"Instagram statt Latzhose, Pose statt Protest, eine sehr kluge Analyse." STERN
Der Feminismus hat in den vergangenen Jahren einen erstaunlichen Imagewandel hingelegt. Superstars verleihen sich mit kämpferischen Ansagen gegen Sexismus eine politische Note, für Werbekampagnen gehören heute Erzählungen über weibliche Selbstbestimmung zum Standardwerkzeug, der Ruf nach "Empowerment" prägt die Karriereliteratur mit feministischem Anstrich. Was hat es mit diesem Hype auf sich? Der Konsumkapitalismus hat schon früh erkannt, dass die Anliegen der Frauenbewegung für ihn nützlich sind. Der markttaugliche Feminismus verlagert die Arbeit: weg von politischen Forderungen für alle, hin zur Arbeit an und für sich selbst. Welche Gefahren birgt diese Individualisierung, befeuert durch Social Media, für den Diskurs über Gleichberechtigung? Beate Hausbichler zeigt auf, wo überall Feminismus in dicken Lettern draufsteht obwohl nur Selbstoptimierung, Selbstdarstellung und Konsum drinsteckt - und welches Risiko das für eine politische Bewegung bedeutet.»
Der Feminismus hat in den vergangenen Jahren einen erstaunlichen Imagewandel hingelegt. Superstars verleihen sich mit kämpferischen Ansagen gegen Sexismus eine politische Note, für Werbekampagnen gehören heute Erzählungen über weibliche Selbstbestimmung zum Standardwerkzeug, der Ruf nach "Empowerment" prägt die Karriereliteratur mit feministischem Anstrich. Was hat es mit diesem Hype auf sich? Der Konsumkapitalismus hat schon früh erkannt, dass die Anliegen der Frauenbewegung für ihn nützlich sind. Der markttaugliche Feminismus verlagert die Arbeit: weg von politischen Forderungen für alle, hin zur Arbeit an und für sich selbst. Welche Gefahren birgt diese Individualisierung, befeuert durch Social Media, für den Diskurs über Gleichberechtigung? Beate Hausbichler zeigt auf, wo überall Feminismus in dicken Lettern draufsteht obwohl nur Selbstoptimierung, Selbstdarstellung und Konsum drinsteckt - und welches Risiko das für eine politische Bewegung bedeutet.»
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Hannah Bethke bedauert es, dass Beate Hausbichler in ihrem Buch nur alten Wein in neuen Schläuchen serviert. Der Gedanke, der Kapitalismus korrumpiere alles, auch den Feminismus, wie die Autorin moniert, ist für Bethke nicht neu. Dergleichen hat sie schon bei Eva Illouz gelesen. Wenn Haubichler das "Feminist-Washing" in den sozialen Medien, der Werbung und in Unternehmen beklagt und Regulierung empfiehlt (wie genau, erklärt sie laut Bethke leider nicht), scheint es der Rezensentin recht wohlfeil kapitalismuskritisch zuzugehen. Ein genauerer analytischer Blick auf die rückwärtsgewandten Tendenzen im Feminismus und weniger Altbekanntes hätte dem Buch gut getan, findet sie.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.05.2021Diskriminierung zählt nur im Plural
Der Kapitalismus ist schuld: Beate Hausbichler möchte ergründen, warum der Feminismus nicht mehr hält, was er verspricht
Manchmal beschleicht einen das Gefühl, es gebe keinen Fortschritt in der Welt. Über siebzig Jahre ist es her, dass Simone de Beauvoir in ihrem Klassiker "Das andere Geschlecht" die patriarchalische Gesellschaft so beschrieb: "Die Vorstellung von der Welt ist, wie die Welt selbst, das Produkt der Männer: Sie beschreiben sie von ihrem Standpunkt aus, den sie mit dem der absoluten Wahrheit gleichsetzen." Wenn man die feministischen Texte neueren Zuschnitts liest, könnte man meinen, (fast) nichts habe sich geändert. Es sind immer noch die Männer, welche die Welt und ihre Beschreibung prägen. Es gibt immer noch Unternehmen, die bis heute keine einzige Frau in der obersten Führungsetage beschäftigen. Der Gender-Pay-Gap ist nicht überwunden, an den Frauen bleibt die meiste Familienarbeit hängen, und sexuelle Belästigung bleibt ein großes Thema. Was an Rechten erkämpft wurde (eigentlich nicht gerade wenig), ist nicht überall gelebte Wirklichkeit; es bleibt ein langer Weg, bis die Vorurteile gegen Frauen aus den Köpfen verschwunden sind.
Und so nehmen auch die Bücher kein Ende, welche die Ungleichheit der Geschlechter analysieren, beklagen und (meistens) überwinden wollen. Dieses Ziel hat auch die Wiener Journalistin Beate Hausbichler, Jahrgang 1978, die für den Standard arbeitet und dort das frauenpolitische Ressort "dieStandard" leitet. "Der verkaufte Feminismus" heißt ihr neues Buch, das Kapitalismuskritik mit einer Analyse des "wahren" Feminismus verknüpft (der selbstredend niemals im falschen Bewusstsein gedeihen kann).
Das klingt nach altem Wein in neuen Schläuchen - und so liest es sich in vielen Passagen auch. Dass der Konsumkapitalismus Gefühle zu Waren mache, wie Hausbichler beklagt, unser Verständnis von Liebesbeziehungen präge und die Benachteiligung der Frauen verstärke, hat schon die israelische Soziologien Eva Illouz in zahlreichen Büchern erschöpfend analysiert. Erstaunlicherweise hat das ewig gleiche Feindbild noch immer nicht ausgedient: der Kapitalismus. Er ist die Wurzel allen Übels, er soll schuld sein. Und zwar an allem: an unserer Entfremdung, an fehlender Teilhabe, an Diskriminierung und Unterdrückung. Er manipuliert einfach alles, auch den Feminismus.
Hausbichler kritisiert, wie angesagt es heute sei, sich als Feministin zu inszenieren; in den sozialen Medien, in der Werbung, in Serien und Frauenmagazinen. Frauen sollen mit der "neuen ,Sexyness' des Feminismus" erfolgreich sein, selbstbewusst und unabhängig. Sie sollen gemäß "Body Positivity" ihren Körper lieben, wie er ist, und zwar mit Produkten jener Unternehmen, "die uns jahrzehntelang völlig jenseitige Idealvorstellungen von Frauenkörpern eingehämmert haben".
Was Hausbichler hier beobachtet, ist mit anderen Worten nichts anderes als die Logik des Marktes: Er versucht aus den Moden und Werten der Gesellschaft Kapital zu schlagen. Für die ambitionierte Autorin, die in der Tradition der Kritischen Theorie allerorts die Gefahr kapitalistischer Manipulation erblickt, steckt hinter diesem Mechanismus aber noch viel mehr: ein "Feminist-Washing". Das soll etwas Ähnliches bedeuten wie "Greenwashing": Die Unternehmen geben sich feministisch, indem sie etwa Wellness und Pflegeprodukte als Attribut der emanzipierten Frau von heute verkaufen, in Wahrheit aber degradieren sie die politische Bewegung des Feminismus zur Ware und forcieren damit die kapitalistisch grundierte Unterdrückung von Frauen.
Da hilft dann auch jedes noch so gut gemeinte "Empowerment" nicht: Hausbichler begrüßt zwar feministische Bewegungen im Netz, wie sie auf Twitter und Facebook zu beobachten sind, warnt aber zugleich davor, "dass die genutzten großen Plattformen ... uns zutiefst patriarchale und kapitalistische Strukturen zur Verfügung stellen". Für sie ist klar: Ohne Regulierung kann es nicht besser werden. Wer was nach welchen Kriterien regulieren soll und wie sich das mit Demokratie und Meinungsfreiheit verträgt, erläutert sie nicht.
"Progressiver Neoliberalismus" nennt Hausbichler die Transformation der feministischen Idee zu einem "profitablen" Label - ein Begriff der amerikanischen Politologin Nancy Fraser. Auch die Identitätspolitik spielt für Hausbichler eine Rolle. So darf bei ihr eigentlich nur als Feministin gelten, wer auch anderweitig diskriminierungsgefährdet ist. Frauen, die vermögend, beruflich erfolgreich und weiß sind, erklären sich zu Feministinnen? Kann nicht sein. Zumindest sind sie für die Autorin nicht interessant: "Diese Frauen kommen zurecht." Als ob sexuelle Belästigung eine Frage der sozialen Situierung wäre, will sie nur den mehrfach Unterdrückten eine Stimme geben: "Feminismus muss auf der Seite derer stehen, die überlappenden Formen von Diskriminierung ausgesetzt sind."
"Intersektionaler Feminismus" nennt sich diese Form der identitären Exklusion. Und so springt Hausbichler ein ums andere Mal auf Diskursmoden auf, die sich als besonders gesellschaftskritisch gerieren, dabei aber Selbstkritik vermissen lassen und mit neuen ideologischen Grabenkämpfen der Sache einen Bärendienst erweisen.
Dabei hat die Autorin einen richtigen Punkt: In der Tat hat die Selbstvermarktung des weiblichen Körpers mit der feministischen Idee nicht mehr viel zu tun, denn gerade sie wollte der Feminismus einmal bekämpfen. Die allgegenwärtige Norm, so sexy wie möglich sein und aussehen zu müssen, untergräbt den emanzipatorischen Fortschritt. An dieser Stelle wäre es lohnend gewesen, tiefer einzusteigen und die repressiven Tendenzen im Feminismus mit neoliberalem Anstrich, wie Hausbichler ihn beschreibt, fern von altbekannter Kapitalismuskritik und Antidiskriminierungsmanier zu analysieren. Doch solche Einsichten liegen jenseits der ideologischen Präferenzen der Autorin.
HANNAH BETHKE
Beate Hausbichler:
"Der verkaufte Feminismus". Wie aus einer politischen Bewegung ein profitables Label wurde.
Residenz Verlag, Wien 2021. 224 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Kapitalismus ist schuld: Beate Hausbichler möchte ergründen, warum der Feminismus nicht mehr hält, was er verspricht
Manchmal beschleicht einen das Gefühl, es gebe keinen Fortschritt in der Welt. Über siebzig Jahre ist es her, dass Simone de Beauvoir in ihrem Klassiker "Das andere Geschlecht" die patriarchalische Gesellschaft so beschrieb: "Die Vorstellung von der Welt ist, wie die Welt selbst, das Produkt der Männer: Sie beschreiben sie von ihrem Standpunkt aus, den sie mit dem der absoluten Wahrheit gleichsetzen." Wenn man die feministischen Texte neueren Zuschnitts liest, könnte man meinen, (fast) nichts habe sich geändert. Es sind immer noch die Männer, welche die Welt und ihre Beschreibung prägen. Es gibt immer noch Unternehmen, die bis heute keine einzige Frau in der obersten Führungsetage beschäftigen. Der Gender-Pay-Gap ist nicht überwunden, an den Frauen bleibt die meiste Familienarbeit hängen, und sexuelle Belästigung bleibt ein großes Thema. Was an Rechten erkämpft wurde (eigentlich nicht gerade wenig), ist nicht überall gelebte Wirklichkeit; es bleibt ein langer Weg, bis die Vorurteile gegen Frauen aus den Köpfen verschwunden sind.
Und so nehmen auch die Bücher kein Ende, welche die Ungleichheit der Geschlechter analysieren, beklagen und (meistens) überwinden wollen. Dieses Ziel hat auch die Wiener Journalistin Beate Hausbichler, Jahrgang 1978, die für den Standard arbeitet und dort das frauenpolitische Ressort "dieStandard" leitet. "Der verkaufte Feminismus" heißt ihr neues Buch, das Kapitalismuskritik mit einer Analyse des "wahren" Feminismus verknüpft (der selbstredend niemals im falschen Bewusstsein gedeihen kann).
Das klingt nach altem Wein in neuen Schläuchen - und so liest es sich in vielen Passagen auch. Dass der Konsumkapitalismus Gefühle zu Waren mache, wie Hausbichler beklagt, unser Verständnis von Liebesbeziehungen präge und die Benachteiligung der Frauen verstärke, hat schon die israelische Soziologien Eva Illouz in zahlreichen Büchern erschöpfend analysiert. Erstaunlicherweise hat das ewig gleiche Feindbild noch immer nicht ausgedient: der Kapitalismus. Er ist die Wurzel allen Übels, er soll schuld sein. Und zwar an allem: an unserer Entfremdung, an fehlender Teilhabe, an Diskriminierung und Unterdrückung. Er manipuliert einfach alles, auch den Feminismus.
Hausbichler kritisiert, wie angesagt es heute sei, sich als Feministin zu inszenieren; in den sozialen Medien, in der Werbung, in Serien und Frauenmagazinen. Frauen sollen mit der "neuen ,Sexyness' des Feminismus" erfolgreich sein, selbstbewusst und unabhängig. Sie sollen gemäß "Body Positivity" ihren Körper lieben, wie er ist, und zwar mit Produkten jener Unternehmen, "die uns jahrzehntelang völlig jenseitige Idealvorstellungen von Frauenkörpern eingehämmert haben".
Was Hausbichler hier beobachtet, ist mit anderen Worten nichts anderes als die Logik des Marktes: Er versucht aus den Moden und Werten der Gesellschaft Kapital zu schlagen. Für die ambitionierte Autorin, die in der Tradition der Kritischen Theorie allerorts die Gefahr kapitalistischer Manipulation erblickt, steckt hinter diesem Mechanismus aber noch viel mehr: ein "Feminist-Washing". Das soll etwas Ähnliches bedeuten wie "Greenwashing": Die Unternehmen geben sich feministisch, indem sie etwa Wellness und Pflegeprodukte als Attribut der emanzipierten Frau von heute verkaufen, in Wahrheit aber degradieren sie die politische Bewegung des Feminismus zur Ware und forcieren damit die kapitalistisch grundierte Unterdrückung von Frauen.
Da hilft dann auch jedes noch so gut gemeinte "Empowerment" nicht: Hausbichler begrüßt zwar feministische Bewegungen im Netz, wie sie auf Twitter und Facebook zu beobachten sind, warnt aber zugleich davor, "dass die genutzten großen Plattformen ... uns zutiefst patriarchale und kapitalistische Strukturen zur Verfügung stellen". Für sie ist klar: Ohne Regulierung kann es nicht besser werden. Wer was nach welchen Kriterien regulieren soll und wie sich das mit Demokratie und Meinungsfreiheit verträgt, erläutert sie nicht.
"Progressiver Neoliberalismus" nennt Hausbichler die Transformation der feministischen Idee zu einem "profitablen" Label - ein Begriff der amerikanischen Politologin Nancy Fraser. Auch die Identitätspolitik spielt für Hausbichler eine Rolle. So darf bei ihr eigentlich nur als Feministin gelten, wer auch anderweitig diskriminierungsgefährdet ist. Frauen, die vermögend, beruflich erfolgreich und weiß sind, erklären sich zu Feministinnen? Kann nicht sein. Zumindest sind sie für die Autorin nicht interessant: "Diese Frauen kommen zurecht." Als ob sexuelle Belästigung eine Frage der sozialen Situierung wäre, will sie nur den mehrfach Unterdrückten eine Stimme geben: "Feminismus muss auf der Seite derer stehen, die überlappenden Formen von Diskriminierung ausgesetzt sind."
"Intersektionaler Feminismus" nennt sich diese Form der identitären Exklusion. Und so springt Hausbichler ein ums andere Mal auf Diskursmoden auf, die sich als besonders gesellschaftskritisch gerieren, dabei aber Selbstkritik vermissen lassen und mit neuen ideologischen Grabenkämpfen der Sache einen Bärendienst erweisen.
Dabei hat die Autorin einen richtigen Punkt: In der Tat hat die Selbstvermarktung des weiblichen Körpers mit der feministischen Idee nicht mehr viel zu tun, denn gerade sie wollte der Feminismus einmal bekämpfen. Die allgegenwärtige Norm, so sexy wie möglich sein und aussehen zu müssen, untergräbt den emanzipatorischen Fortschritt. An dieser Stelle wäre es lohnend gewesen, tiefer einzusteigen und die repressiven Tendenzen im Feminismus mit neoliberalem Anstrich, wie Hausbichler ihn beschreibt, fern von altbekannter Kapitalismuskritik und Antidiskriminierungsmanier zu analysieren. Doch solche Einsichten liegen jenseits der ideologischen Präferenzen der Autorin.
HANNAH BETHKE
Beate Hausbichler:
"Der verkaufte Feminismus". Wie aus einer politischen Bewegung ein profitables Label wurde.
Residenz Verlag, Wien 2021. 224 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main