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Die objektive Rechtsordnung haben Sie bereits studiert. Doch Juristen arbeiten mit Menschen, und menschliches Verhalten folgt einem anderen Satz Regeln: denen der Psychologie. Dieses Werk vermittelt Ihnen sichere Kenntnis jener sozialer Einflüsse, Urteilsheuristiken und statistischer Fehlschlüsse, die unser aller tägliches Denken und Handeln bestimmen. Ob im Kontakt mit Fachkollegen, Verfahrensparteien oder Zeugen, die empirische Experimentalforschung zeigt systematisch auf, mit welchen psychologischen Phänomenen Sie in allen typisch juristischen Berufssituationen rechnen können, um…mehr

Produktbeschreibung
Die objektive Rechtsordnung haben Sie bereits studiert. Doch Juristen arbeiten mit Menschen, und menschliches Verhalten folgt einem anderen Satz Regeln: denen der Psychologie. Dieses Werk vermittelt Ihnen sichere Kenntnis jener sozialer Einflüsse, Urteilsheuristiken und statistischer Fehlschlüsse, die unser aller tägliches Denken und Handeln bestimmen. Ob im Kontakt mit Fachkollegen, Verfahrensparteien oder Zeugen, die empirische Experimentalforschung zeigt systematisch auf, mit welchen psychologischen Phänomenen Sie in allen typisch juristischen Berufssituationen rechnen können, um Kunstfehler zu vermeiden, sich nicht selbst mental ein Beinchen zu stellen und Ihr Handwerkszeug zugunsten aller Beteiligter erheblich zu schärfen.Das in Forschung und Praxis erfahrene Expertenteam Effer-Uhe/Mohnert vereint die Fachrichtungen Psychologie und Rechtswissenschaften in diesem einzigartigen Lehrbuch speziell für die Bedürfnisse der juristischen Fakultät und Berufstätigkeit.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.04.2019

Der Gebrauchtwagen-Trick
Nützt Wirtschaftsanwälten psychologisches Wissen?

Dass die Fernsehserie "Tatort" mit der Realität nicht viel zu tun hat, ist wohlbekannt. Die Ermittlungsarbeit wird darin gern atypisch dargestellt. Der Zeugenbeweis bei der Täterbeschreibung? Im Fernsehen oft der Schlüssel zum Erfolg; in der Praxis hochproblematisch, wie es nun auch in einem neuen Lehrbuch heißt: "In einem Feldexperiment, bei dem Probanden kurzzeitig im Rahmen einer Wegbeschreibung mit der Zielperson interagierten, zeigte sich, dass schon im unmittelbaren Anschluss an die Begegnung die Trefferquote nur bei 70 Prozent lag. Nach zwei Stunden betrug sie nur noch 54 Prozent und lag damit nur knapp über dem Zufall. Auch bei Gegenüberstellungen und Lichtbildvorlagen ist die Fehlerquote - selbst bei sachgerechter Durchführung - bemerkenswert hoch. Überschätzen Sie daher ihren Nutzen im Rahmen der Beweiswürdigung nicht!", warnen Daniel Effer-Uhe und Alica Mohnert in ihrem Werk "Psychologie für Juristen". Es bietet einen kompakten Überblick über ein Thema, das in der juristischen Ausbildung kaum auftaucht.

Beschreibt das Buch aber tatsächlich Konzepte, "die für die berufliche Praxis so gut wie jeder juristischen Berufsgruppe von eminenter Bedeutung sind"? Tatsächlich sind Zeugenvernehmung und Beweiswürdigung, die den Kern des Buches ausmachen, für Richter unterer Gerichte von besonderer Bedeutung - vor allem im Strafprozess. Für diese Zielgruppe gibt es freilich schon ausreichend Spezialliteratur. Dort findet sich auch die in diesem Buch wiederholte Warnung vor dem niedrigen Aussagegehalt von Phantomzeichnungen. Deshalb sieht man diese häufiger im "Tatort" als in der Realität. Aber benötigen etwa Wirtschaftsanwälte solche psychologischen Kenntnisse?

Am ehesten wird man das noch beim Thema Verhandlungsführung bejahen können. Effer-Uhe und Mohnert widmen dem Thema auch einige Seiten; erwähnen dabei das bekannte "Harvard-Konzept" in einer Fußnote, verzichten aber leider darauf, dessen Grundprinzipien darzustellen. Stattdessen präsentieren sie klassische Verkaufs- und Verhandlungstechniken wie das sogenannte "Low-balling", was das Hervorrufen der Illusion meint, sich schon unwiderruflich für einen Vertrag entschieden zu haben, obwohl die Verhandlungen noch nicht zu einer bindenden Einigung gekommen sind. Als Beispiel dient den Autoren das bekannte Beispiel des amerikanischen Gebrauchtwagenhändlers: "Der Verkäufer lockt den potentiellen Käufer zunächst mit einem zu niedrigen Preis. Sobald der prospektive Käufer sich - vielleicht nach einer kleinen Probefahrt - entschieden hat, bittet der Verkäufer ihn, allerlei Formulare auszufüllen und letzten Endes einen Scheck über eine Anzahlung auszustellen. Mit diesem Scheck geht der Verkäufer dann zu seinem Chef ins Büro. Zehn Minuten später kommt er zurück und behauptet mit betroffener Miene, er habe sich verrechnet, das Auto sei, wie ihm sein Chef mitgeteilt habe, etwas teurer."

Es zeige sich durch empirische Forschung, dass unter diesen Umständen mehr Menschen den Vertrag abschließen, als wenn der teurere Preis sofort genannt worden wäre. So weit, so gut. Nach europäischem Recht sind solche Tricksereien allerdings gar nicht mehr möglich. Das geben auch die Autoren zu, wenn sie anmerken, dass der Kaufvertrag nach deutschem Recht wohl bereits zum niedrigeren Preis geschlossen worden wäre. "Das Gebrauchtwagen-Beispiel soll hier vorrangig der Illustration der Verhandlungstechnik dienen", merken sie an.

Leider müssen in der Rechtspsychologie viele Erkenntnisse aus den Vereinigten Staaten übernommen werden, da Studien aus Deutschland fehlen. So heißt es bei einem Beispiel aus dem Geschworenensystem, dass sich die Untersuchung "auf die Tätigkeit eines deutschen Richters nicht ohne weiteres übertragen" lasse. Was folgt, ist eine versuchte Adaption der Ergebnisse, die vor Konjunktiven nur so strotzt - was wissenschaftlich korrekt ist, da eine hinreichende empirische Überprüfung noch aussteht. Dem Leser hilft das aber nicht weiter. Überhaupt wäre es sinnvoller gewesen, die psychologischen Erläuterungen jeweils stilgleich an einer konkreten Situation der juristischen Lebenswelt festzumachen. Bei der Lektüre bleibt unklar, welche Themen weshalb ausgewählt wurden.

Die Rolle von Psychologen im Rechtssystem bleibt etwa nur fragmentarisch erwähnt. Dankenswerterweise wird der tragische Fall Mollath referiert, die Folgerung, die sich aus dem bayrischen Justizskandal ergibt, bleibt aber dünn: Man soll nach einem Gutachten zur Täterpersönlichkeit einen zweiten Gutachter befragen, ob das betrachtete Verhalten in der konkreten Situation nicht auch von einem Gesunden hätte gezeigt werden können. Und dann? Zu oft hängen Erkenntnisse in der Luft und stellen sich dem Leser dar als ein Mix aus Weisheiten à la Rolf Dobelli ("Kunst des klaren Denkens"), altbekannten Fallbeispielen (Milgram-Experiment) und ausführlichen Erläuterungen bei Themen, zu denen die Autoren forschen (Wormser Missbrauchsprozesse).

Etwas ungewöhnlich erscheinen zudem die "Kritischen Bemerkungen zur Psychoanalyse" im Eingangskapitel. Letztlich sei Psychoanalyse eine "ideologische Pseudowissenschaft". Im Ergebnis mag der Schlussfolgerung zuzustimmen sein, trotzdem bleibt der Eindruck zurück, dass die Autoren hier recht verbissen als Teil eines Kampfes um Deutungshoheit agieren. Dann hilft auch der Ratschlag nicht viel, dass man sich als Jurist vor zahlreichen Vertretern dubioser Ideen in Acht nehmen soll, die wissenschaftliche Standards der klinischen Psychologie nicht standhalten können. Ihre Einladung, dazu einen Blick in die Literatur zu werfen, garnieren sie in der Fußnote mit zwei englischsprachigen Monumentalwerken (eines davon ist in Deutschland nur in einem einzigen Bibliothekskatalog auffindbar) und einer ebenfalls englischsprachigen Serie auf einem Youtube-Kanal. Welcher Leser wird sich dem widmen wollen?

JOCHEN ZENTHÖFER

Daniel Effer-Uhe / Alica Mohnert: Psychologie für Juristen. Nomos, Baden-Baden 2019. 214 Seiten. 29 Euro.

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