Die ehemaligen Ostgebiete Polens spielen noch heute eine prominente Rolle in polnischen Diskussionen. Dabei wirken Bilder und Semantiken fort, die nicht nur seit der Romantik in der schönen Literatur, sondern seit dem Ende des 19. Jahrhunderts auch in politischen Diskussionen entstanden. In den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg wurden militärstrategische und geopolitische Überlegungen in Bezug auf die Ostgebiete entwickelt, die von der Belletristik verbreitete Bilder nutzten, um politische Ziele in den Diskussionen um Grenzen und Territorium des künftigen polnischen Staates zu verfolgen.Einige dieser Raumbilder erreichten die Qualität regelrechter "Ostkonzepte", umfassender Vorstellungen von den Ostgebieten als essenziellem Bestandteil des polnischen nationalen Territoriums, die dadurch gekennzeichnet waren, den Ostgebieten einen für ganz Polen existenziellen Stellenwert beizumessen. So sind die Ostkonzepte eindrückliche Beispiele für die Konstruktion von Räumen durch politisch-publizistisch-wissenschaftliche Kommunikation. Mit Hilfe einer systematischen Analyse der Motive, Deutungskategorien und Berufungsinstanzen, auf die sich die Konzepte bezogen, zeigt die Arbeit die politische Semantik der Ostkonzepte und ihre politischen und kulturellen Zuschreibungen in Bezug auf den Osten. Im Ergebnis lassen sich daran wesentliche Elemente polnischer Wir-Diskurse über Nation, Europäizität und Zivilisation ablesen. Zum Abschluss stellt die Arbeit kursorische Vergleiche mit deutschen Ostraumbildern an.