Berührende Coming of Age Geschichte aus der kroatischen Inselwelt
Die Ich-Erzählerin Nela wächst mit ihrer Mutter in einer kleinen Wohnung in Split auf. Jeden Sommer reist sie zu ihrer Großmutter auf die Adria-Insel Korčula. Sie lebt in bescheidenen Verhältnissen am Rande der Hafenstadt Vela
Luka. Das Geld ist knapp, aber die Landwirtschaft wirft einiges ab. Zudem ist Oma sehr sparsam. Meist…mehrBerührende Coming of Age Geschichte aus der kroatischen Inselwelt
Die Ich-Erzählerin Nela wächst mit ihrer Mutter in einer kleinen Wohnung in Split auf. Jeden Sommer reist sie zu ihrer Großmutter auf die Adria-Insel Korčula. Sie lebt in bescheidenen Verhältnissen am Rande der Hafenstadt Vela Luka. Das Geld ist knapp, aber die Landwirtschaft wirft einiges ab. Zudem ist Oma sehr sparsam. Meist ist noch ihr „Barba“, Nelas Onkel im Haus. Ihre anderen Onkel haben das Land schon vor langer Zeit verlassen.
S.9. „An diesem Nachmittag verpasste mir mein Onkel die erste große Tracht Prügel. […] Es ist das Jahr 1981 und ich stehe erst am Anfang meiner Gerechtigkeitsmission. Ich bin sieben Jahre alt ...“
Das sind Zitate von der ersten Seite, die schon erahnen lassen um welche Geschichten es sich handeln wird.
Nela träumt davon, Schriftstellerin zu werden, um ihnen es alle eines Tages zeigen zu können. Auch in späteren (Kindes-) Jahren empört sie sich über ihren Onkel.
S. 103: „ Ich kann es nicht ertragen, dass ein so dummer Mensch jeden Tag meint, mir Befehle erteilen zu müssen.“
Nela erzählt viel von ihrem Inselalltag, von jedem Sommer mit ihrer Oma, die versucht, das Kind so gut wie möglich zu beschützen. Nela hilft im Haushalt so gut wie es geht, verschließt sich aber gerne mit ihren Comics, oder der „Bravo“, später mit ihrem Walkman, um sich von ihren eigenen Gedanken treiben lassen zu können.
Wenn sie alleine ist, stellt sie sich immer vor, ein Junge zu sein.
S. 158: „Wenn ich mit mir selbst rede, bin ich ein Junge. Ich will ein junger Mann sein und nicht das hier.“
Auch verhält sie sich oftmals so, ohne dass es jemals zur Sprache kommt, dass sie möglicherweise im falschen Körper aufwächst.
Vorsichtig geht die Autorin an diesen Umstand heran, und lässt dennoch keine Zweifel an der rebellischen Kraft, die Nela innewohnt. Ihr Verhältnis zur ihrer Oma ist liebevoll, sie mag es mit ihr in einem Bett zu schlafen, um von Oma jeden Abend Geschichten erzählt zu bekommen. Doch je älter Nela wird, des drüber scheint das Verhältnis zu werden.
Auch wenn die Oma ein Quell von unzähligen Geschichten ist, über ihre Flucht vor den Nazis bis nach Ägypten berichtet, wiederholt sich vieles. Die einsetzende Pubertät und das Erwachsenwerden schiebt schleichend eine unsichtbare Distanz in die Beziehung.
Es ist ein Coming-of-Age Roman, der zwischen dem kargen Inseldasein und dem Alltag in der Stadt (der auch nicht glorifiziert wird) berichtet. Nela träumt von Größerem, von einer Befreiung ihrer Zwänge, einem Ausbruch aus der Gefangenschaft von Armut und familiären Strukturen.
S.203: Die Jugend ist anmaßend in meine Seele eingezogen, hat weder angeklopft noch angefragt, ob ein Platz frei ist.“ (ein wunderschöner Satz, wie ich finde)
Sprachlich hat mir der Roman sehr gut gefallen. Die Übersetzung von Marie Alpermann ist, soweit ich das beurteilen kann, eine Wucht. Im Originaltext kommen wohl viele Dialektwörter vor, welche im Text belassen wurden und im Anhang erläutert werden. Sie stören den Lesefluss in keinster Weise, im Gegenteil – sie sind eine echte Bereicherung.
Gerne gebe ich eine ganz große Leseempfehlung für diesen berührenden Roman über die Sommer der „kleinen“ Nela.