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Albertis Texte zur Malkunst und zum Standbild gewähren einen tiefen Einblick in die Kunsttheorie und die künstlerische Methodik der Renaissance. Eine ausführliche Einleitung und ein Kommentar dienen dem Verständnis der Texte und geben auch Auskunft über die Rezeption der Schriften und den Stand der Forschung. Die Beigabe einer deutschen Übersetzung erleichtert den Zugang zu den Texten, die so nicht nur von Kunsthistorikern und Historikern mit Gewinn zu lesen sind.

Produktbeschreibung
Albertis Texte zur Malkunst und zum Standbild gewähren einen tiefen Einblick in die Kunsttheorie und die künstlerische Methodik der Renaissance. Eine ausführliche Einleitung und ein Kommentar dienen dem Verständnis der Texte und geben auch Auskunft über die Rezeption der Schriften und den Stand der Forschung. Die Beigabe einer deutschen Übersetzung erleichtert den Zugang zu den Texten, die so nicht nur von Kunsthistorikern und Historikern mit Gewinn zu lesen sind.

Autorenporträt
Oskar Bätschmann, geb. 1943, ist Professor für Kunstgeschichte an der Universität Bern und Experte für die neuzeitliche Malerei.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.04.2001

Die Vernunft ist ein Finitorium
Drei Traktate des Renaissance-Artisten Leon Battista Alberti

Als historische Disziplin hat die Kunstgeschichte stets in Giorgio Vasari (1511 bis 1574), dem Biographen der bedeutendsten Renaissance-Künstler, eine ihrer zentralen Gründungsfiguren erkannt. Die chronologische Ordnung der Kunst und deren geschichtsphilosophische Begründung haben die Etablierung der Kunstwissenschaft im Kontext der historischen Fächer ja überhaupt erst ermöglicht. Darüber hinaus aber - und lange bevor der Begriff im Antragsdeutsch inflationär und in der Praxis verflacht wurde - hat die Kunstgeschichte sich als ein genuin interdisziplinäres Fach verstanden. Deshalb entsinnt sie sich, wenn sie nicht nur gattungsübergreifend denkt, sondern die ganze Kulturgeschichte als ihr Betätigungsfeld betrachtet, wieder zunehmend eines Autors und Künstlers, der rund ein Jahrhundert vor Vasaris folgenreicher Periodisierung der Kunst die Beschäftigung mit ihr auf gänzlich neue Grundlagen gestellt hat, nämlich Leon Battista Alberti (1404 bis 1472).

Der aus einer Florentiner Familie stammende Alberti wuchs im norditalienischen Exil auf, wo er eine umfassende humanistische Bildung erfuhr. Früh in Diensten der römischen Kurie und bald in geistlicher Laufbahn, folgte er Papst Eugen IV. 1434 ins Florentiner Exil und damit in das Zentrum der künstlerischen und geistigen Erneuerung aus dem Geiste des Humanismus. Als klassischer Philologe, Literat und Naturwissenschaftler verfügte Alberti über keine künstlerisch-handwerkliche Ausbildung, weshalb sich sein Interesse auf theoretische Fragen und das Verhältnis von Kunst und Wissenschaften konzentrierte. Alberti hat in Malerei und Plastik dilettiert, künstlerisch verbinden sich mit seinem Namen aber vor allem seine Bauten. Sie entwarf er als planender Architekt allerdings nur, ihre Ausführung blieb weitgehend lokalen Bauhandwerkern überlassen. Zu seinen bahnbrechenden, die Antike in eine dynamische Zeitgenossenschaft überführenden Entwürfen zählen das Ensemble von Palazzo, Loggia und Cappella Rucellai in Florenz, der Tempio Malatestiano in Rimini und die nicht nur den Kirchenbau revolutionierenden Gotteshäuser San Sebastiano und Sant'Andrea in Mantua.

Alberti, der treffend als erster "Schreibtisch-Architekt" der Neuzeit apostrophiert wurde, ist es zu verdanken, daß die Architektur im Laufe des 15. Jahrhunderts in den Rang einer "ars liberalis" erhoben wurde, den einzunehmen ihr selbst in der Antike nicht gelungen war. Verbindlich war für Alberti aber nicht das antike Formenrepertoire allein. Auch in der schriftlichen Fixierung der künstlerischen Bedingungen und Möglichkeiten hielt ihm die Antike taugliche Modelle bereit. Zumal Vitruv, der Autor der "Zehn Bücher über Architektur", war ihm dabei das Vorbild für seine " De re aedificatoria", die "Zehn Bücher über die Architektur". Es ist Albertis gewiß folgenreichste Schrift, die zwischen 1443 und 1452 entstand, aber erst im Jahre 1485, also posthum, im Druck erschien.

Albertis darin verhandelte Thesen gehörten noch zu ihrer Entstehungszeit zum allgemeinen Gesprächsstoff über die baukünstlerische Praxis der frühen Neuzeit. Sein schriftlicher Nachlaß ist freilich weit umfangreicher. Er umfaßt die "Ludi mathematici", ein Lösungsbuch mathematischer und geometrischer Fragen für Ingenieure; eine "Grammatica della lingua toscana", die erste italienische Grammatik; eine "Descriptio urbis Romae", die früheste erhaltene Stadtvermessung Roms der Neuzeit; die "Intercoenales", eine Sammlung lateinischer Dialoge und Kurzgeschichten; Gedichte; Elegien; Sonette und Eklogen; das Traktat "Della famiglia" und weitere Schriften über das Familienleben sowie Dialoge und Abhandlungen über die Liebe. Seine Schriften reichen bis hin zu "De equo animante", einer Abhandlung über Pferde; "Canis", einer fingierten Grabrede auf einen treuen Hund und endlich "Momus o del Principe", einer Satire über den Typus des weltfremden Gelehrten.

Durch Erkenntnis zur Kunst

Schon diese unvollständige Übersicht zeigt, daß Alberti einen eigenen Kosmos innerhalb der Wissenskultur der frühen Neuzeit bildet. Sein ebenso expansives wie komplexes Werk ist bis heute gleichwohl nicht vollständig publiziert oder gar in einer kommentierten Ausgabe verfügbar. Das gehört zu den unverständlichen Versäumnissen des so editionsfreudigen neunzehnten Jahrhunderts; aber auch in der Folge haben Akademien oder Forschungsinstitute das Unternehmen, das freilich eine erhebliche intellektuelle Integrationsleistung erfordert, gescheut. Vereinzelte Ausgaben hat es gleichwohl immer wieder gegeben. Zu ihnen zählen die Traktate über "Die Malkunst" (De pictura) und "Das Standbild" (De statua) sowie die Anmerkungen über die "Grundlagen der Malerei" ("Elementa Picturae"). Die von Oskar Bätschmann jetzt vorgenommene Zusammenstellung dieser drei Texte verwirklicht einen gescheiterten Publikationsplan Albertis, der sie um 1468 für den gemeinsamen Druck vorgesehen hatte.

Zentrales Anliegen dieser Schriften ist es, die von ihm in der urteilslosen, gewohnheitsmäßigen künstlerischen Praxis konstatierte Unwissenheit, die ignorantia, zu beseitigen und Erkenntnis wie Vernunft zu notwendigen Grundlagen der Kunst zu erklären. Albertis Adressaten waren Auftraggeber und Künstler gleichermaßen - wie schon die Edition etwa der "Malkunst" in Latein und Italienisch nahelegt - und seine eigentliche Bedeutung ist zu Recht darin erkannt worden, dem Gespräch über die Kunst eine Sprache und der gemeinsamen Verständigung eine rationale und literarische Grundlage verliehen zu haben.

Anders als später für Vasari sind Ursprung und Entwicklung der Künste für Alberti kein eigentliches Thema. Umschreiben ließen sich seine Ausführungen als Machbarkeitsstudien. Im "Standbild" etwa handelt Alberti vom Messen. Das von ihm darin vorgestellte "Finitorium" ist ein kompliziertes, zangenartiges Gerät, das, als Übertragungsinstrument, die Wandlung vom Handarbeiter zum Künstler beförderte: Der konnte fortan seine Hauptaufgabe im Entwurf von Bozzetti und Modellen erkennen und deren maßgerechte Ausführung in Stein der Werkstatt und ihren Gesellen überlassen. Alberti präludiert damit das "Idea"-Prinzip, das in der Folge die Grenze zwischen künstlerischer Konzeption und handwerklicher Arbeit markieren sollte.

Auch in der "Malkunst", exemplifiziert am "velum" - dem in Werkstätten und Ateliers bald unverzichtbaren Fadengitter - erläutert Alberti die perspektivische Konstruktion, die vermittels dieses Behelfs die proportionale Vergrößerung eines Entwurfs maßgeblich unterstütze. Der Autor, der die angewandte euklidische Geometrie zur Voraussetzung der Malkunst erklärt, fordert vom Künstler, sich in allen freien Künsten, besonders aber in der Geometrie, zu unterrichten. In den hier erstmals deutsch vorliegenden "Grundlagen der Malerei" werden die geometrischen Definitionen und die Visualisierung der ersonnenen Zahlensysteme im Zusammenhang mit dem die Zeit zentral beschäftigenden Problem der Perspektive noch eingehender erörtert.

Intellektuelles Chamäleon

Insgesamt bilden die von Christoph Schäublin meisterhaft übertragenen Texte die Summe der Prinzipien von Albertis Wahrnehmungstheorie, die den realen Raum in ein mathematisches Konstrukt übersetzte und den künstlerischen Prozeß solchermaßen verwissenschaftlichte. Dieses Verfahren ist nach Alberti freilich nicht allein in der Malerei, sondern auch in den anderen Künsten nutzbar anzuwenden, um die fehlerhafte Ausführung der Idee zu vermeiden. Weshalb er, der die italienische Ausgabe der "Malkunst" seinem Künstlerfreund, dem Baumeister Filippo Brunelleschi, gewidmet hat, auch von den Architekten Versiertheit besonders in der Malerei fordert. Ihr könnten sie so wenig entraten wie der Dichter der Stimme und der Silben.

Die später nicht selten im Paragone einander entfremdeten Künste hatten in Alberti einen frühen Apologeten des Einheitsgedankens der Kunst. Seine Forderung, die künstlerische Tätigkeit habe von der Natur auszugehen, zielt letztlich dennoch auf ein Ideal, das durch Studium, zumal der antiken Skulptur, vergleichende Unterscheidung und endlich in der Wahl der schönsten und proportional stimmigen Teile in der Vorstellung des Künstlers zu bilden sei. Die so gewonnene, der subjektiven Erfahrung entspringende Form macht Alberti für die Einzelfigur ebenso zum Maß wie für die nach ihm ranghöchste Aufgabe der Malerei, das Historienbild.

Von Jacob Burckhardt ist Alberti als willenskräftiger "uomo universale", als "Allseitiger", in einer entscheidenden Phase der Entwicklung des Individuums gewürdigt und seither zum Universalgenie stilisiert worden. Erst jüngst sind dessen nicht weniger ausgeprägten melancholischen und zynischen Facetten in den Blick geraten, ein Skeptizismus und eine pessimistische Lebenshaltung, die sich nicht zuletzt in seinem elegisch zu lesenden Motto "quid tum" - "Was folgt?" - aussprechen. Daß Alberti dabei als widersprüchlicher Charakter beschrieben worden ist, den gänzlich unvereinbare Eigenschaften bestimmten, ist beredter Ausdruck der Schwierigkeiten, die eine eng umzirkelte Kunstgeschichte mit einem frühen Intellektuellen haben muß, der Wissenschaft, Anschauung, künstlerische Erfindungsgabe und Sprache nicht voneinander trennte und den selbst keine grenzpolizeiliche Befangenheit je behindert hat. Bereits von seinen Zeitgenossen ist Alberti als Chamäleon beschrieben worden, da er stets die Farbe der Dinge angenommen habe, über die er schrieb. Tatsächlich handelt es sich bei diesem "uomo vario" um die vielleicht integrativste Persönlichkeit der frühen Neuzeit, deren Vermächtnis sich als Paradigma der Kunstwissenschaft in Zeiten fachlicher Entgrenzung besonders empfiehlt.

Die hier vorliegende Schriftensammlung unterstreicht diese besondere Aktualität Albertis und ruft einen der vielseitigsten Theoretiker der Kunst zur rechten Zeit in Erinnerung. Der freilich war sich der kommemorativen Grenzen schriftlicher Verlassenschaften durchaus bewußt und vertraute, als Künstler, dabei mehr der Anschauung. Seine Malerkollegen bat er, aus Dankbarkeit für seinen Beitrag, sein Konterfei künftig in ihren Gemälden abzubilden. Auch dort bleibt er noch vielerorts zu entdecken.

ANDREAS BEYER

"Leon Battista Alberti". Das Standbild. Die Malkunst. Grundlagen der Malerei. Herausgegeben, eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Oskar Bätschmann und Christoph Schäublin unter Mitarbeit von Kristine Patz. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2000. 493 S., 41 Abb., geb., 168,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.05.2001

Das Maß der Historie
Über Statuen und Bilder – drei Schriften von Leon Battista Alberti
Der große Künstlerbiograph Vasari rühmte nicht nur die außerordentliche Gelehrsamkeit des Florentiner Architekten und Malers Leon Battista Alberti, er verglich auch dessen technische Erfindungen, die Hilfszeichnungen und Geräte einer zentralperspektivischen Abbildung mit der bedeutenden Erfindung des Buchdrucks. Alberti hatte selbst eine kleine Abhandlung über den Buchdruck verfasst, bemühte sich, seine Schriften drucken zu lassen. Da ist die Verbindung zu Giovanni Andrea Bussi, Bischof von Aleria, dem früheren Sekretär des Kardinals Nicolaus Cusanus, der als Herausgeber klassischer und christlicher Autoren mit den Frühdruckern Pannartz und Sweynheym zusammenarbeitet.
An Bussi sandte Alberti, zwischen 1468 und 1471, eine Abschrift von De statua, aus deren Begleitbrief hervorgeht, dass ihm schon zwei andere kleinere Werke über die Malkunst und die Grundlagen der Malkunst übergeben worden waren. Mit einem Druck dieser drei opuscula hätten die aufklärenden und erzieherischen Absichten auch der technischen Erklärungen des Autors ein größeres Publikum erreicht. „Im Übrigen schreibe ich, was ich schreibe, nicht für mich, sondern für die Menschheit”, lässt er den hoch geschätzten römischen Humanisten wissen. Auf dieses Schreiben und die Kenntnis von der Druckvorbereitung des Architekturtraktats De re aedificatoria stützt sich die These eines Publikationsplans der drei kleineren kunsttheoretischen Schriften, welchem die vorliegende Neuedition von Oskar Bätschmann folgt.
Zu Lebzeiten Albertis war keiner der kunsttheoretischen Traktate im Druck erschienen. Bätschmann und Christoph Schäublin, der die Übersetzung aus dem Lateinischen besorgte, unter Mitarbeit von Kristine Patz, legen damit zum ersten Mal eine zusammenhängende Edition aller drei Texte vor, die lateinische Fassung auf der Grundlage der textkritischen Ausgabe von Cecil Grayson (1973); darüber hinaus De statua „überprüft und mit textkritischem Apparat versehen”. Die Elementa picturae sind zum ersten Mal in deutscher Ausgabe zugänglich. Seit der Ausgabe von Hubert Janitschek (1877), in der sich die Volgare-Fassung Della pittura und die lateinische von De statua finden, hat es keine Neuübersetzung in die deutsche Sprache gegeben. Mit einer ausführlichen Einleitung informiert Bätschmann über die verschiedenen Abschriften, Drucke und Übersetzungen, über Probleme der Datierung, aber auch, mit Abbildungen, über Albertis bekannte zeichentechnische Erfindungen. Im Verweis auf die benutzten antiken und mittelalterlichen Quellen und mit Erläuterungen zu Albertis Begriffen, zur Rezeption dieser Schriften, zu den Traktaten von Cennini und Leonardo führt Bätschmann zugleich in die Kunsttheorie der Frührenaissance ein.
Wenn Cicero, Quintilian oder Plinius d.Ä. die Kenntnis der Namen und vorbildlichen Schöpfungen der antiken Bildhauer und Malerberühmtheiten liefern, so mögen Aristoteles und Platon, gemäß der Schultradition, grundlegend gewirkt haben: die Verknüpfung einer idealtypischen Ethik mit aus der Antike überlieferten Sehtheorien, welche Albertis Gedankengänge beherrscht, wird zum verlässlichen wissenschaftlichen Fundament der künstlerischen Ausübung, auf welches, in einem stetigen Aufsuchen des rechten Maßes, die einzelnen aus der genauen Naturbeobachtung gewonnenen Schritte sich beziehen sollen. Alberti verleiht dem Künstler, in emphatischer Wiederholung der platonischen Metaphysik, ihrer Hochschätzung der geometrisch-mathematischen Künste, weit mehr als ein gelehrtes Ansehen: Der Künstler – folgt er den genauen Anweisungen Albertis, wie Flächen, Linien und Farben als die lichtdurchdrungenen Gegenstände zu setzen sind – wird zum Schöpfer jener vollkommenen Schönheit, welche hervorzubringen die Philosophen allein den rechnenden und überlegenden Logos, eine erhabene menschliche Vernunft für fähig hielten. Es wäre bei Gelegenheit dieser Neuedition Panofskys dezidierte Ablehnung einer Beziehung von Albertis Kunsttheorie zum Platonismus seiner Zeit, die Behauptung der rein empirischen Ausrichtung dieser Traktate noch einmal zu überdenken. Alberti dürfte eher durch eine neuartige, einheitlichere Verbindung von metaphysischen Positionen und beobachteten Naturerscheinungen, über die auch der Anblick und die Vermessung der Proportionsverhältnisse antiker Statuen belehren konnten, angeregt worden sein, die – auch die Kontrolle seelischer Regungen betreffende – Leistung des Intellekts in Begriffe zu fassen und der praktischen Anwendung zuzuführen. Panofsky hat in seiner großen Studie „Die Perspektive als symbolische Form” die Beziehung von zentralperspektivischer Raumvorstellung und metaphysischem Denken angedeutet, sie jedoch als Spezifikum der Neuzeit aufgefasst.
Es ist der Vorteil einer Neuedition wie dieser, in Erinnerung zu bringen, dass die allgemeinen Fragestellungen nicht vom Verständnis einzelner Begriffe zu trennen sind. Bätschmann/Schäublin schlagen vor, die drei Hauptbegriffe mit denen Alberti die Malkunst zu definieren und zu unterteilen sucht, circumscriptio, compositio, luminum receptio mit „Umschreibung”, „Komposition” und „Lichteinfall/Lichtwirkung” wiederzugeben. Janitschek hatte dafür „Umriss”, „Komposition”, „Beleuchtung” gewählt, Julius Schlosser die Begriffe als „linearen Umriss”, „Zusammensetzung der Flächen” und „Modellierung der Körper im farbigen Licht” erläutert. Am deutlichsten zeigt sich die Schwierigkeit, die andere Weise der Anschauung, des Erfahrens von Räumlichkeit und des Auffassens von Bewegung, das Gespür für Dramatik und lebendige Darstellung der älteren Kunstausübung mitzuteilen, bei dem Versuch historia, den Hauptbegriff der Kunsttheorie Albertis zu übersetzen.
Der kaum mit einem einzigen deutschen Wort fassbare Gehalt von historia, bei Janitschek unzutreffend eingeengt auf „Geschichtsbild”, wird jedoch in Bätschmanns Übersetzung mit „Vorgang” zu einer konturlosen Vorstellung. Wenn der Herausgeber zu Recht bemerkt, dass historia „keinesfalls auf eine Handlung, ein Ereignis oder eine Erzählung eingeschränkt werden darf”, so wirkt doch das Wort „Vorgang” allzu neutralisierend und sinnauflösend da, wo eine der kritisierten Bezeichnungen zumindest doch einen Aspekt des Ganzen zu treffen scheint; Handlung, Drama, Erzählung, Geschichte, Geschehen können als erhellende, umschreibende Begriffe dienen. Wenn in einem Definitionsversuch Bätschmann zusammenfasst, historia müsse verstanden werden als „eine kohärente Darstellung einer Gruppe von menschlichen Figuren in körperlichen und seelischen Bewegungen”, so möchte man darin angedeutet finden, dass die aus der Antike überlieferte Rede von der maßvollen Übereinstimmung des Ganzen und seiner Teile mit der neuartigen Bezeichnung eben dieses Ganzen als historia in der frühen Kunsttheorie, insbesondere von Alberti, hervorgehoben und gefeiert wird. Auch die antiken Bildwerke schienen diese Rede in den Zahlen ihrer Maßverhältnisse mitzuteilen und führten vor Augen, dass die Darstellung eines bewegten Geschehens, wie es der tragischen Dichtung vorbehalten schien, zur Vollkommenheit eines jeden Kunstwerks gehört.
MARGARETHA HUBER
LEON BATTISTA ALBERTI: Das Standbild. Die Malkunst. Grundlagen der Malerei. Hrsg. Oskar Bätschmann. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2000. 493 Seiten, 168 Mark.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Andreas Beyer freut sich sehr, dass diese drei Schriften Albertis jetzt erstmals - ganz im Sinne ihres Verfassers - zusammen veröffentlicht werden. Während Jacob Burckhardt in Alberti den "uomo universali" der Renaissance sah, stellt Beyer ihn sich eher als "uomo vario" vor - ein Mann mit "widersprüchlichem Charakter", der ohne die geringsten Schwierigkeiten "Wissenschaft, Anschauung, künstlerische Erfindungsgabe und Sprache" miteinander zu verbinden wusste. Nur auf einer Trennung scheint Alberti, folgt man der Besprechung, bestanden zu haben: auf der zwischen Kopf und Hand. So erläutere er in seinen kunsttheoretischen Schriften, die Beyer "Machbarkeitsstudien" nennt, ausführlich die "perspektivische Konstruktion" eines Gemäldes. Die maßgerechte Ausführung könne dann von der Werkstatt übernommen werden. Nach Alberti ist vor allem die euklidische Geometrie "Voraussetzung der Malkunst", erläutert Beyer. So habe der Theoretiker, selbst der "erste Schreibtisch-Architekt" der Neuzeit, den "realen Raum in ein mathematisches Konstrukt übersetzt" und damit den "künstlerischen Prozess verwissenschaftlicht". Die Bedeutung Albertis sieht Beyer denn auch vor allem darin, dass er der Kunst eine "rationale Grundlage" verliehen hat. Ein Lob geht auch Christoph Schäublin, der diese Texte "meisterhaft" übersetzt habe.

© Perlentaucher Medien GmbH
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