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Produktdetails
  • Verlag: Theseus
  • Seitenzahl: 399
  • Abmessung: 215mm
  • Gewicht: 590g
  • ISBN-13: 9783896201324
  • ISBN-10: 3896201328
  • Artikelnr.: 07894148
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.08.1999

Gänsefederleichtes Leben
Zur Wechselwirkung von Zen-Buddhismus und militantem Nationalismus

Brian (Daizen) A. Victoria: Zen, Nationalismus und Krieg. Eine unheimliche Allianz. Aus dem Englischen von Theo Kierdorf in Zusammenarbeit mit Hildegard Höhr. Theseus Verlag, Berlin 1999. 399 Seiten, 48,- Mark.

Die Wechselwirkung zwischen Religion und Staat ist so alt wie die Institutionen selbst. Die oft spannungsvollen Beziehungen zwischen Christentum und Staat sind Teil der Geschichte. Das nicht weniger gespannte Verhältnis zwischen theokratischem Islam und säkularem Staat ist Teil der Gegenwart. Weniger wissen wir vom Buddhismus, der in Europa eine Randerscheinung geblieben ist. Aber für weite Teile Asiens ist er eine bestimmende Kraft von nicht nur religiöser Bedeutung. In der Form des Zen-Buddhismus hat er in diesem Jahrhundert auch das politische Schicksal Japans erheblich beeinflußt - nicht zu Japans Besten.

So die These, die Brian A. Victoria in seinem Buch belegt. Dabei beeindruckt die Fülle des Materials ebenso wie die Klarheit der Gedankenführung. Zurück bleibt der Eindruck einer "unheiligen Allianz" von Buddhismus und Militarismus, die Japan zwischen 1868 und 1945 eingegangen ist. Die Wurzeln dieser Verbindung liegen sowohl in der Symbiose wie in der Konkurrenz mit dem Staatskult des Shinto, neben dem sich der aus China über Korea importierte Buddhismus in Japan behaupten mußte.

In der Zeit der Tokugawa-Shogune wurden die buddhistischen Kleriker zu gehorsamen Dienern der Regierung. Das sollte ihnen jedoch nichts helfen, als 1868 der junge Kaiser Meiji die Trennung von Shintoismus und Buddhismus dekretierte und 40 000 buddhistische Tempel im Lande schließen ließ. Während die Regierung bald erkannte, dass sie den Bogen überspannt hatte, schien es den Führern eines "Neuen Buddhismus" geraten, zu demonstrieren, dass auch der Buddhismus dem Thron gegenüber loyal sein und die patriotische Gesinnung und die Einheit der Nation wirkungsvoll unterstützen könnte. Die buddhistischen Reaktionen auf die japanischen Expansionsbestrebungen gegen China (1894/95) und Rußland (1904/05) liefern dafür das Beispiel. Dabei wird früh auf die Verbindung von Zen und Krieg verwiesen, wenn der buddhistische Reformer Kato 1895 Zen eine besondere Art von Kraft zuspricht, die den Soldaten in besonderem Maße anspreche.

Zum Klassiker wurden die Schriften des Zen-Schülers D. T. Suzuki, für den es die Aufgabe der Religion ist, "zuallererst die Existenz des Staates zu erhalten, denn dadurch zollt sie seiner Geschichte und den Gefühlen des Volkes Achtung". Dies schließt die Anwendung von Gewalt ein wie auch den Verlust des eigenen Lebens, das "unsere Soldaten . . . als so leicht wie Gänsefedern" betrachten.

Als zu Beginn des russisch-japanischen Krieges der russische Dichter und Pazifist Leo Tolstoi sich in der Hoffnung an Shaku Soen wandte, gemeinsam den Krieg zwischen den beiden Nationen zu verurteilen, belehrte ihn dieser, dass Buddha zwar zu töten verboten habe, doch habe er auch gelehrt, "dass niemals Frieden herrschen wird, solange nicht alle fühlenden Wesen durch das Üben unendlichen Mitgefühls miteinander vereint sind. Deshalb ist es statthaft zu töten und Krieg zu führen, wenn dies dazu dient, auf andere Weise nicht zu vereinbarende Dinge in Einklang zu bringen."

Der in den dreißiger Jahren entwickelte "Buddhismus des Kaiserlichen Weges" unterwarf die buddhistischen Institutionen dem Primat des Staates und seiner Politik, wobei sich Herrscher und Buddha in einer "göttlichen Einheit" verdichten. Anlässlich des Überfalls auf China verpflichtet sich die panbuddhistische Organisation Myowa Kai, an der "spirituellen Mobilisierung des Volkes" mitzuarbeiten, während führende Buddhisten den "gerechten Krieg" gegen das (auch) buddhistische China begründen, da "Japan den wahren Geist des Buddhismus unter allen Ländern der Welt am besten versteht."

Interessant ist im zeitgenössischen Kontext japanischer Aggression die Verbindung zwischen Zen und "Bushido", dem Geist des Samurai. Hinter dem für Bushido charakteristischen Geist der Selbstaufopferung erscheint Zen als treibende Kraft, als Religion des Willens, die einen lehre, Leben und Tod völlig gelassen gegenüber zu stehen (Suzuki). Die Frage nach der traditionell gewaltfreien und mitfühlenden Haltung des Buddhismus wird dabei von Suzuki in der Weise beantwortet, dass das Schwert des Kriegers den Geist des Bösen vernichte und alles, was dem Frieden, der Gerechtigkeit, dem Fortschritt und der Menschlichkeit im Wege stehe. Für den Krieger aber, so Suzuki, verliert der Tod seinen Stachel, "und hier treffen sich die Schulung des Samurai und des Zen".

Als Reichs-Zen und Soldaten-Zen sind Zen und Bushido im letzten Krieg eine enge Verbindung eingegangen. Niemand hat wohl mehr als Oberstleutnant Goro Sugimoto als "Kriegsgott" (gunshin) die Zen-Ideologie vertreten. "Krieger, die sich für den Kaiser aufopfern, werden nicht sterben. Sie werden ewig leben. Sie sollten fürwahr Götter und Buddhas genannt werden, für die es weder Leben noch Tod gibt." Nach der Lektüre des Buches scheint es vom Zen zum Kamikaze ein kurzer Weg.

In der deutschen Ausgabe seines Buches untersucht Victoria, wieweit der Zen in seiner zeitgenössischen Prägung "den militärischen Geist des nationalsozialistischen Deutschland" beeinflußt habe. Er bezieht sich dabei auf den Einfluß der Werke Suzukis, dessen "Essenz des Bushido" 1939 in deutscher Sprache erschien. Er belegt seine These mit Äußerungen des Geopolitikers Karl Haushofer und dessen Schülers Rudolf Heß. Vor allem aber zitiert er eine Äußerung Hitlers im Gespräch mit Albert Speer, in dem Hitler es beklagt, dass die Deutschen die falsche Religion besäßen: "Warum haben wir nicht die der Japaner, die das Opfer für das Vaterland als das Höchste ansieht?"

Aber hier interpretiert Victoria mehr, als die Sache hergibt. Das Verhältnis des Nationalsozialismus zu Japan war keineswegs nur von Bewunderung, sondern auch von Misstrauen - und vom Rassedenken - geprägt. Bei manchen Gemeinsamkeiten waren die Japaner zwar militärische Verbündete, aber doch nach ihrer Mentalität sehr fremde Gefährten. Interessant ist aber, dass die Japaner, für die Leben nach buddhistischer Lehre nur ein relativer Wert war, es dennoch vorzogen, der Stimme der Vernunft zu folgen, als der Tenno am 15. August 1945 den Alliierten die Kapitulation anbot und sein Land so vor der völligen Zerstörung bewahrte. Es waren die Deutschen, nicht die Japaner, die erst gläubig, dann gehorsam bis zum Ende kämpften, während ihr Führer sich durch Selbstmord der Verantwortung entzog.

Abschließend stellt sich dem Leser die Frage, ob es sich bei der Verbindung von Zen und Militarismus um einen Irrweg des Zen oder um den Zen als Irrweg handelt. Für den Verfasser besteht kein Zweifel, dass es notwendig ist, den Buddhismus vom "Kidnapping" durch den Zen zu befreien und den Zen wieder in den grundlegenden Lehren Buddhas zu verwurzeln. Dazu gehört für Victoria Distanz zur staatlichen Gewalt, Ablehnung nationalistischen Denkens, Gewaltverbot und ein sozial engagierter Pazifismus. Der Autor, praktizierender Buddhist, hat selbst erfahren, wohin eine solche Haltung führen kann, wurde er doch wegen seiner Opposition gegen den Vietnamkrieg und seiner Unterstützung politischer Gefangener aus Südkorea, Taiwan, der Volksrepublik China und Japan ausgewiesen. Heute unterrichtet er an der Universität Auckland in Neuseeland asiatische Sprachen und Literatur.

ANNE SCHNEPPEN

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