Auf dem Hintergrund der politischen Rahmenbedingungen wird die Geschichte von Presse, Rundfunk und Fernsehen auf dem Staatsgebiet der ehemaligen DDR dargestellt, die Wendevielfalt und die vollständige Abwicklung der elektronischen Medien beschrieben.
Diese Rückkopplung zur Politik verschiedener Systeme bildet den Rahmen für das je unterschiedliche Lebensgefühl von sieben Journalistinnen und Journalisten, die im zweiten Teil des Buches in einer qualitativen biographischen Untersuchung vorgestellt werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.12.1999Zeitungen und Journalisten in der DDR
Von KommunistInnen, AntifaschistInnen und HeldInnen
Angelika Holtermann: Das geteilte Leben. Journalistenbiographien und Medienstrukturen zu DDR-Zeiten und danach. Leske + Budrich, Opladen 1999. 304 Seiten, 54,- Mark.
Schon beginnen Dissertationen aus den alten Bundesländern über die DDR mit dem entwaffnenden Einleitungssatz: "Bei einem Besuch der DDR kurz vor und während der Märzwahlen 1990 verbrachte ich zehn Tage in Rostock, Dresden und Weimar und lernte damit zum ersten Mal die DDR ein bisschen kennen." Wer ältere diesbezügliche Erfahrungen hat, vielleicht sogar mit Angelika Holtermanns Journalismus-Thema, fühlt sich bereits in die beargwöhnte Zeitzeugen-Rolle gedrängt, vielleicht schon zum Mitglied einer so genannten "Erlebnisgeneration" herunterqualifiziert. Manche, zugegebenerweise nicht sehr viele westdeutsche Kollegen von DDR-Journalisten haben über die Jahre hinweg nicht nur "Neues Deutschland" gelesen, sondern die viel aufschlussreicheren SED-Bezirkszeitungen bis auf die Kreisseiten verfolgt; sie sind solchermaßen auf den Ost-Messen nicht nur in Leipzig, sondern auch in Posen, Plovdiv oder bei sonst welchen Anlässen - etwa beim Umweltschutz-Filmfestival in Mährisch-Ostrau oder vielleicht sogar in Urlaubswochen am Schwarzen Meer - zuerst misstrauisch beäugt, aber dann als Gesprächspartner akzeptiert worden.
Die Verfasserin muss sich in ihrer Rückschau stattdessen auf nachträgliche, tiefenpsychologisch angelegte Interviews mit sieben Journalisten und Journalistinnen aus Presse, Funk und Fernsehen beschränken; sie fragt sie nach Familienbeziehungen, verarbeiteten und nichtverarbeiteten Kriegserlebnissen und nach "Rollenkonflikten" um ihre Arbeit unter scharfem Anpassungsdruck in den Blick zu bekommen. Am wenigsten ergiebig ist ihr Fragen nach dem Einfluss der Familienbeziehungen auf die journalistische Arbeit. Was hülfe es beispielsweise jetzt danach zu forschen, wie oft in Westdeutschland während der achtundsechziger Zeit Kommentare versöhnlicher, sogar verständnisvoll klangen, weil Redakteure häuslichen Streit mit ihrem studentischen Nachwuchs vermeiden wollten? Journalisten sind auch nur Menschen - zweifelt etwa jemand daran?
Beim nachträglichen, psychologisch angelegten und ausgewerteten Interview kommt zudem das Urteil über die Qualität journalistischer Arbeit zu kurz. Im persönlichen Kontakt zu DDR-Zeiten erwiesen sich die Kollegen oft auf faszinierende Weise wohlinformiert: Sie wussten viel mehr, als sie schrieben, und sie hatten viel besseren Durchblick durch ihr sozialistisches System, als sie haben durften. Aber die Verfasserin interessiert sich ohnehin mehr für die Nachwende-Zeit; sie rechnet den eigentlichen Wende-Zeitraum vom August 1989, als massenhaft DDR-Bürger über Budapest und Prag das Weite suchten, bis zur Volkskammerwahl im März 1990. Diese Monate, so lässt sie sich von ihren Interview-Partnern immer wieder bestätigen, hätten zuerst großartige Aufbruchstimmung in der ganzen DDR-Publizistik erzeugt, dann aber "nichts gebracht". Denn nach der Märzwahl seien alle DDR-typischen Strukturen in einem brutalen Kolonialisierungsvorgang zerschlagen worden. Dazu gehört abermals und ergänzend die bekannte Wehklage, dass die Vereinigung "durch westdeutsches Geld und westdeutsche Propaganda" nach dem Grundgesetzartikel 23 - Beitritt - anstatt nach Artikel 146 - gemeinsames Ringen um eine neue Verfassung - zu Stande gekommen sei.
Lohnender ist Angelika Holtermanns Befassung mit den so genannten Medienstrukturen in der ersten Hälfte ihrer Arbeit. Am gelungensten ist ihre systematische Darstellung der "De-facto-Zensur" mittels verschiedener Institutionen, die ineinander griffen. Sie reichten von den "Argu"-Anleitungen, in denen dienstags den Chefredakteuren und donnerstags deren Stellvertretern unmittelbare "Argumentationshilfen" direkt von oben, also von der zuständigen Kommission des SED-Zentralkomitees, gegeben wurden, bis zur pflichtmäßigen Erstellung parteibestätiger Quartalspläne und schliesslich über die Nachrichtenagentur ADN und die Post - mittels ihrer Abonnement-Freigabeliste - bis zur Zentrag, der zentralen Druckerei-, Einkaufs- und Revisionsgesellschaft, die an Zeitungen der Blockparteien die ungünstigsten Andruckzeiten vergab. Mit dieser Art Zensur, von der jederzeit bestritten werden konnte, dass es überhaupt eine war, konnte nichts schief gehen. Leser dieser guten Darstellung, die auch "alten Hasen" des Metiers noch nützlich sein kann, werden schwer verstehen, dass die Verfasserin fast eine Rechtfertigungsnotwendigkeit empfindet, die Reglementierung so ausführlich und genau beschrieben zu haben.
Viel entbehrlicher ist ihr zehnseitiger Exkurs über den Antifaschismus. Ein weiterer Exkurs über den Kalten Krieg hätte von Wert sein können, wenn sie ihre Neigung zu Rundumschlägen gezügelt hätte. Sie weiß zwar, dass das Auseinanderbrechen der Kriegskoalition der Siegermächte "mit Einflussgewinn der Sowjetunion auf Griechenland und die Türkei zur Truman-Doktrin, zu einer Politik der Eindämmung von kommunistischem Einfluss" geführt hatte. Aber dann ist nur von "hassvollem Antikommunismus, vertreten zum Beispiel durch Kurt Schumacher in Deutschland und instrumentalisiert durch Adenauer" die Rede.
Die Wende- und Nachwendezeit steht dann im ersten Teil ihrer Arbeit unter dem Rubrum "Eroberung der DDR durch die westdeutschen Medienunternehmen". Man braucht nicht zu bestreiten, das die Publikationsmittel der DDR zunächst unter die kapitalistischen Fittiche westdeutscher Zeitungsverlage und publizistischer Großkonzerne genommen wurden, entsprechend auch der Rundfunk und das Fernsehen - was eigentlich sonst? Im Kern zutreffend ist auch ihre Beobachtung, dass die westlichen Zeitungsverlage an der Vorbelastung der Redaktionsmitglieder der SED-Bezirkszeitungen erstaunlich wenig Anstoß nahmen; sie waren tatsächlich unentbehrlich. Aber unsachgemäß bis zur Gegenstandslosigkeit ist ihre Klage, dass die ostdeutsche Zeitungslandschaft absichtlich eingeebnet worden sei. Für ein "Oberbarnimer Kreisblatt" gab es tatsächlich keine Nische. Auf dem westdeutschen Zeitungsmarkt, übrigens auch auf dem schweizerischen, war über Jahrzehnte hinweg die gleiche Entwicklung vonstatten gegangen - nur eben viel langsamer. Das liegt, man mag es gern bedauern, an der gestiegenen Abhängigkeit der Zeitungen vom Anzeigenaufkommen. Für Angelika Holtermann ist es aber der Beweis, dass die journalistische Anpassung im kapitalistischen System die gleiche ist wie im staatssozialistischen.
Gegen solche Überzeugungen, sind sie erst einmal festgewurzelt, ist nichts zu machen - außer beim Auftauchen von Falschem. Sie hätte sich nicht von einer Interview-Partnerin den Kauf aller CDU-Zeitungen durch die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Frühjahr 1991 einreden lassen sollen. Was sie meint, wenn sie es unbedingt so ausdrücken will, galt jedenfalls nicht für das Filetstück der CDU-Zeitungen, die Dresdner "Union" mit ihren Nebenausgaben. Sie wurde übrigens schon vor 20 Jahren gern für die "Stimmen der Anderen" dieser Zeitung herangezogen, beispielsweise zu Weihnachten mit einem Zitat aus einem Artikel über die Pulsnitzer Lebkuchen.
Auch in der "großen Politik" gibt es sachlich Unstimmiges. Die Verfasserin lässt die schon oft angestimmte Klage wieder aufleben, dass nur die DDR mit ihren Reparationen "an die von ganz Deutschland zu Tode verwundete Sowjetunion" gezahlt habe. Sie lässt unerwähnt, dass andererseits nur die alte Bundesrepublik Wiedergutmachung für ebenfalls von ganz Deutschland zu verantwortendes Unrecht geleistet hat - das hielt sich mindestens die Waage. Dabei hatte Angelika Holtermann drei Seiten zuvor mit Recht bedauert; dass im DDR-Geschichtsbild die Erinnerung an den Judenmord im Gedächtnis der Mitlebenden ausgelöscht worden war.
Einleitend hatte sie als Schwierigkeit beklagt, dass eine "allseits anerkannte DDR-Geschichtsschreibung" noch ausstehe. Die Lektüre ihrer Arbeit legt eher den Wunsch nahe, dass es im 21. Jahrhundert so bleiben möge. Darüber hinaus den Wunsch an Doktorväter und -mütter, dass sie sich zu mehr Sprachaufsicht berechtigt fühlen. Angelika Holtermanns fatale Neigung zum "Binnen-I" für die Sammelbezeichnung von Personen beiderlei Geschlechtes lässt spätestens seufzen, wenn sie ihr auf Seite 30 dreimal in zwei Zeilen nachgibt - bei Kommunisten, Antifaschisten und Helden. Zumindest in Dissertationen sollten SprachverhunzerInnen Enthaltsamkeit üben.
ERNST-OTTO MAETZKE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Von KommunistInnen, AntifaschistInnen und HeldInnen
Angelika Holtermann: Das geteilte Leben. Journalistenbiographien und Medienstrukturen zu DDR-Zeiten und danach. Leske + Budrich, Opladen 1999. 304 Seiten, 54,- Mark.
Schon beginnen Dissertationen aus den alten Bundesländern über die DDR mit dem entwaffnenden Einleitungssatz: "Bei einem Besuch der DDR kurz vor und während der Märzwahlen 1990 verbrachte ich zehn Tage in Rostock, Dresden und Weimar und lernte damit zum ersten Mal die DDR ein bisschen kennen." Wer ältere diesbezügliche Erfahrungen hat, vielleicht sogar mit Angelika Holtermanns Journalismus-Thema, fühlt sich bereits in die beargwöhnte Zeitzeugen-Rolle gedrängt, vielleicht schon zum Mitglied einer so genannten "Erlebnisgeneration" herunterqualifiziert. Manche, zugegebenerweise nicht sehr viele westdeutsche Kollegen von DDR-Journalisten haben über die Jahre hinweg nicht nur "Neues Deutschland" gelesen, sondern die viel aufschlussreicheren SED-Bezirkszeitungen bis auf die Kreisseiten verfolgt; sie sind solchermaßen auf den Ost-Messen nicht nur in Leipzig, sondern auch in Posen, Plovdiv oder bei sonst welchen Anlässen - etwa beim Umweltschutz-Filmfestival in Mährisch-Ostrau oder vielleicht sogar in Urlaubswochen am Schwarzen Meer - zuerst misstrauisch beäugt, aber dann als Gesprächspartner akzeptiert worden.
Die Verfasserin muss sich in ihrer Rückschau stattdessen auf nachträgliche, tiefenpsychologisch angelegte Interviews mit sieben Journalisten und Journalistinnen aus Presse, Funk und Fernsehen beschränken; sie fragt sie nach Familienbeziehungen, verarbeiteten und nichtverarbeiteten Kriegserlebnissen und nach "Rollenkonflikten" um ihre Arbeit unter scharfem Anpassungsdruck in den Blick zu bekommen. Am wenigsten ergiebig ist ihr Fragen nach dem Einfluss der Familienbeziehungen auf die journalistische Arbeit. Was hülfe es beispielsweise jetzt danach zu forschen, wie oft in Westdeutschland während der achtundsechziger Zeit Kommentare versöhnlicher, sogar verständnisvoll klangen, weil Redakteure häuslichen Streit mit ihrem studentischen Nachwuchs vermeiden wollten? Journalisten sind auch nur Menschen - zweifelt etwa jemand daran?
Beim nachträglichen, psychologisch angelegten und ausgewerteten Interview kommt zudem das Urteil über die Qualität journalistischer Arbeit zu kurz. Im persönlichen Kontakt zu DDR-Zeiten erwiesen sich die Kollegen oft auf faszinierende Weise wohlinformiert: Sie wussten viel mehr, als sie schrieben, und sie hatten viel besseren Durchblick durch ihr sozialistisches System, als sie haben durften. Aber die Verfasserin interessiert sich ohnehin mehr für die Nachwende-Zeit; sie rechnet den eigentlichen Wende-Zeitraum vom August 1989, als massenhaft DDR-Bürger über Budapest und Prag das Weite suchten, bis zur Volkskammerwahl im März 1990. Diese Monate, so lässt sie sich von ihren Interview-Partnern immer wieder bestätigen, hätten zuerst großartige Aufbruchstimmung in der ganzen DDR-Publizistik erzeugt, dann aber "nichts gebracht". Denn nach der Märzwahl seien alle DDR-typischen Strukturen in einem brutalen Kolonialisierungsvorgang zerschlagen worden. Dazu gehört abermals und ergänzend die bekannte Wehklage, dass die Vereinigung "durch westdeutsches Geld und westdeutsche Propaganda" nach dem Grundgesetzartikel 23 - Beitritt - anstatt nach Artikel 146 - gemeinsames Ringen um eine neue Verfassung - zu Stande gekommen sei.
Lohnender ist Angelika Holtermanns Befassung mit den so genannten Medienstrukturen in der ersten Hälfte ihrer Arbeit. Am gelungensten ist ihre systematische Darstellung der "De-facto-Zensur" mittels verschiedener Institutionen, die ineinander griffen. Sie reichten von den "Argu"-Anleitungen, in denen dienstags den Chefredakteuren und donnerstags deren Stellvertretern unmittelbare "Argumentationshilfen" direkt von oben, also von der zuständigen Kommission des SED-Zentralkomitees, gegeben wurden, bis zur pflichtmäßigen Erstellung parteibestätiger Quartalspläne und schliesslich über die Nachrichtenagentur ADN und die Post - mittels ihrer Abonnement-Freigabeliste - bis zur Zentrag, der zentralen Druckerei-, Einkaufs- und Revisionsgesellschaft, die an Zeitungen der Blockparteien die ungünstigsten Andruckzeiten vergab. Mit dieser Art Zensur, von der jederzeit bestritten werden konnte, dass es überhaupt eine war, konnte nichts schief gehen. Leser dieser guten Darstellung, die auch "alten Hasen" des Metiers noch nützlich sein kann, werden schwer verstehen, dass die Verfasserin fast eine Rechtfertigungsnotwendigkeit empfindet, die Reglementierung so ausführlich und genau beschrieben zu haben.
Viel entbehrlicher ist ihr zehnseitiger Exkurs über den Antifaschismus. Ein weiterer Exkurs über den Kalten Krieg hätte von Wert sein können, wenn sie ihre Neigung zu Rundumschlägen gezügelt hätte. Sie weiß zwar, dass das Auseinanderbrechen der Kriegskoalition der Siegermächte "mit Einflussgewinn der Sowjetunion auf Griechenland und die Türkei zur Truman-Doktrin, zu einer Politik der Eindämmung von kommunistischem Einfluss" geführt hatte. Aber dann ist nur von "hassvollem Antikommunismus, vertreten zum Beispiel durch Kurt Schumacher in Deutschland und instrumentalisiert durch Adenauer" die Rede.
Die Wende- und Nachwendezeit steht dann im ersten Teil ihrer Arbeit unter dem Rubrum "Eroberung der DDR durch die westdeutschen Medienunternehmen". Man braucht nicht zu bestreiten, das die Publikationsmittel der DDR zunächst unter die kapitalistischen Fittiche westdeutscher Zeitungsverlage und publizistischer Großkonzerne genommen wurden, entsprechend auch der Rundfunk und das Fernsehen - was eigentlich sonst? Im Kern zutreffend ist auch ihre Beobachtung, dass die westlichen Zeitungsverlage an der Vorbelastung der Redaktionsmitglieder der SED-Bezirkszeitungen erstaunlich wenig Anstoß nahmen; sie waren tatsächlich unentbehrlich. Aber unsachgemäß bis zur Gegenstandslosigkeit ist ihre Klage, dass die ostdeutsche Zeitungslandschaft absichtlich eingeebnet worden sei. Für ein "Oberbarnimer Kreisblatt" gab es tatsächlich keine Nische. Auf dem westdeutschen Zeitungsmarkt, übrigens auch auf dem schweizerischen, war über Jahrzehnte hinweg die gleiche Entwicklung vonstatten gegangen - nur eben viel langsamer. Das liegt, man mag es gern bedauern, an der gestiegenen Abhängigkeit der Zeitungen vom Anzeigenaufkommen. Für Angelika Holtermann ist es aber der Beweis, dass die journalistische Anpassung im kapitalistischen System die gleiche ist wie im staatssozialistischen.
Gegen solche Überzeugungen, sind sie erst einmal festgewurzelt, ist nichts zu machen - außer beim Auftauchen von Falschem. Sie hätte sich nicht von einer Interview-Partnerin den Kauf aller CDU-Zeitungen durch die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Frühjahr 1991 einreden lassen sollen. Was sie meint, wenn sie es unbedingt so ausdrücken will, galt jedenfalls nicht für das Filetstück der CDU-Zeitungen, die Dresdner "Union" mit ihren Nebenausgaben. Sie wurde übrigens schon vor 20 Jahren gern für die "Stimmen der Anderen" dieser Zeitung herangezogen, beispielsweise zu Weihnachten mit einem Zitat aus einem Artikel über die Pulsnitzer Lebkuchen.
Auch in der "großen Politik" gibt es sachlich Unstimmiges. Die Verfasserin lässt die schon oft angestimmte Klage wieder aufleben, dass nur die DDR mit ihren Reparationen "an die von ganz Deutschland zu Tode verwundete Sowjetunion" gezahlt habe. Sie lässt unerwähnt, dass andererseits nur die alte Bundesrepublik Wiedergutmachung für ebenfalls von ganz Deutschland zu verantwortendes Unrecht geleistet hat - das hielt sich mindestens die Waage. Dabei hatte Angelika Holtermann drei Seiten zuvor mit Recht bedauert; dass im DDR-Geschichtsbild die Erinnerung an den Judenmord im Gedächtnis der Mitlebenden ausgelöscht worden war.
Einleitend hatte sie als Schwierigkeit beklagt, dass eine "allseits anerkannte DDR-Geschichtsschreibung" noch ausstehe. Die Lektüre ihrer Arbeit legt eher den Wunsch nahe, dass es im 21. Jahrhundert so bleiben möge. Darüber hinaus den Wunsch an Doktorväter und -mütter, dass sie sich zu mehr Sprachaufsicht berechtigt fühlen. Angelika Holtermanns fatale Neigung zum "Binnen-I" für die Sammelbezeichnung von Personen beiderlei Geschlechtes lässt spätestens seufzen, wenn sie ihr auf Seite 30 dreimal in zwei Zeilen nachgibt - bei Kommunisten, Antifaschisten und Helden. Zumindest in Dissertationen sollten SprachverhunzerInnen Enthaltsamkeit üben.
ERNST-OTTO MAETZKE
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