Wie ist es möglich, dass der amtierende Schachweltmeister aus Norwegen kommt, einem Land ohne große Schachtradition? Aage G. Sivertsen zeichnet Magnus Carlsens Weg an die Spitze der Weltschachelite nach, der auf den ersten Blick wie Zufall aussieht, sich bei genauerem Hinsehen aber als logische Konsequenz kluger Förderung eines früh erkannten Genies begreifen lässt. Bereits mit 13 Jahren wird Carlsen, geboren 1990, Schach-Großmeister und kurz vor seinem 23. Lebensjahr Weltmeister. Diese Biografie ist die Geschichte eines Jungen, der es ohne Drill zum besten Schachspieler der Welt gebracht hat. Magnus Carlsen spielt Schach, weil es ihm Spaß macht. Hautnah hat Sivertsen das immer wieder vor Ort erfahren, bei wichtigen Wettkämpfen und Turnieren wie in Stavanger, London, Chennai, Dubai, Sotschi und zuletzt in New York. Daneben hat der Autor fast die gesamte Weltelite – darunter vier ehemalige Weltmeister – interviewt. Die wichtigste Grundlage dieses Buches aber sind die zahllosen Gespräche mit Henrik Carlsen, Magnus' Vater. Magnus Carlsen ist ein auch für Laien höchst lesenswertes Buch über ein Schachphänomen, in dem der Autor zeigt, aus welchem Holz Genies geschnitzt sind. Sivertsen bezieht dabei auch die Ereignisse vom Weltmeisterschaftskampf gegen Sergei Karjakin in New York vom 11. bis 30. November 2016 ein.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.06.2017Der Beste am Schachbrett
Aage G. Sivertsen porträtiert Magnus Carlsen
Magnus Carlsen darf mit seinen sechsundzwanzig Jahren schon für sich in Anspruch nehmen, der bislang beste Schachspieler aller Zeiten zu sein. Er hat die höchste jemals ausgewertete internationale Spielstärkenzahl (Elo) erreicht, den Weltmeistertitel erkämpft und mehrfach verteidigt. Und auch alle anderen Spitzenturniere mit Bestbesetzung (mehrfach) gewonnen. Klar, es hat Weltmeister gegeben, die den Titel länger trugen - Garri Kasparow beispielsweise oder noch Jahrzehnte zuvor Michail Botwinnik oder noch früher Alexander Aljechin. Doch erstens dürfte das auch schlicht daran liegen, dass Carlsen eben noch keine Zeit hatte, so lange an der Spitze zu stehen. Und zweitens unterschlägt diese Perspektive, dass es im Schachspiel Erkenntnisfortschritte gegeben hat, um die Carlsen weiß, die früheren Meister aber nicht; stärker gewordene Schachcomputer und gewaltige Partiedatenbanken stecken wesentlich dahinter.
Doch wie gelangte Carlsen eigentlich an die Weltspitze des königlichen Spiels? Wie schaffte es ein Spieler aus einem kleinen Land wie Norwegen, das zudem über keine große Schachtradition verfügt, sich gegen die besten Russen, Amerikaner, Chinesen durchzusetzen? Der norwegische Autor Aage Sivertsen hat darüber ein Buch geschrieben unter dem sehr treffenden Titel "Magnus Carlsen: Das unerwartete Schachgenie". Er zeigt darin ziemlich eindrücklich, dass Carlsens Erfolg nicht so zufällig gekommen ist, wie es auf den ersten Blick scheint.
Am Beginn steht, dass Carlsens Eltern ihren Sohn schon sehr früh förderten, seinem Schachspiel viel Platz frei räumten, auch auf Kosten der Schule und eigener Ziele. Sivertsen beschreibt, wie Carlsen als Kind den Titel eines Großmeisters erspielte, wie seine Zusammenarbeit mit dem egozentrischen Garri Kasparow begann und warum sie endete, wie Carlsen schließlich im Jahr 2013 Weltmeister wurde.
Wichtigste Quellen Sivertsens sind, das legt er offen, Gespräche mit Carlsens Vater. Herausgekommen ist eine gut lesbare Dokumentation, nüchtern-sachlich im Tonfall. An dem Buch irritiert bloß der erste Eindruck, den es vermittelt, nämlich die Fotografie auf seinem Umschlag. Aus einem pechschwarzen Hintergrund blick das mit Schatten überzogene, ernste Gesicht des Weltmeisters dem Leser entgegen. Nun hat es Weltmeister durchaus gegeben, die einem solchen Bild entsprechen: sehr ernst, eigenbrötlerisch, unnahbar, manchmal gruselig. Carlsen ist das Gegenteil - und begeistert auch deswegen nicht nur in seinem Land unzählige Schachspieler.
ala
Aage G. Sivertsen: "Magnus Carlsen". Das unerwartete Schachgenie.
Osburg Verlag, Hamburg 2017. 300 S., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Aage G. Sivertsen porträtiert Magnus Carlsen
Magnus Carlsen darf mit seinen sechsundzwanzig Jahren schon für sich in Anspruch nehmen, der bislang beste Schachspieler aller Zeiten zu sein. Er hat die höchste jemals ausgewertete internationale Spielstärkenzahl (Elo) erreicht, den Weltmeistertitel erkämpft und mehrfach verteidigt. Und auch alle anderen Spitzenturniere mit Bestbesetzung (mehrfach) gewonnen. Klar, es hat Weltmeister gegeben, die den Titel länger trugen - Garri Kasparow beispielsweise oder noch Jahrzehnte zuvor Michail Botwinnik oder noch früher Alexander Aljechin. Doch erstens dürfte das auch schlicht daran liegen, dass Carlsen eben noch keine Zeit hatte, so lange an der Spitze zu stehen. Und zweitens unterschlägt diese Perspektive, dass es im Schachspiel Erkenntnisfortschritte gegeben hat, um die Carlsen weiß, die früheren Meister aber nicht; stärker gewordene Schachcomputer und gewaltige Partiedatenbanken stecken wesentlich dahinter.
Doch wie gelangte Carlsen eigentlich an die Weltspitze des königlichen Spiels? Wie schaffte es ein Spieler aus einem kleinen Land wie Norwegen, das zudem über keine große Schachtradition verfügt, sich gegen die besten Russen, Amerikaner, Chinesen durchzusetzen? Der norwegische Autor Aage Sivertsen hat darüber ein Buch geschrieben unter dem sehr treffenden Titel "Magnus Carlsen: Das unerwartete Schachgenie". Er zeigt darin ziemlich eindrücklich, dass Carlsens Erfolg nicht so zufällig gekommen ist, wie es auf den ersten Blick scheint.
Am Beginn steht, dass Carlsens Eltern ihren Sohn schon sehr früh förderten, seinem Schachspiel viel Platz frei räumten, auch auf Kosten der Schule und eigener Ziele. Sivertsen beschreibt, wie Carlsen als Kind den Titel eines Großmeisters erspielte, wie seine Zusammenarbeit mit dem egozentrischen Garri Kasparow begann und warum sie endete, wie Carlsen schließlich im Jahr 2013 Weltmeister wurde.
Wichtigste Quellen Sivertsens sind, das legt er offen, Gespräche mit Carlsens Vater. Herausgekommen ist eine gut lesbare Dokumentation, nüchtern-sachlich im Tonfall. An dem Buch irritiert bloß der erste Eindruck, den es vermittelt, nämlich die Fotografie auf seinem Umschlag. Aus einem pechschwarzen Hintergrund blick das mit Schatten überzogene, ernste Gesicht des Weltmeisters dem Leser entgegen. Nun hat es Weltmeister durchaus gegeben, die einem solchen Bild entsprechen: sehr ernst, eigenbrötlerisch, unnahbar, manchmal gruselig. Carlsen ist das Gegenteil - und begeistert auch deswegen nicht nur in seinem Land unzählige Schachspieler.
ala
Aage G. Sivertsen: "Magnus Carlsen". Das unerwartete Schachgenie.
Osburg Verlag, Hamburg 2017. 300 S., geb., 20,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Nur nicht von dem düsteren Cover abschrecken lassen, mahnt Rezensent Alexander Armbruster. Denn in der flüssig und angenehm "sachlich" geschriebenen Dokumentation des norwegischen Autors Aage G. Sivertsen lernt der Kritiker den Schachweltmeister Magnus Carlsen als ganz und gar nicht "unnahbaren" und "ernsten" jungen Mann kennen. Fasziniert liest er in diesem vor allem auf Gesprächen mit Carlsens Vater beruhenden Buch etwa, wie Magnus schon als Kind gefördert wurde und weshalb seine Zusammenarbeit mit Garri Kasparow endete.
© Perlentaucher Medien GmbH
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