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Dinosaurier! Die Kulturgeschichte erzählt uns von der kulturellen Evolution der Saurier. Der Dinosaurier ist eine Fiktion, kein Faktum, auch wenn uns das die Naturwissenschaft bislang immer weismachen wollte. Er hat eine Kulturgeschichte, in der Fossilien nur ein Stück des Puzzles ausmachen. Immer schon musste man sich ein »Bild« vom Saurier machen, immer schon war er ein kulturelles Konstrukt. Seine Bühne bereiten Buffon und Cuvier in den »Naturgeschichten« des 18. Jahrhunderts. Den ersten großen Auftritt erlebt er im viktorianischen England und wird im 20. Jahrhundert zu einem Superstar. Im…mehr

Produktbeschreibung
Dinosaurier! Die Kulturgeschichte erzählt uns von der kulturellen Evolution der Saurier. Der Dinosaurier ist eine Fiktion, kein Faktum, auch wenn uns das die Naturwissenschaft bislang immer weismachen wollte. Er hat eine Kulturgeschichte, in der Fossilien nur ein Stück des Puzzles ausmachen. Immer schon musste man sich ein »Bild« vom Saurier machen, immer schon war er ein kulturelles Konstrukt. Seine Bühne bereiten Buffon und Cuvier in den »Naturgeschichten« des 18. Jahrhunderts. Den ersten großen Auftritt erlebt er im viktorianischen England und wird im 20. Jahrhundert zu einem Superstar. Im Kalten Krieg kämpfen Tyrannosaurus und Triceratops um die Weltherrschaft und werden so zu Symbolen der verfeindeten Supermächte. Im Informationszeitalter verkörpert der Dinosaurier die Ideale der »New Economy« und verursacht gehörige »Kollateralschäden«. Eine gespenstische Aktualität gewinnen Dworskys Schilderungen angesichts der atomaren Katastrophe in Fukushima: Godzilla, aus dem Meer kommend, zertrampelt den Reaktor. Der Riesensaurier im Kino - Metapher und Menetekel einer unabwendbaren Katastrophe.
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Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensentin Claudia Schwartz schätzt diese Kulturgeschichte der Dinosaurier von Alexis Dworsky. Der Autor führt ihr den Wandel unserer Vorstellung vom Dinosaurier im Kontext von Erd- und Entwicklungsgeschichte, Darwinismus, Geopolitik und Kulturindustrie überzeugend vor Augen. Deutlich wird ihres Erachtens, wie sehr die naturwissenschaftlichen, paläontologischen, scheinbar objektiven Erkenntnisse über diese Urtiere von kulturellen Vorstellungen überformt sind und wie jede Zeit sich ihre eigene Geschichte der Dinosaurier erfunden hat. Das Fazit der Rezensentin: ebenso kenntnisreich wie unterhaltsam.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Godzilla und die Kernspaltung

Der Dinosaurier unterliegt als Kulturprodukt dem Wandel der Moden: Alexis Dworsky interpretiert die Echsen als gesellschaftliche Projektionsfläche durch die Epochen.

Der Dino ist auch nur ein mediales Gefäß: Unser Bild vom Saurier hat sich in den vergangenen zwei Jahrhunderten ständig gewandelt. Diese Wandlung zeichnet das Buch von Alexis Dworsky in sechs idealtypischen Saurierbildern nach. Aufgrund der Ähnlichkeit fossiler Zahnfunde mit heutigen Echsenzähnen sah man den Saurier zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts als überdimensionale Eidechse. Die Frage nach dem Erscheinungsbild stellte sich nicht.

Es galt lediglich, die Größe der Tiere zu ermitteln. Im viktorianischen Zeitalter entstanden erstmals dreidimensionale Rekonstruktionen: Im Park des Londoner Kristallpalasts ließ man lebensgroße Modelle errichten. Vom anatomischen Bauplan der Echse losgelöst, glichen die Dinos stämmigen Rhinozerossen. Aus baustatischen Gründen mussten die Beine unter die schweren Körper wandern. Anstatt zu kriechen, symbolisierten die Saurier Fortschritt und Vormachtstellung des britischen Empire.

Im zwanzigsten Jahrhundert begann die Ära, in der sich Interpretationen statt auf einzelne Zähne oder isolierte Knochen auf vollständige Skelette stützten. Dworsky beschreibt die damit verbundene Veränderung des Dinosaurierbilds vom statischen Vierbeiner zum dynamischen Zweibeiner vor dem Hintergrund des Ideals der Geschwindigkeit. Darüber hinaus sieht er im frühen Trickfilm Gründe für die zunehmende Agilität der Saurier. "Gertie the Dinosaur", einer der ersten Zeichentrickfilme, entstand im Jahr 1914. Die Visualisierung des hüpfenden und tanzenden Dinos gilt als Innovation der frühen Filmgeschichte. Primäres Thema ist die von der Wirklichkeit befreite Bewegung selbst.

Das für die Moderne idealtypische Saurierbild ist Dworsky zufolge das des schwerfälligen Kolosses. Es schlug die Stunde des Brontosaurus, der viele Darstellungen dominierte. Die statischen Skelettrekonstruktionen im Museum entsprechen nach Dworskys Auffassung dem Leitgedanken der Stabilität. Abermals beeinflussten baustatische Notwendigkeiten das gängige Bild. Um den schweren Kopf zu stützen und die Wirbel zu stabilisieren, mussten große Skelette in beinahe senkrechter Körperhaltung aufgebaut werden. Erst später sollten veränderte Rekonstruktionsmethoden, beispielsweise die Verwendung leichter künstlicher Materialien statt schwerer fossiler Knochen, dynamischere Skelettposen erlauben. Einen weiteren Grund für die moderne Schwerfälligkeit sieht Dworsky im Trickfilm. Neben der Stop-Motion-Technik griff man für die Dinodarstellung zunehmend auf mechanisch animierte Attrappen und Schauspieler in schweren Saurierkostümen zurück.

Für das Atomzeitalter wählt der Autor den Begriff des "Schizosaurus". Das Nebeneinander friedfertiger vierbeiniger Pflanzenfresser und bösartiger zweibeiniger Fleischfresser entspreche der Spaltung der Welt im Kalten Krieg. Zentral ist die Godzilla-Deutung im Kontext der Kernspaltung. Godzilla, das aus Atomtests entstandene Ungeheuer, wird zur Metapher für die nukleare Vernichtung. Konsequenterweise ist das postmoderne Saurierbild ein komplexes Vorstellungsgeflecht im Zeichen der Globalisierung: Der postmoderne Dinosaurier ist lebhaft, wendig, klug, schnell, global, kunterbunt, in Herden lebend, in Meuten jagend und somit ein Sinnbild für Mannigfaltigkeit und Multikulturalismus. Als Paradebeispiel dient das "Multikulti-Urwald-Paradies" aus dem Zeichentrickfilm "In einem Land vor unserer Zeit" (1988).

Den wohl unumgänglichen Clou der Studie bildet die Wiederbelebung der Saurier. Zur finalen Auferstehung wird die Medienphilosophie Baudrillards bemüht. Baudrillard folgert aus der medialen Reproduktion der Welt die Ununterscheidbarkeit von Faktizität und Vorstellung. Dadurch avanciere das Künstliche selbst zum Zentrum der Realität. In Anlehnung an diese These will Alexis Dworsky zeigen, dass "auch der postmoderne Saurier seine Bindung an die fossile Referenz abstreift". Die digitale Animationstechnik von "Jurassic Park" entwerfe derart realistische Saurier, dass ihr Abbild das Original ersetzt: "Die artifiziellen Dinosaurier haben die echten verdrängt."

Als die bislang avancierteste Darstellung wertet Dworsky die Dokumentarsendung der BBC "Walking with Dinosaurs" (1999). Die Dinosaurier werden darin mit verwackelter Handkamera begleitet und unter scheinbarem Einsatz einer Wärmebildkamera beobachtet. Die Bildästhetik des Tierdokumentarfilms soll maximale Authentizität suggerieren. In einer Szene lässt der Atem eines Tyrannosaurus die Linse beschlagen.

Der Gegenüberstellung von Fakt und Fiktion respektive Natur und Kultur entnimmt der Autor den Anspruch, statt empirisch überprüfbarer Aussagen "eher Interpretationen" zu liefern. Die an zahlreichen Beispielen illustrierte, amüsant gestaltete Studie popkultureller Ikonographie bemüht ihrerseits populärwissenschaftliche Thesen. Dies ist weniger ein Mangel der Arbeit denn Ausdruck einer Diagnose, die Dworsky beim Nachvollzug des konfusen Wandels unseres Saurierbildes zu stellen versäumt - das zeitdiagnostische Potential der Dinosaurier.

Der Arbeit fehlt die grundlegende Analyse, wie sehr der Dinosaurier für die kulturgeschichtliche Ausdeutung und Ausbeutung prädestiniert ist. Er besitzt eine im Tierreich einmalige Variationsbreite, die vom Paradies bis zur Apokalypse reicht. Ideologiebefreit und kulturell unbesetzt, bildet er eine Art ideale Chiffre. Als gleichzeitiges Symbol für Macht und Untergang, Bedrohung und Bedrohtheit kann er für jede politische Aussage einstehen.

NADJA WÜNSCHE

Alexis Dworsky: "Dinosaurier!" Die Kulturgeschichte.

Wilhelm Fink Verlag, München 2011. 237 S., Abb., br., 29,90 [Euro].

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