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Im Neuen Rathaus am Münchner Marienplatz, 1867-1909 vom deutsch-österreichischen Architekten Georg von Hauberrisser im neugotischen Stil erbaut, sind historische Fenster aufgereiht wie an einer Perlenkette. Deren Rahmen bilden filigran gearbeitete Steinmetzarbeiten. Anhand dieser Fenster bringt Eberhard Kühnel den Lesern das historische München in spannenden Geschichten und bunten Bildern näher. Dabei erfährt man Interessantes über bekannte Münchner Firmen, beispielsweise Kustermann oder die Brauerei Hacker-Pschorr, aber auch über längst vergessene Traditionsunternehmen wie das Weinhaus Eckl…mehr

Produktbeschreibung
Im Neuen Rathaus am Münchner Marienplatz, 1867-1909 vom deutsch-österreichischen Architekten Georg von Hauberrisser im neugotischen Stil erbaut, sind historische Fenster aufgereiht wie an einer Perlenkette. Deren Rahmen bilden filigran gearbeitete Steinmetzarbeiten. Anhand dieser Fenster bringt Eberhard Kühnel den Lesern das historische München in spannenden Geschichten und bunten Bildern näher. Dabei erfährt man Interessantes über bekannte Münchner Firmen, beispielsweise Kustermann oder die Brauerei Hacker-Pschorr, aber auch über längst vergessene Traditionsunternehmen wie das Weinhaus Eckl oder den Juwelier Rath.Kurzweilig und geschichtlich fundiert erläutert der Autor die teilweise rätselhaften Darstellungen einiger Rathaus-Fenster, die Alexander von Spreti für diese Publikation fotografiert hat. Warum ist das historische New York zu sehen? Oder die mittelalterliche Stadt Alzey? Wer waren die "Breakdancer" im 15. Jahrhundert? Wer bekam anstatt eines Ordens Eier vom Kaiser überreicht? Die Fenster mit ihren unterschiedlichen Motiven ersetzen beinahe eine Stadtrundfahrt.Der AutorEberhard Kühnel, geb. 1957, ist offizieller Gästeführer der Stadt München.Der FotografAlexander von Spreti, geb. 1962. Schwerpunkte seiner Arbeit sind u. a. Reportage und Dokumentation.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.07.2024

Erstaunliches in Glas
Ein Jüngling mit Bockshufen, betuchte Münchner, die Bremer Altstadt: Auf den Glasfenstern im
Rathaus am Marienplatz gibt es einiges zu entdecken, wie nun ein Buch zeigt.
VON WOLFGANG GÖRL
Kommerzienrat Jacobus Bucksath und seine Frau Olga feierten im Jahr 1903 ihre Silberhochzeit, und dieses Jubiläum hinterließ Spuren, die bis heute zu beobachten sind. Es sind eindrucksvolle Spuren, sehr kostbar und von erlesener Schönheit. Wer sie sich anschauen will, muss ins Neue Rathaus gehen, in den neugotischen Koloss am Marienplatz, den der österreichische Architekt Georg von Hauberrisser zwischen 1867 und 1909 in drei Bauabschnitten errichtet hat.
Dort, im ersten Obergeschoss, ist unter anderem ein circa 2,60 mal 2,50 Meter großes, mittelalterlich anmutendes Fenster zu sehen, das ein buntes Abbild der historischen Altstadt Bremens samt Weser zeigt – ein erstaunliches Motiv für ein Münchner Rathaus. Aus dem Kleeblattbogen des oberen Fensterabschnitts schaut ein spätmittelalterlich gekleideter Kaufmann, der das Wappen der Bremer Kaufleute in seiner Rechten hält. Auch andere Wappen ziert das Fenster, auf einem ist eine Kogge abgebildet, das Segelschiff der Hanse.
Seltsam. Warum kündet ein Fenster des Münchner Rathauses vom kaufmännischen Glanz der Hansestadt Bremen? Bei der Antwort auf diese Frage kommt nun Kommerzienrat Bucksath ins Spiel. Bremen war dessen Heimatstadt, er war dort aufgewachsen, ehe er als junger Mann nach München zog. In der Hauptstadt des Königreichs Bayern machte er sein Glück. Bucksath handelte mit Getreide, er gründete ein Unternehmen, das unter anderem die Münchner Brauereien belieferte, die Geschäfte florierten bestens, sodass er sich eine prächtige Renaissance-Villa am Bavariaring leisten konnte.
Als Hauberrissers Behördenpalast immer größere Ausmaße annahm und allmählich der Vollendung entgegenging, betrachteten Bucksath und seine aus Nürnberg stammende Frau Olga den Neubau als Chance, ihrer neuen Heimatstadt mit einer Geste ihre Dankbarkeit zu erweisen. Zur Silberhochzeit stiftete das Paar sechs bunte Fenster für das Rathaus, die der königliche Hofglasmaler Carl de Bouché anfertigte. Zwei der Glaskunstwerke sind der Hansestadt Bremen gewidmet, zwei der Stadt Nürnberg, eines bietet eine historische Ansicht Aschaffenburgs, wo Olga und Jacobus Bucksath geheiratet hatten; auf dem sechsten Fenster ist das edle Spenderpaar selbst zu sehen, er im historischen Gewand eines Bremer Kaufmanns, sie als Nürnberger Bürgerin. Hoch über ihnen schwebt ein Engel mit einer Schriftrolle, auf der geschrieben steht: „Gloria in excelsis deo“ (Ehre sei Gott in der Höhe).
Was es mit diesen und den anderen Schmuckfenstern in Münchens Ratsgebäude auf sich hat, ist nachzulesen in Eberhard Kühnels Buch „Die historischen Fenster im Neuen Rathaus zu München erzählen Geschichte(n)“, das soeben im Kunstverlag Josef Fink erschienen ist. Schon nach wenigen Seiten Lektüre geht einem ein Licht auf: Da schau her, das ist ja total interessant. Welch tolle Geschichten stecken doch hinter den Fenstern! Klar, während der vielen Besuche im Rathaus hat man schon mal das eine oder andere Fenster bewundert, ohne aber länger darüber zu grübeln, was es mit den Bildmotiven auf sich hat. Mei, dachte man, das ganze Gebäude soll ja irgendwie mittelalterlich wirken, da gehören solche Fenster nun mal dazu, genauso wie Kreuzrippengewölbe oder Spitzbögen.
Gottlob hat es sich Eberhard Kühnel nicht so leicht gemacht. Als offizieller Gästeführer der Stadt ist er mit der Historie Münchens vertraut, darüber hinaus aber hat er gründlich in den Archiven gewühlt und jede Menge Wissenswertes über die Glaskunstwerke im Rathaus herausgefunden. So erfährt der Leser, dass um 1900, als die Bauarbeiten dem Ende entgegengingen, betuchte Münchner ihren Geldbeutel öffneten, um zur prächtigen Ausstattung des Rathauses ihr Scherflein beizutragen.
Eine ganze Reihe von Spendern, Privatpersonen ebenso wie Firmen, machte es möglich, den Neubau mit prunkvollen Fenstern zu schmücken. Die gläsernen Wunderwerke entstanden in der Königlich Bayerischen Hofglasmalerei von F.X. Zettler sowie in den Werkstätten von Gustav van Treeck und Carl de Bouché. „Die damaligen Stifter“, schreibt Kühnel, „haben in den Fenstern oft ihre Lebensgeschichte darstellen lassen und dabei auch immer wieder Bezug zu den mit ihnen verbundenen Städten (…) genommen.“ Diese Schätze schienen für immer verloren zu sein, als Fliegerbomben im Zweiten Weltkrieg auch das Neue Rathaus trafen und fast alle Fenster zu Bruch gingen. Gottlob aber hatte Franz-Xaver Hirschbold, ein Nachfahre eines Stifters, in den 1930er-Jahren Schwarz-Weiß-Fotografien einiger Fenster angefertigt und später dem Stadtarchiv überlassen. 1978 tauchten beim Aufräumen im Archiv noch andere einschlägige Fotos auf und zudem Pläne der Glasfenster. Es war nun möglich, anhand der Schattierungen auf den Schwarz-Weiß-Aufnahmen die ursprünglichen Farben zu identifizieren.
Damit hatte man ausreichend Anhaltspunkte, um die Fenster in ihrer alten Pracht zu rekonstruieren. Dies, berichtet Kühnel, „geschah ab den Achtzigerjahren, nachdem Stadtrat Vinzenz Zöttl erfolgreich den Antrag gestellt hatte, die Glasmalereifenster wiederherstellen zu lassen“. Die Aufträge erhielten die Mayer’sche Hofkunstanstalt und – wie in alten Zeiten – die Werkstätten für Mosaik und Glasmalerei Gustav van Treeck. Auch Spender fanden sich wieder, Privatpersonen, Unternehmen und öffentliche Institutionen. Ebenfalls Sponsoren, unter anderem der FC Bayern, ermöglichten es, einige neue Fenster einzubauen, die lediglich farbige Ornamente zeigen, deren Design dem Mittelalter entliehen ist.
Auf einem der historischen Fenster – es befindet sich im ersten Stockwerk – sind zwei Bürgermeister zu bewundern, würdevolle Herren, über denen ein Bild der Stadt München prangt.
Wer dieses Fenster seinerzeit gestiftet hat, fand Kühnel nicht heraus. Umso mehr kann er über die zwei Rathauschefs erzählen, deren Porträts statt der üblichen Steinmetzarbeit ein Holzrahmen umgibt. Aus dem linken Segment blickt Caspar von Steinsdorf auf die Besucher herab, der von 1854 bis 1870 das Amt des Ersten Bürgermeisters in der Stadt bekleidete. Steinsdorf, so Kühnel, hatte „ein unabhängiges Profil, scheute jedoch auch keine Auseinandersetzung mit staatlichen Repräsentanten“.
In Steinsdorfs Amtszeit wuchs die Einwohnerzahl Münchens rasant, die behäbige Residenzstadt wandelte sich allmählich in eine moderne Metropole. Auch ein neues, größeres Rathaus war nötig, um die wachsenden Aufgaben der kommunalen Verwaltung zu bewältigen. Unter Steinsdorfs Regie feierte man am 25. August 1867, dem Geburtstag König Ludwigs II., den Beginn der Bauarbeiten. Münchens Zweiter Bürgermeister war in diesen Jahren der Jurist Anton von Widder, der, wie Kühnel schreibt, ebenfalls „maßgeblich an der Entscheidung beteiligt (war), der Landeshauptstadt München ein neues Rathaus zu verschaffen“. Das hat auch Widder einen Platz im Bürgermeister-Fenster eingebracht, unmittelbar neben seinem Kollegen Steinsdorf.
Unter den Bürgermeister-Porträts ist eine Abbildung des Alten Rathauses zu sehen sowie eine historische Ansicht Ambergs, der Geburtsstadt Caspars von Steinsdorf. Es ist eines der vielen Vorzüge des Buchs, dass es auch immer wieder Details der Glasfenster in Großaufnahme bietet. So wird der Betrachter auf Kleinodien aufmerksam, die beim Blick auf das große Ganze oft untergehen. Überhaupt ist das Bildprogramm vorzüglich.
Fotograf Alexander von Spreti hat exzellente Bilder geschossen, sodass der Leser, der nicht gerade das Glück hat, vor den Originalen zu stehen, einen guten Eindruck über das Farben-, Licht- und Formenspiel dieser filigranen Gebilde gewinnt. Es gibt ja so viel zu bewundern: Jagdszenen und der Gekreuzigte im Hirschgeweih, gestiftet von der Gewehr-Fabrik Carl Stiegele, die Schlacht bei Ampfing (Stifter war die Bäckerinnung), der Bierbaron Joseph Pschorr, natürlich spendiert von der Familie, und vieles mehr. Auch eine Dorfszene Haidhausens – „vor 1870“ verkündet eine Inschrift – ziert eines der Fenster. Die Kirche Johann Baptist ist zu sehen, die Dorfstraße, ein Reiter – Ansichten einer versunkenen Welt.
Besonders überraschend ist ein Fensterpaar, das sich im Eingangsbereich zu den Besuchertribünen der Sitzungssäle befindet: Unter dem US-amerikanischen Wappenadler rauschen die Niagarafälle durchs Rathaus. Auch die Freiheitsstatue ist präsent, dazu die US-Präsidenten George Washington, Abraham Lincoln und andere prominente Amerikaner.
Wie kommt das? Selbstverständlich ist Kühnel auch dieser Frage auf den Grund gegangen. Es ist so: Murdoch Abramowski, ein Jude aus dem heutigen Polen, der in den USA ein Vermögen machte und später als Privatier nach München zog, hat die Fenster gestiftet. Als die USA 1941 in den Krieg eintraten, ließ Oberbürgermeister Karl Fiehler, ein Nazi durch und durch, die zwei Fenster entfernen. Damit entgingen sie der Vernichtung durch Bomben. Vollständig erhalten blieben diese letzten Originale zwar nicht, aber immerhin haben drei Porträtrundbilder den Krieg überstanden. Sie befinden sich heute im Stadtmuseum.
Wer immer demnächst im Rathaus zu tun hat: Er oder sie sollte sich Zeit nehmen, die bunten Fenster zu bewundern – am besten mit Kühnels Buch als Faktenflüsterer.
Eberhard Kühnel: Die historischen Fenster im Neuen Rathaus zu München erzählen Geschichte(n). Kunstverlag Josef Fink, 120 Seiten, 12,90 Euro.
Betuchte Münchner
leisteten ihren Beitrag zur
Rathaus-Ausstattung
Besonders überraschend:
Fenster mit Niagarafällen
und Freiheitsstatue
Die Glasfenster im Rathaus stellen ganz
unterschiedliche Orte, Ereignisse oder
Personen dar: Die Schlacht bei Ampfing (oben), den Bierbaron Joseph Pschorr (li.), eine
Ansicht der Residenzstadt (Mitte) sowie ein Gebäudeensemble vom Königsplatz.
Fotos: Alexander von Spreti
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