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Der Schriftsteller Marcel Beyer macht uns zu Zeugen eines Abends mit viel Prominenz im Wolfsburger Kunstmuseum anlässlich eines Empfangs zu Ehren von Andreas Gursky. Die scharfzüngigen Bildbeschreibungen des Literaten, der sich auf breit gestreutes und gut zugängliches Fotomaterial stützt, nehmen Anstoß an der Art, wie sich Vorstandsvorsitzende, Fußballtrainer und Schauspielerinnen selbstbewusst vor die Kunst schieben und formuliert damit zugleich einen ironischen Kommentar zu den großformatigen seriell-dekorativen Bildern Gurskys. Marcel Beyers Essay basiert auf einem Vortrag, den der…mehr

Produktbeschreibung
Der Schriftsteller Marcel Beyer macht uns zu Zeugen eines Abends mit viel Prominenz im Wolfsburger Kunstmuseum anlässlich eines Empfangs zu Ehren von Andreas Gursky. Die scharfzüngigen Bildbeschreibungen des Literaten, der sich auf breit gestreutes und gut zugängliches Fotomaterial stützt, nehmen Anstoß an der Art, wie sich Vorstandsvorsitzende, Fußballtrainer und Schauspielerinnen selbstbewusst vor die Kunst schieben und formuliert damit zugleich einen ironischen Kommentar zu den großformatigen seriell-dekorativen Bildern Gurskys. Marcel Beyers Essay basiert auf einem Vortrag, den der Schriftsteller im Frühjahr 2017 zur Eröffnung des DFG-Graduiertenkollegs 2132 "Das Dokumentarische. Exzess und Entzug" an der Ruhr-Universität Bochum gehalten hat. Die Zuhörer von damals reagieren nun schriftlich: mit Kommentaren,Anmerkungen und Entgegnungen.Text: Marcel Beyer & Graduiertenkolleg 2131 (Friedrich Balke, Natalie Binczek, Tabea Braun, Esra Canpalat, Astrid Deuber-Mankowsky, Robert Dörre, Julia Eckel, Oliver Fahle, Katja Grashöfer, Maren Haffke, Sarah Horn, Felix Hüttemann, Niklas Kammermeier, Cecilia Preiß, Matthias Preuss, Stefan Rieger, Simon Rothöhler, Armin Schäfer, Monika Schmitz-Emans, Robin Schrade, Annette Urban, Leonie Zilch)
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hier beschreibt Marcel Beyer nicht nur scharfsinnig die Bilder Andreas Gurskys, die am 13. März 2009 in Wolfsburg ausgestellt wurden, sondern vor allem auch Fotos von ihrer menschlichen Entourage, erklärt Rezensent Andreas Platthaus. Auf diese Weise spiegelt der Autor dem Kritiker zufolge Gurskys Technik, mit einem Blick auf die Oberfläche das Herz der Gesellschaft freizulegen, und gelangt laut Platthaus zu einer "Damnatio" der Kunstszene, der man die Freude ihres Schöpfers an der Demontage deutlich anmerkt. Die Umwandlungen der Fotos von der versammelten (Möchtegern-)Prominenz zu Cartoonbildern durch die Zeichnerin Anna Haifisch zeugen ebenfalls davon, so der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.01.2021

Farce mit Ferres & Co.
Marcel Beyers bitterböser Blick auf die Kunstszene

Im Leipziger Museum der bildenden Künste wartet eine seit vier Wochen fix und fertig aufgebaute Andreas-Gursky-Ausstellung auf die Wiedereröffnung des Hauses. Gursky, der deutsche Weltstar der Fotografie, wurde in Leipzig geboren, doch seine Familie floh sofort danach mit ihm in den Westen, und so wurde er in Düsseldorf groß - in jeder Beziehung. Die erste Retrospektive in seiner Geburtsstadt wird nun später eröffnen, wenn überhaupt. Aber spät war Leipzig ohnehin dran; an Gursky-Schauen und -Ehrungen herrschte in den letzten beiden Jahrzehnten kein Mangel.

Eine davon fand am 13. März 2009 in Wolfsburg statt: "Ein Abend zu Ehren von Andreas Gursky", aus Anlass der Übergabe mehrerer seiner Bilder als Schenkungen oder Leihgaben durch die Volkswagen AG ans dortige Kunstmuseum. Dazu versammelten sich 120 geladene Gäste, und in einem neuen Buch des Schriftstellers Marcel Beyer lässt der "den Blick über die Menschenmenge im Kunstmuseum Wolfsburg gleiten, über in voller Blüte stehende Prominente ebenso wie über vermutlich nie mehr zu voller Blüte gelangende Halbprominente, über Vertreter des Uradels wie Vertreter des Gemüseadels, über Fußballtrainer und Fußballjournalisten, Talkshowmoderatoren und Talkshowgäste, über Vereins- und Vorstandsvorsitzende, Musiker, Maler, allesamt Mover und Shaker, wie sie sich Außenstehenden gegenüber seltsamerweise immer wieder nennen, als wären sie nicht die Mitreisenden oder Lenker weltweiter Geldströme, die sie tatsächlich sind, sondern vielmehr sich selbst Mut zusprechende Besitzer eines mittelständischen Unternehmens weitab der Metropolen, die Anlass sehen, sich um ihre Kreditlinie zu sorgen" - so zieht sich dieser lustvoll spöttische Satz, in den wir bereits mitten hineingetreten sind, noch über eine halbe Seite weiter hin.

Beyer war damals gar nicht dabei. Er hat sich Fotos des Abends angesehen und zum Gegenstand einer Bildbeschreibung gemacht, die an den Oberflächen bleibt, aber ins Herz der Gesellschaft vorstößt. Natürlich verbindet ihn genau das mit Gurskys Fotografie. Doch Beyer hat ersichtlich einen Heidenspaß - auch dadurch, dass er die Zeichnerin Anna Haifisch gebeten hat, einige der Society-Fotos von 2009 zu Cartoonbildern umzuarbeiten, wodurch aus den seinerzeitigen Akteuren gespenstische Figuren geworden sind. Außerdem hat Beyer sich noch einem für ihn ikonischen Bild der vor dem Maler Jörg Immendorff knienden Schauspielerin Veronika Ferres gewidmet und das ganze Buch deshalb "Exzess und Entzug - Ferres vor Gursky, Ferres vor Immendorff" genannt.

Es umfasst auch kluge studentische Texte zu Beyers Text und Gurskys Bildern, die in kleinerer Typographie die groß gesetzte Damnatio unterbrechen - ein Buchschauspiel, das kunstvoll die Spitzen der Gesellschaft und die Spitzenpreise der Kunst als Spitzen gegen den ganzen Betrieb wendet. Verlegt übrigens in Leipzig, bei Spector Books. Was für eine Schau, wenn in der Stadt doch noch beides zusammenkäme: die verspätete Heimkehr des verlorenen Sohnes im Museum und im Museumsladen das Buch, das ein bitterböses Spiel mit ihm und seinen Fans treibt. Möge die Pandemieentwicklung dieser Konstellation gnädig sein!

ANDREAS PLATTHAUS

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