Ein seltener Einblick in das, was Menschen auf sich nehmen, wenn sie flüchten.
Ein bedeutender Roman über Fremdheit und Außenseitertum, über Mut, die Macht der Sprache, Liebe. Und ein kostbares, tiefbewegendes literarisches Dokument.
Während der Proteste im Iran 2009 ist der ehemalige Student A. gezwungen, sein Land zu verlassen. Die Erinnerungen an eine Kindheit und Jugend voller Gewalt nimmt er mit. Aus einem Künstler wird ein Flüchtling in Österreich, der offen und heimlich verachtet wird und in Lagern und Heimen nicht nur Einsamkeit und Verzweiflung, sondern auch Hunger und Demütigung ertragen muss. In Wien trifft er auf Sarah, die sich Hals über Kopf in ihn verliebt. A., der sich nicht öffnen kann, ist für sie Studienobjekt und Halt zugleich, obwohl er selber Halt sucht.
Eindringlich und mit großer literarischer Kraft erzählt Amir Gudarzi vom Durchhaltewillen eines Menschen nach der Flucht.
»Amir Gudarzis Roman zielt ins Herz der Gewalt, derunsichtbaren und unhörbaren, der gleißenden wie der rohen. Es sind die Worte eines jungen Mannes, der aus Teheran und vor seiner Muttersprache flieht, der den Schmerz der erlittenen Repressionen nicht loswird. Seine Haut kann er nicht retten, aber eine Hoffnung und seine Geschichte.«
Julia Franck
Ein bedeutender Roman über Fremdheit und Außenseitertum, über Mut, die Macht der Sprache, Liebe. Und ein kostbares, tiefbewegendes literarisches Dokument.
Während der Proteste im Iran 2009 ist der ehemalige Student A. gezwungen, sein Land zu verlassen. Die Erinnerungen an eine Kindheit und Jugend voller Gewalt nimmt er mit. Aus einem Künstler wird ein Flüchtling in Österreich, der offen und heimlich verachtet wird und in Lagern und Heimen nicht nur Einsamkeit und Verzweiflung, sondern auch Hunger und Demütigung ertragen muss. In Wien trifft er auf Sarah, die sich Hals über Kopf in ihn verliebt. A., der sich nicht öffnen kann, ist für sie Studienobjekt und Halt zugleich, obwohl er selber Halt sucht.
Eindringlich und mit großer literarischer Kraft erzählt Amir Gudarzi vom Durchhaltewillen eines Menschen nach der Flucht.
»Amir Gudarzis Roman zielt ins Herz der Gewalt, derunsichtbaren und unhörbaren, der gleißenden wie der rohen. Es sind die Worte eines jungen Mannes, der aus Teheran und vor seiner Muttersprache flieht, der den Schmerz der erlittenen Repressionen nicht loswird. Seine Haut kann er nicht retten, aber eine Hoffnung und seine Geschichte.«
Julia Franck
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Martin Lhotzky liest den beeindruckenden Debütroman von Amir Gudarzi, der im Iran geboren wurde und vor der Gewalt und Unterdrückung dort nach Österreich floh. Lhotzky liest das Buch trotz gegenteiliger Versicherungen des Autors auch autobiografisch. Der Roman spielt um 2009, der Ich-Erzähler A. ist gerade nach Österreich gekommen, sein Aufenthaltsstatus ist unklar, der Wunsch, der Gewalt zu entkommen, erfüllt sich nur teilweise, sie nimmt hier andere Formen an, erfahren wir. A. ist dabei zwischen den verschiedenen Welten hin- und hergerissen, das spiegelt sich auch in der Sprache wider, die mal stakkatohaft abgehackt wirkt, mal poetische Stücke und Elemente aus dem Farsi integriert, so der Kritiker. Immer wieder lacht er bei Gudarzis feinsinnigem Humor auch auf, bei der geschilderten Gewalt weint aber nicht nur der Protagonist, gibt er zu diesem "ziemlich lesenswerten Buch" zu verstehen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Eine bemerkenswerte Geschichte des Ankommens nach einer Flucht. (...) Als Leser möchte man an den Umständen schier verzweifeln, die Europa Schutzsuchenden schon 2009 zugemutet hat (...). Gudarzis Ton - und das macht seine Schilderungen so wahrhaftig und anrührend - ist oft traurig, aber nie anklagend. Moritz Baumstieger Süddeutsche Zeitung 20230829
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.10.2023Ein Leben im Exil
Amir Gudarzis Romandebüt "Das Ende ist nah"
In Teheran wird demonstriert. Polizei und Revolutionsgarden auf Motorrädern, der Hintermann stets mit Schlagstock bewaffnet, prügeln auf die Demonstrierenden ein. Diese wehren sich, errichten Barrikaden, fliehen in Seitengassen, werden manchmal von mitfühlenden Anwohnern versteckt. Aber nicht alle. Es gibt Tote. In offiziellen Verlautbarungen findet man keine Zahlenangaben, weder zu den verschleppten, zu den verletzten noch gar zu den gemordeten Demonstranten. Wir schreiben nicht das Jahr 2023 (oder 1402 nach dem iranischen Hidschri-Schamsi-Kalender). Amir Gudarzis erster Roman "Das Ende ist nah" beginnt im Jahre 2009 beziehungsweise 1387 und ab März (Frühlingsbeginn) dann 1388.
Damals flüchtete der 1986 - wir bleiben bei der europäischen Jahreszählung - in Teheran geborene, mittlerweile in Österreich und Deutschland vielfach ausgezeichnete Autor und Absolvent der laut Verlagsangaben damals einzigen Theaterschule in Iran nach Wien. Amir Gudarzi will jedoch keine Biographie verfasst haben, der Roman endet mit den Worten: "Alles, was ich bis jetzt geschrieben habe, ist eine Lüge. Ab jetzt will ich die Wahrheit offenlegen. Ab jetzt gibt es die wahre Geschichte."
Man kann wohl dennoch davon ausgehen, dass hauptsächlich eigene Erinnerungen und Erlebnisse Amir Gudarzis Eingang in seinen Roman gefunden haben, denn er wechselt kontinuierlich zwischen Icherzähler und auktorialem Erzähler. In letzterem Fall wird die Hauptperson "A." genannt. Alle übrigen lernen wir zumindest mit Vornamen oder familiärer Stellung zu "A." kennen. Die Sätze sind kurz, klingen abgehackt. Oft fallen derbe Ausdrücke. Aber dann fließen immer wieder poetische Passagen bis hin zu aus dem Farsi übersetzten Gedichten ein. Und es fließen Tränen, Tränenströme gar. Diese sind sowohl "A." als auch dem Icherzähler nur manchmal peinlich. Ein Einblick in die Gefühlswelt der Menschen aus Iran? Vielleicht aber auch nur in die Gefühlswelt eines jungen Mannes, der zwischen Gedanken an seine alte Heimat, seiner möglichen neuen Heimat, zwischen Theater, dem Schreiben und der tristen Realität als noch nicht anerkannter Flüchtling hin-und hergerissen wird.
Wir erfahren über Freundschaften - manche scheitern, manche dauern wider Erwarten bis heute an -, über Liebesbeziehungen - eigentlich alle scheitern, eine endet gar besonders tragisch und "A." übernimmt dafür die Verantwortung - und über teils skurrile Begegnungen. All das, nur wenig chronologisch geordnet, mal in Iran, mal im Osten Österreichs. Mit noch nicht akkreditiertem Flüchtlingsstatus muss der Protagonist in offenbar per Los zugeteilten Orten Quartier nehmen, aber keinesfalls in Wien. Jedenfalls nicht offiziell. In einer dieser Episoden, auf dem Weg zu einer Dolmetscherin, schildert er zum Beispiel rückblickend, was er damals von Österreich gedacht haben mag. "Wir müssen uns beeilen, damit wir gegen sechs Uhr den Schulbus in Texing erwischen, dem Geburtsort von Engelbert Dollfuß. Schon oft bin ich an dem Museum vorbeigegangen, das diesem Austrofaschisten gewidmet ist. Ich verstehe jetzt, warum man hier zu einem feindseligen Menschen wird."
Solche kleinen, schwarzhumorigen Bemerkungen können ein Lächeln auf unsere Lippen zaubern. Aber dann gibt es auch das Gegenteil, stakkatoartig auf unser Gehirn einhämmernde Schilderungen von Gewalt (und Tod), meist in Iran, aber durchaus auch in Wien und Niederösterreich verortet. Und dann ist es nicht mehr nur "A." oder jemand anderes im Roman, der Tränen vergießt. Diese Warnung zu einem ziemlich lesenswerten Buch sei also gestattet. MARTIN LHOTZKY
Amir Gudarzi: "Das Ende ist nah". Roman.
dtv, München 2023. 416 S., geb., 25,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Amir Gudarzis Romandebüt "Das Ende ist nah"
In Teheran wird demonstriert. Polizei und Revolutionsgarden auf Motorrädern, der Hintermann stets mit Schlagstock bewaffnet, prügeln auf die Demonstrierenden ein. Diese wehren sich, errichten Barrikaden, fliehen in Seitengassen, werden manchmal von mitfühlenden Anwohnern versteckt. Aber nicht alle. Es gibt Tote. In offiziellen Verlautbarungen findet man keine Zahlenangaben, weder zu den verschleppten, zu den verletzten noch gar zu den gemordeten Demonstranten. Wir schreiben nicht das Jahr 2023 (oder 1402 nach dem iranischen Hidschri-Schamsi-Kalender). Amir Gudarzis erster Roman "Das Ende ist nah" beginnt im Jahre 2009 beziehungsweise 1387 und ab März (Frühlingsbeginn) dann 1388.
Damals flüchtete der 1986 - wir bleiben bei der europäischen Jahreszählung - in Teheran geborene, mittlerweile in Österreich und Deutschland vielfach ausgezeichnete Autor und Absolvent der laut Verlagsangaben damals einzigen Theaterschule in Iran nach Wien. Amir Gudarzi will jedoch keine Biographie verfasst haben, der Roman endet mit den Worten: "Alles, was ich bis jetzt geschrieben habe, ist eine Lüge. Ab jetzt will ich die Wahrheit offenlegen. Ab jetzt gibt es die wahre Geschichte."
Man kann wohl dennoch davon ausgehen, dass hauptsächlich eigene Erinnerungen und Erlebnisse Amir Gudarzis Eingang in seinen Roman gefunden haben, denn er wechselt kontinuierlich zwischen Icherzähler und auktorialem Erzähler. In letzterem Fall wird die Hauptperson "A." genannt. Alle übrigen lernen wir zumindest mit Vornamen oder familiärer Stellung zu "A." kennen. Die Sätze sind kurz, klingen abgehackt. Oft fallen derbe Ausdrücke. Aber dann fließen immer wieder poetische Passagen bis hin zu aus dem Farsi übersetzten Gedichten ein. Und es fließen Tränen, Tränenströme gar. Diese sind sowohl "A." als auch dem Icherzähler nur manchmal peinlich. Ein Einblick in die Gefühlswelt der Menschen aus Iran? Vielleicht aber auch nur in die Gefühlswelt eines jungen Mannes, der zwischen Gedanken an seine alte Heimat, seiner möglichen neuen Heimat, zwischen Theater, dem Schreiben und der tristen Realität als noch nicht anerkannter Flüchtling hin-und hergerissen wird.
Wir erfahren über Freundschaften - manche scheitern, manche dauern wider Erwarten bis heute an -, über Liebesbeziehungen - eigentlich alle scheitern, eine endet gar besonders tragisch und "A." übernimmt dafür die Verantwortung - und über teils skurrile Begegnungen. All das, nur wenig chronologisch geordnet, mal in Iran, mal im Osten Österreichs. Mit noch nicht akkreditiertem Flüchtlingsstatus muss der Protagonist in offenbar per Los zugeteilten Orten Quartier nehmen, aber keinesfalls in Wien. Jedenfalls nicht offiziell. In einer dieser Episoden, auf dem Weg zu einer Dolmetscherin, schildert er zum Beispiel rückblickend, was er damals von Österreich gedacht haben mag. "Wir müssen uns beeilen, damit wir gegen sechs Uhr den Schulbus in Texing erwischen, dem Geburtsort von Engelbert Dollfuß. Schon oft bin ich an dem Museum vorbeigegangen, das diesem Austrofaschisten gewidmet ist. Ich verstehe jetzt, warum man hier zu einem feindseligen Menschen wird."
Solche kleinen, schwarzhumorigen Bemerkungen können ein Lächeln auf unsere Lippen zaubern. Aber dann gibt es auch das Gegenteil, stakkatoartig auf unser Gehirn einhämmernde Schilderungen von Gewalt (und Tod), meist in Iran, aber durchaus auch in Wien und Niederösterreich verortet. Und dann ist es nicht mehr nur "A." oder jemand anderes im Roman, der Tränen vergießt. Diese Warnung zu einem ziemlich lesenswerten Buch sei also gestattet. MARTIN LHOTZKY
Amir Gudarzi: "Das Ende ist nah". Roman.
dtv, München 2023. 416 S., geb., 25,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main