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This book is a unique and innovative study of the status, powers, and activities of MI5 during the Cold War. It contends that MI5 was subject neither to effective political nor legal scrutiny, and examines the operations of the Security Service for civil liberties, and the contemporary relevance of Cold War practices.

Produktbeschreibung
This book is a unique and innovative study of the status, powers, and activities of MI5 during the Cold War. It contends that MI5 was subject neither to effective political nor legal scrutiny, and examines the operations of the Security Service for civil liberties, and the contemporary relevance of Cold War practices.
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Autorenporträt
Keith Ewing is professor of public law at King's College London. He is co-editor of the Oxford Labour Law series and author of numerous books and articles, including Bonfire of the Liberties (OUP 2010) and The Struggle for Civil Liberties (OUP 2001). Joan Mahoney now teaches at the University of Southampton, having taught for many years in the United States where she was Dean of Wayne State University Law School. Andrew Moretta is a postgraduate research student at the University of Liverpool. He received his LLM from King's College London in 2012.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.09.2020

In Verteidigung des Königreichs?
Der britische Inlandsgeheimdienst MI5 im Kalten Krieg

Nach der in seinem Internetauftritt nachzulesenden Selbsteinschätzung arbeitet MI5, der britische Inlandsgeheimdienst, innerhalb eines strikten Rahmens gesetzlicher Aufgabenzuweisung und unter strenger Aufsicht, um sicherzustellen, dass seine Ermittlungsbefugnisse nur dort eingesetzt werden, wo dies erforderlich und verhältnismäßig ist. Folgt man den Ergebnissen der vor allem aus mittlerweile zum Teil veröffentlichten, umfangreichen Personalakten des Dienstes geschöpften Studie von Ewing, Mahoney und Moretta, kann davon jedenfalls in der Zeit von 1945 bis 1964 keine Rede sein. In der Hochzeit des Kalten Krieges habe MI5, keiner wirksamen politischen, geschweige denn gerichtlichen Kontrolle unterliegend, vielmehr grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien und damit zugleich bürgerliche Freiheiten und Menschenrechte massiv verletzt.

Die Kritik der Autoren richtet sich zunächst gegen die für unzureichend erachteten Rechtsgrundlagen, auf deren Basis MI5 operierte. Dessen rechtliche Autorität wurde damals überwiegend aus den gewohnheitsrechtlichen Befugnissen der Krone in Form königlicher Prärogativen abgeleitet. Die Zuweisung der Aufgabe, das Königreich gegenüber äußeren und inneren Gefahren zu verteidigen, die aus Versuchen der Spionage und Sabotage oder aus subversiven Handlungen von Personen und Organisationen innerhalb oder außerhalb des Landes erwachsen könnten, erfolgte durch unveröffentlichte ministerielle Weisungen, die Attlee Directive von 1946 und die Maxwell Fyfe Directive von 1952; durch Letztere wurde die politische Verantwortlichkeit für den Sicherheitsdienst vom Premierminister auf den Innenminister verlagert.

Die Notwendigkeit einer parlamentsgesetzlichen Grundlage für die Errichtung und Tätigkeit eines Informationen über verdächtige Personen sammelnden Geheimdienstes wurde zu dieser Zeit nicht nur in Großbritannien verneint. Dass sie sich zwingend aus den überkommenen Prinzipien der ungeschriebenen englischen rule of law ergab, wie die Autoren annehmen, darf angesichts gegenteiliger Gerichtsentscheidungen bezweifelt werden. Erst Entscheidungen der Europäischen Kommission und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in den 1980er Jahren haben den Erlass des Security Service Act von 1989 erzwungen.

Der MI5, so der weitere Vorwurf, habe seine Kompetenzen ständig überschritten. Statt Spione zu enttarnen und erfolgreich Gegenspionage zu betreiben, habe sich die geheimdienstliche Tätigkeit vor allem darauf konzentriert, linkes politisches Abweichlertum zu bekämpfen. Das gelte namentlich für die Überwachung der Kommunistischen Partei Großbritanniens, ihrer Mitglieder und Sympathisanten sowie von vermeintlich kommunistisch beherrschten oder unterwanderten Organisationen, die nicht von seinem Auftrag gedeckt gewesen sei; denn die Gefahr eines Umsturzes von dieser Seite habe nie bestanden. Alle damaligen britischen Regierungen haben diese Gefahr indes offensichtlich ganz anders eingeschätzt, und auch wenn sie die Gefahr möglicherweise, ex post betrachtet, überschätzt haben, dürfte ihre Lagebeurteilung in der damaligen Zeit doch durch die ihnen zukommende Einschätzungsprärogative gedeckt gewesen sein.

Ob die vom MI5 angewandten Überwachungsmethoden durchgängig rechtmäßig waren, ist eine andere, teilweise wohl zu verneinende Frage. Zweifel ergeben sich hier insbesondere hinsichtlich der bloß auf vom Innenministerium im Einzelfall erteilte Ermächtigungen und damit wiederum auf prärogative Befugnisse der Krone gestützten Telefonabhörungen und der euphemistisch als "special facilities" bezeichneten Lauschangriffe. Besondere verfassungsrechtliche Fragen wirft die Beobachtung der Tätigkeit von zwei kommunistischen Mitgliedern des Unterhauses auf. Zwar dürfte die Überwachung von Parlamentsabgeordneten unter engen Voraussetzungen zum Schutz der Demokratie ebenfalls zulässig sein; es fehlte aber insoweit seinerzeit an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage. Vergleichbares gilt trotz des gebotenen Schutzes der Vertraulichkeit der Kommunikation von Rechtsanwälten mit ihren Mandaten für die Überwachung Ersterer.

Scharf wenden sich die Autoren gegen die 1948 unter Premierminister Attlee begründete Praxis der Entfernung von als unzuverlässig eingestuften prokommunistischen oder faschistischen Beamten aus dem öffentlichen Dienst (civil service), soweit deren Tätigkeit sicherheitsrelevant war, eine dem Radikalenerlass in der Bundesrepublik vergleichbare Praxis. Dahinter stand in Großbritannien die Rechtsüberzeugung, dass "civil servants hold office at the pleasure of the crown". Sie hätten keinen Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz haben, wenn sie entlassen werden, weil ihr Verhalten oder ihre Fähigkeiten nicht dem geforderten Standard genügen. Die an die Stelle gerichtlicher Kontrolle tretende Einzelfallprüfung mit einem Letztentscheidungsrecht des zuständigen Ministers wurde als ausreichender Schutz gegen exekutiven Machtmissbrauch angesehen. Dies kann man mit guten Gründen als unzulänglich ansehen; davon, dass hier schlechthin Willkür obwaltet hätte, kann gleichwohl keine Rede sein. Es entsprach vielmehr der jedenfalls damals vorherrschenden Grundauffassung, dass der Schutz politischer Freiheit in erster Linie Sache des Parlaments und der von der Parlamentsmehrheit getragenen Regierung ist.

Beißende Kritik wird in der Studie schließlich hochgestellten Lordrichtern zuteil, die in der Funktion als Regierungsberater und Leiter von Untersuchungskommissionen trotz Einsicht in die rechtswidrige Praxis des MI5 nicht etwa als Verteidiger der bürgerlichen Freiheiten, sondern als weithin unkritische Apologeten der Sicherheitsdoktrin aufgetreten seien.

So berechtigt die Kritik an Kompetenzüberschreitungen und fehlender effektiver Kontrolle sowie demokratischer Verantwortlichkeit des britischen Inlandsgeheimdienstes in der heißen Phase des Kalten Kriegs erscheint, so überzogen, ja abwegig mutet das Fazit der Autoren an, dass die rule of law in dieser Zeit kaum mehr als ein Hirngespinst liberaler Juristen gewesen sei und sich die Praxis des MI5 als Geheimpolizei nicht wesentlich von deren Pendants in totalitären Regimen unterschieden hätte. Das ist bloß polemische Agitation.

CHRISTIAN HILLGRUBER

Keith Ewing, Joan Mahoney, and Andrew Moretta: MI5, the Cold War, and the Rule of Law.

Oxford University Press 2020, 528 p., £ 80.00.

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