Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 25,00 €
  • Buch mit Leinen-Einband

Das Buch führt in umfassender Weise in die Mythenwelt der römischen Sarkophage ein. Es zeigt, welch große Bedeutung die Mythen für das Leben der Zeitgenossen hatten. Zahlreiche Detailaufnahmen verführen zu eigenen Entdeckungen einer großen Kunst.
Die römischen Sarkophage haben die Nachwelt seit dem Mittelalter vor allem wegen ihrer mythologischen Reliefs fasziniert. Gläubige Symbolisten interpretierten die Bilder als Zeugnisse für einen tiefen Jenseitsglauben der Alten, Positivisten dagegen sahen in ihnen vor allem Reflexe verlorener griechischer Meisterwerke und Materialien der…mehr

Produktbeschreibung
Das Buch führt in umfassender Weise in die Mythenwelt der römischen Sarkophage ein. Es zeigt, welch große Bedeutung die Mythen für das Leben der Zeitgenossen hatten. Zahlreiche Detailaufnahmen verführen zu eigenen Entdeckungen einer großen Kunst.
Die römischen Sarkophage haben die Nachwelt seit dem Mittelalter vor allem wegen ihrer mythologischen Reliefs fasziniert. Gläubige Symbolisten interpretierten die Bilder als Zeugnisse für einen tiefen Jenseitsglauben der Alten, Positivisten dagegen sahen in ihnen vor allem Reflexe verlorener griechischer Meisterwerke und Materialien der Mythenkunde. Heute beschäftigen sich die Spezialisten mit dieser vielfältigen Bilderwelt. Die vorliegende Publikation will die Sarkophagreliefs einem breiteren Publikum erschließen und dabei vor allem zeigen, was für eine zentrale Rolle die Mythenbilder im Leben der Zeitgenossen spielten, wie sie zu den Grabbesuchern sprachen und welche Vorstellungen von Selbstverständnis, Lebensfreude und Lebensgenuß sie vermittelten. Zum anderen aber sollen die zum Teil eigens für diese Publikation angefertigten Aufnahmen die hohe Qualität dieser Reliefkunst vor Augen stellen, zum Nachdenken über die Aussagen der Bilder anregen und zum Genuß der Kunstwerke einladen. Der Text bietet neben einer systematischen Einführung in das Verständnis der Bilder eine Analyse ausgewählter Sarkophage, die auch eine detaillierte Darstellung der jeweiligen Mythen und ihrer Ikonographie enthält.
Autorenporträt
Paul Zanker war Professor für Klassische Archäologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom. Heute lehrt er als Professor für antike Kunstgeschichte an der Scuola Normale Superiore in Pisa.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.05.2004

Damals war dem Tod das Glück verwandt
Sprache der Sarkophage: Paul Zanker und Björn Christian Ewald zeigen, wie die Römer mit ihren Mythen lebten
Man darf vermuten, dass die römischen Sarkophage nicht zu den beliebtesten Werken der antiken Kunst gehören. Die Kleinteiligkeit der figurativen Reliefs, die einen Erzählzusammenhang über die Haupt- und Nebenseiten der Monumente entwickeln, erschwert ihre Lektüre, und das umso mehr, wenn die Sarkophage ein etwas trauriges Dasein in schlecht beleuchteten Museumskorridoren fristen. Doch noch mehr sind es die Bildwelten der Särge, welche die von christlichen Wert- und Jenseitsvorstellungen geprägten Betrachter irritieren: Dionysos mit seinem fröhlich-trunkenen Gefolge aus lärmenden Bacchanten und liebeshungrigen Satyrn sowie nackte Nereiden, die sich mit Seekentauren und Eroten im Wasser tummeln, schmücken einen Großteil der Werke. Diese heitere, ja „irdische” Welt entspricht so gar nicht dem, was wir von sepulchraler Kunst erwarten. Und auch die archäologische Forschung stellte sich stets die Frage, wie solche Bilder unbeschwerten Lebens auf Särgen eigentlich gemeint seien. Schildern sie „fröhliche Gefilde”, welche den Verstorbenen nach den Strapazen des Lebens erwarten, wie es die noch ganz in christlichen Erlösungsvorstellungen befangene frühe Sarkophagforschung überlegte? Verweisen die auf Delphinen reitenden Eroten symbolisch auf die Reise der Seelen über das Meer? Oder waren die klassischen – also griechischen – Mythen den Römern lediglich Chiffren für Bildung und hatten mithin gar keine lebensweltliche Relevanz für sie?
Der Felsen weint
Auch der neue, hervorragend ausgestattete Band zur mythologischen Bildwelt der römischen Sarkophage, der neben Paul Zankers systematischer Abhandlung ein von Björn Christian Ewald verfasstes Kompendium zur Ikonographie einzelner Mythen enthält, geht von der Frage nach der Bedeutung der Reliefs aus. Zanker kann sie deshalb so überzeugend beantworten, weil er bei der Rekonstruktion der spezifischen visuellen Vermittlung der Mythen im Bild von der konzentrierten Analyse einzelner Werke ausgeht und dabei aufzeigt, welche Episoden aus welchen Mythen verbildlicht wurden, wie diese erzählt wurden und was dabei eliminiert oder transformiert wurde.
So erhält auf einem in Ostia aufbewahrten Sarkophag Achills Beweinung des vor Troja gefallenen Helden Patroklos durch ein Detail einen aussagekräftigen Akzent: Ein Wasserkrug verweist auf die der Aufbahrung des Toten vorausgegangene Waschung, obwohl weder Waschung noch Beweinung in der Erzählung Homers irgendeine Rolle spielen. Bezeichnenderweise ähneln die Darstellungen jedoch dem Begräbniszeremoniell des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts, also der Entstehungszeit des Sarkophags. Eine solche Überlagerung der trojanischen Szenerie mit Elementen der konkreten Lebens- und Vorstellungswelt der zeitgenössischen Bildbetrachter ist, wie Zanker plausibel macht, wirkungsästhetisch motiviert: Die im Bild formulierte Trauer und Verzweiflung bietet den Angehörigen des Verstorbenen die Möglichkeit zur emotionalen Teilhabe, und auf diese Weise konkrete Lebenshilfe.
Und dieses identifikatorische Potenzial der Mythen wurde tatsächlich genutzt, wie wir durch das Grabepigramm einer Mutter wissen, die den Verlust ihres Kindes beklagt: „Immerdar werde ich gleich Niobe wie eine zu Stein gewordenen Tränenflut” – verfügt der Niobe-Mythos doch über ein besonders anschauliches Bild für den lähmenden Schmerz der Hinterbliebenen. Noch der Felsen, in den die Mutter versteinerte, nachdem Apoll ihre vierzehn Kinder umgebracht hatte, soll geweint haben. Die Mythen boten den Römern also eine „Überwelt”, in der sie „die Erfahrungen ihrer eigenen Lebenswelt spiegeln und in überhöhter Form wahrnehmen” konnten.
Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die auf den Särgen oft zu beobachtende Überblendung der Gesichter der mythologischen Figuren mit den individuellen Zügen der Verstorbenen. Leicht kurios mutet dies auf einem in der römischen Villa Borghese aufbewahrten Sarkophag aus dem frühen dritten Jahrhundert an, der die Liebesgöttin Venus in einer von zwei muskulösen Meerkentauren gehalten Muschel zeigt. Dabei greift das Bild der Göttin auf den Typus der kauernden Aphrodite zurück, der auf eine berühmte hellenistische Skulptur zurückgeht. Doch auch hier sind gerade die Abweichungen vom tradierten Formenvokabular signifikant: Denn diese „Venus” trägt nicht nur die Gesichtszüge der Verstorbenen und die modische Frisur ihrer Zeit, sondern sie verhüllt auch mit ihrer linken Hand ihre Scham. Schönheit, jedoch nicht Schamlosigkeit sollte man der uns leider namenlos gebliebenen Dame nachsagen.
Wenn Szenen der Trauer und des Schmerzes für ihre Betrachter die konkrete Funktion des Trostes mittels der Einfühlung in das Schicksal der homerischen Helden hatten, wie erklären sich dann die Bildwelten der so genannten „Meerwassersarkophage”, zu denen auch der Venus-Sarg der Villa Borghese zählt? Schildern diese doch weniger Handlungen als bloße Zustände, und zwar solche des Glücks und der Unbeschwertheit, des liebenden und des erotischen Begehrens ihrer mischwesenhaften Bewohner?
Gelage im Grab
Zankers Antwort auf diese Frage geht von der praktischen Funktion der Sarkophage aus. Diese standen den Angehörigen der Verstorbenen ja immer wieder vor Augen, wenn sie an Totengedenktagen festliche Mähler in den Grabkammern abhielten. Dass die Hinterbliebenen auf Dauer Bilder des Lebensglücks mehr bedurften als solchen heftigen Schmerzes und der Trauer, ist plausibel. Und auch diese Parallelisierung der mythologischen mit der Lebenswelt der Betrachter wird auf einem Sarkophag im Fitzwilliam Museum in Cambridge explizit vollzogen, wenn auf dem Sarkophagkasten der Weingott Dionysos mit seinem Thiasos auftritt, der Deckel jedoch ein feierliches Gelage in einem Grab ohne jeden mythologischen Bezug zeigt.
Es ist dieser sensible und zugleich vielfältige interpretatorische Umgang mit Bildern, der die Studie so faszinierend macht. Zanker zeigt, wie die Reliefdarstellungen prospektive Wünsche formulieren, der Repräsentation der Tugenden der Verstorbenen dienen und den Hinterbliebenen emotionalen Halt bieten können. Darüber hinaus sind sie für uns visuelle Quellen der Wertewelt und des Wertewandels ihrer Betrachter.
Zankers sprachliche Eleganz ist dazu angetan, uns die Augen für eine Kultur zu öffnen, die uns heute ferngerückt ist – weil ihr im sepulchralen Bereich Formulierungen unbeschwerten Lebensglücks bildwürdig waren.
VALESKA VON ROSEN
PAUL ZANKER, BJÖRN CHRISTIAN EWALD: Mit Mythen leben. Die Bildwelt der römischen Sarkophage, Hirmer Verlag München 2004, 389 S., 75 Euro.
Der Elefant ist sehr galant: Dionysos kehrt im Triumph aus Indien zurück. Um 200 n. Chr.
Abb. aus dem bespr. Band
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Römische Sarkophage irritieren, weiß Valeska von Rosen. Sie stehen meistens in "schlecht beleuchteten Museumskorridoren", die Reliefs sind in ihrer Kleinteiligkeit schwer zu entziffern, vor allem aber entspricht ihre von heiteren dionysischen Vergnügungen erzählende Bildsprache so gar nicht dem, was man, eine christliche Prägung vorausgesetzt, von "sepulchraler Kunst" erwartet. Was hat das zu bedeuten, fragen sich die Archäologen - ging es den Römern um die Bebilderung jenseitiger "fröhlicher Gefilde" oder nur um inhaltleeren Bildungsprunk? Paul Zanker beantwortet die Frage in diesem "hervorragend ausgestatteten Band" zur vollen Zufriedenheit der Rezensentin, indem er anhand genauer Einzelanalysen die künstlerische Adaption der Mythenwelt nachvollzieht und gerade an Hand der dabei vorgenommenen Abweichungen nachweist, dass die Römer sich "ihr identifikatorisches Potential" zunutze machten. Die Verstorbenen wurden quasi zu Akteuren des im Relief neu belebten Mythos, das (im Falle von Trauerszenen) unmittelbar Trost spendete oder (im Falle von fröhlichen Szenen) über den Verlust hinweghalf. "Es ist dieser sensible und zugleich vielfältige interpretatorische Umgang mit Bildern, der die Studie so faszinierend macht", schreibt Rosen und kann außerdem noch hinzufügen, dass Zanker sie mit "sprachlicher Eleganz" formuliert hat. Ein Lob ohne jeden Abstrich.

© Perlentaucher Medien GmbH
…mehr