prägend sind.
„Unsere größten Siege waren die palästinensische Unabhängigkeitserklärung von 1988, die stillschweigend das Existenzrecht Israels anerkennt; der Handschlag zwischen Arafat und Rabin im Rosengarten des Weißen Hauses; die Sicherheitskooperation zwischen dem Schabak und Arafats Untergebenen und die Arabische Friedensinitiative“, so Ajalon, lauter kleine und große Schritte weg von der Todfeindschaft hin zu einer künftigen Koexistenz von Juden und Palästinensern. Wenn mehr Menschen auf beiden Seiten, deren Leben der Krieg war, am Ende zu solchen Ansichten kommen würden, man könnte noch Hoffnung haben auf das Ende eines endlos und unlösbar erscheinenden Konfliktes.
JOACHIM KÄPPNER
Ajalon war einst Elitesoldat,
Geheimdienstchef und
Abgeordneter in der Knesset
Als Veteran hofft er auf eine
friedliche Koexistenz
von Juden und Palästinensern
Ami Ajalon:
Im eigenen Feuer.
Wie Israel sich selbst zum Feind wurde und die jüdische Demokratie trotzdem gelingen kann.
Erinnerungen eines Geheimdienstchefs. J.H.W. Dietz Nachf., Bonn 2021. 360 Seiten, 26 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Joachim Käppner ahnt, dass sich der Ex-Geheimdienstmann Ami Ajalon nicht nur Freunde machen wird mit diesem Buch. Ajalons Vorstellungen vom Frieden seines Landes mit Palästina, sein Preisen der palästinensischen Unabhängigkeitserklärung von 1988 als "größten Sieg" Israels und seine selbstkritischen Zweifel am militärischen Weg seines Landes scheinen Käppner durchaus starker Tobak zu sein. Kein Buch für Militärfanatiker, meint er, aber eine Introspektion in ein gespaltenes Land. Ajalons Gespräche mit fanatischen jüdischen Siedlern, arabischen Intellektuellen und Politikern seines Landes findet Käppner jedenfalls lesenswert.

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