Die Moskauer Schauprozesse der Jahre 1936, 1937 und 1938 waren der öffentliche Höhepunkt des stalinistischen Terrors in der Sowjetunion. Die Prozesse dienten nicht allein der Verurteilung der berühmten Angeklagten, sondern richteten sich in drei breit angelegten Mobilisierungskampagnen an die Bevölkerung. In ihrer Studie stellt Acelya Bakir erstmals den Schaucharakter der Prozesse in den Mittelpunkt. Basierend auf zahlreichen Bildquellen sowie Archivdokumenten aus Moskau und Celjabinsk im Südural untersucht die Autorin die drei Kommunikationsebenen der Kremlführung: die örtlichen Inszenierungen als Strafprozesse im Oktobersaal des Moskauer Gewerkschaftshauses, die multimedialen Inszenierungen sowie die in den Kampagnen formulierten Partizipationsforderungen. Bakir zeigt, wie umfassend das Stalin-Regime das Erleben der Inszenierung bewusst steuerte und wie es versuchte, die Bevölkerung kollektiv als "Volksrichter" in das Geschehen einzubinden.
"Sie darf [...] sowohl inhaltlich als auch methodisch als Pionierstudie gewertet werden. Erstmals überhaupt werden in ihr die Moskauer Prozesse in ihrer Doppelbödigkeit von staatlicher Repression und integrativer Massenmobilisierung in den Blick genommen. [...] Insgesamt zeigt die Studie materialreich und eindrucksvoll, welche Erkenntnispotenziale eine über die reine Politikgeschichte hinausgehende Untersuchung der medialen Kommunikationsstrategien für das Verständnis des stalinistischen Systems und der sowjetischen Gesellschaft bietet [...]. Summa summarum handelt es sich bei der vorliegenden Dissertationsschrift von Acelya Bakir um eine mustergültige theoriegeleitete wie quellengesättigte Studie zur Visual History eines historischen Ereignisses mit Modellcharakter, der zahlreiche Leserinnen und Leser zu wünschen sind." Gerhard Paul Visual History, 16.12.2024 20241216