This book examines the power of cross-disciplinary thinking. Alexander Wilson was a published poet, an accomplished musician, a skilled artist and an insightful observer. All these skills came together in his truly revolutionary text, American Ornithology, which is the founding document of American ornithology. The elegance of its writing, the novelty of its art, and the excellence of its science make Wilson's Ornithology worth consulting even today, two centuries after its publication.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.08.2013Im Oval Office waren die Vogelkundler unter sich
Ein großer Ahne der Tierdarstellung und ein passionierter Beobachter: Edward H. Burtt und William E. Davis erinnern an den Ornithologen Alexander Wilson.
Am 17. Dezember 1808 ging er einfach zum Weißen Haus und begehrte Einlass, um Thomas Jefferson, dem Präsidenten, seine Mappe mit Bildern amerikanischer Vögel zu zeigen und um eine Subskription des Werkes zu bitten. Er wurde vorgelassen, der gebürtige Schotte Alexander Wilson. Jefferson war schließlich ein begeisterter Vogelbeobachter, hatte sogar eine Artenliste der Vögel Virginias verfasst. Viel anzufangen war damit allerdings nicht, denn für die Vogelarten waren auf ihr nur die mehr oder weniger gebräuchlichen Trivialnamen verwendet. Jefferson missachtete die von Linné bereits festgelegten wissenschaftlichen Namen vermutlich aus Verärgerung über die Meinung der europäischen Naturforscher, dass die amerikanischen Arten nichts weiter als minderwertige Versionen der europäischen seien.
Alexander Wilson hatte als Fabrikarbeiter in Schottland schon in jungen Jahren so viel Aufsehen erregt mit sozialkritischen Gedichten und Essays, dass von Fabrikbesitzern mehrere Gerichtsverfahren gegen ihn angestrengt worden waren. Zuletzt war es besser für ihn, nach Amerika auszuwandern. Dort brachte er es dank seiner sprachlichen und künstlerischen Fähigkeiten zum Lehrer an Provinzschulen. Das Zusammentreffen mit dem damals führenden amerikanischen Ornithologen William Bartram motivierte ihn dazu, ein umfassendes Werk über die Vögel der Vereinigten Staaten ("American Ornithology") zu verfassen. Er entwarf die Bildtafeln, kolorierte sie weitgehend selbst und kümmerte sich um Subskription und Vertrieb seines Werkes. Mit Erfolg, denn sein Buch konnte in neun Teillieferungen erscheinen, von denen er acht selbst erlebte. Es umfasste mit 268 immerhin 77 Prozent der tatsächlich in den Vereinigten Staaten (ohne Alaska) vorkommenden Vogelarten.
An seinem Werk war etwas neu, und zwar auch für das alte (überhebliche) Europa. Wilson zeichnete die Vögel nicht bloß nach mehr oder (meistens) weniger gut gelungenen Präparaten. Er beobachtete sie draußen in der Natur, hielt viele in Käfigen oder in seinen Wohnungen und untersuchte sie gründlich. Er stellte fest, wovon sie sich ernährten, versuchte, möglichst zutreffende Angaben zu ihrem Verhalten, zur Fortpflanzung und zu ihren Wanderungen zu erhalten, und verstand es in für die damalige Zeit einzigartiger Weise, seinen Beschreibungen Lebendigkeit zu geben. Wo er Vermutungen anstellte, weil noch kein hinreichend gesichertes Wissen vorhanden war, regte er zur Überprüfung an. Damit führte er das uns heute selbstverständliche, vor zweihundert Jahren aber noch weitgehend unbekannte biologische Denken in die Freilandornithologie ein. Wilsons Werk überzeugte Präsident Jefferson in jeder Hinsicht. Es bewies die Gleichwertigkeit der amerikanischen und europäischen Vögel und zeigte die Überlegenheit des neuen amerikanischen Ansatzes in der Ornithologie. Der Schotte, der bei Erscheinen der Bände seines Vogelbuchs bereits naturalisierter amerikanischer Bürger geworden war, repräsentierte mit seiner Biographie geradezu perfekt das amerikanische Ideal von unbegrenzten Möglichkeiten für alle, die einfach gut sind, ob "gelehrt" oder nicht. Denn Wilson hatte keinerlei formale Ausbildung, weder als Zoologe noch als Maler. Die amerikanische Forschung profitierte nachhaltig von seinem Buch, dessen Erfolg er allerdings nicht mehr erlebte. Er starb 1813 mit nur siebenundvierzig Jahren an einer Dysenterie.
Wie aber kommt es, dass in Nordamerika, wo das bird watching geradezu Volkssport ist, kaum jemand unter den Millionen Vogelkundlern Alexander Wilson kennt? Nicht einmal die rund 2500 Mitglieder umfassende vogelkundliche Fachgesellschaft, die, wie auch ihr Journal, das "Wilson Bulletin", seinen Namen trägt, bietet Nennenswertes über sein Leben und Wirken. Der Grund liegt, wie nicht selten in der Wissenschaft, in der Konkurrenz. John James Audubon machte das Rennen und gewann den großen Ruhm, obgleich er weit weniger Ornithologe als Alexander Wilson war. Audubon war Wilson zweifellos künstlerisch überlegen, aber nicht, was natürliche Haltung und Bestimmbarkeit der Vögel betrifft. Im Gegenteil, Audubons Vögel wirken zumeist verzerrt in der Haltung, da er tote Exemplare als Vorlage nahm und auf das Papierformat trimmte.
Wilsons früher Tod und der gleich danach einsetzende kometenhafte Aufstieg Audubons bestimmten die Wahrnehmung - bis heute. Die eingängige Schilderung von Leben und Wirken Alexander Wilsons, welche die beiden Autoren nun geben, wird an diesem festgefügten Bild der Entstehung der amerikanischen Ornithologie wohl wenig ändern. Aber man versteht nun besser, warum in den Vereinigten Staaten am Anfang nicht das europäisch-statische, katalogisierende Vorbild stand, sondern ein neues Konzept, das die Vögel als lebendige Wesen den Interessierten nahezubringen versuchte. Die dem Buch beigegebenen Zeichnungen und Farbbilder Wilsons unterstreichen das. Mit ähnlich großem Erfolg revolutionierte ein amerikanisches Vogelbuch, "der Peterson", kurz nach dem Zweiten Weltkrieg die europäische Ornithologie. Dem Künstler Roger Tory Peterson, gleichsam einem geistigen Urenkel Wilsons, verdanken wir die moderne europäische Feldornithologie, die es nicht mehr nötig hat, die Vögel abzuschießen, um sie bestimmen zu können.
JOSEPH REICHHOLF.
Edward H. Burtt/William E. Davis: "Alexander Wilson: The Scot Who Founded American Ornithology".
Harvard University Press, Cambridge/London 2013. 464 S., Abb., geb., 26,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein großer Ahne der Tierdarstellung und ein passionierter Beobachter: Edward H. Burtt und William E. Davis erinnern an den Ornithologen Alexander Wilson.
Am 17. Dezember 1808 ging er einfach zum Weißen Haus und begehrte Einlass, um Thomas Jefferson, dem Präsidenten, seine Mappe mit Bildern amerikanischer Vögel zu zeigen und um eine Subskription des Werkes zu bitten. Er wurde vorgelassen, der gebürtige Schotte Alexander Wilson. Jefferson war schließlich ein begeisterter Vogelbeobachter, hatte sogar eine Artenliste der Vögel Virginias verfasst. Viel anzufangen war damit allerdings nicht, denn für die Vogelarten waren auf ihr nur die mehr oder weniger gebräuchlichen Trivialnamen verwendet. Jefferson missachtete die von Linné bereits festgelegten wissenschaftlichen Namen vermutlich aus Verärgerung über die Meinung der europäischen Naturforscher, dass die amerikanischen Arten nichts weiter als minderwertige Versionen der europäischen seien.
Alexander Wilson hatte als Fabrikarbeiter in Schottland schon in jungen Jahren so viel Aufsehen erregt mit sozialkritischen Gedichten und Essays, dass von Fabrikbesitzern mehrere Gerichtsverfahren gegen ihn angestrengt worden waren. Zuletzt war es besser für ihn, nach Amerika auszuwandern. Dort brachte er es dank seiner sprachlichen und künstlerischen Fähigkeiten zum Lehrer an Provinzschulen. Das Zusammentreffen mit dem damals führenden amerikanischen Ornithologen William Bartram motivierte ihn dazu, ein umfassendes Werk über die Vögel der Vereinigten Staaten ("American Ornithology") zu verfassen. Er entwarf die Bildtafeln, kolorierte sie weitgehend selbst und kümmerte sich um Subskription und Vertrieb seines Werkes. Mit Erfolg, denn sein Buch konnte in neun Teillieferungen erscheinen, von denen er acht selbst erlebte. Es umfasste mit 268 immerhin 77 Prozent der tatsächlich in den Vereinigten Staaten (ohne Alaska) vorkommenden Vogelarten.
An seinem Werk war etwas neu, und zwar auch für das alte (überhebliche) Europa. Wilson zeichnete die Vögel nicht bloß nach mehr oder (meistens) weniger gut gelungenen Präparaten. Er beobachtete sie draußen in der Natur, hielt viele in Käfigen oder in seinen Wohnungen und untersuchte sie gründlich. Er stellte fest, wovon sie sich ernährten, versuchte, möglichst zutreffende Angaben zu ihrem Verhalten, zur Fortpflanzung und zu ihren Wanderungen zu erhalten, und verstand es in für die damalige Zeit einzigartiger Weise, seinen Beschreibungen Lebendigkeit zu geben. Wo er Vermutungen anstellte, weil noch kein hinreichend gesichertes Wissen vorhanden war, regte er zur Überprüfung an. Damit führte er das uns heute selbstverständliche, vor zweihundert Jahren aber noch weitgehend unbekannte biologische Denken in die Freilandornithologie ein. Wilsons Werk überzeugte Präsident Jefferson in jeder Hinsicht. Es bewies die Gleichwertigkeit der amerikanischen und europäischen Vögel und zeigte die Überlegenheit des neuen amerikanischen Ansatzes in der Ornithologie. Der Schotte, der bei Erscheinen der Bände seines Vogelbuchs bereits naturalisierter amerikanischer Bürger geworden war, repräsentierte mit seiner Biographie geradezu perfekt das amerikanische Ideal von unbegrenzten Möglichkeiten für alle, die einfach gut sind, ob "gelehrt" oder nicht. Denn Wilson hatte keinerlei formale Ausbildung, weder als Zoologe noch als Maler. Die amerikanische Forschung profitierte nachhaltig von seinem Buch, dessen Erfolg er allerdings nicht mehr erlebte. Er starb 1813 mit nur siebenundvierzig Jahren an einer Dysenterie.
Wie aber kommt es, dass in Nordamerika, wo das bird watching geradezu Volkssport ist, kaum jemand unter den Millionen Vogelkundlern Alexander Wilson kennt? Nicht einmal die rund 2500 Mitglieder umfassende vogelkundliche Fachgesellschaft, die, wie auch ihr Journal, das "Wilson Bulletin", seinen Namen trägt, bietet Nennenswertes über sein Leben und Wirken. Der Grund liegt, wie nicht selten in der Wissenschaft, in der Konkurrenz. John James Audubon machte das Rennen und gewann den großen Ruhm, obgleich er weit weniger Ornithologe als Alexander Wilson war. Audubon war Wilson zweifellos künstlerisch überlegen, aber nicht, was natürliche Haltung und Bestimmbarkeit der Vögel betrifft. Im Gegenteil, Audubons Vögel wirken zumeist verzerrt in der Haltung, da er tote Exemplare als Vorlage nahm und auf das Papierformat trimmte.
Wilsons früher Tod und der gleich danach einsetzende kometenhafte Aufstieg Audubons bestimmten die Wahrnehmung - bis heute. Die eingängige Schilderung von Leben und Wirken Alexander Wilsons, welche die beiden Autoren nun geben, wird an diesem festgefügten Bild der Entstehung der amerikanischen Ornithologie wohl wenig ändern. Aber man versteht nun besser, warum in den Vereinigten Staaten am Anfang nicht das europäisch-statische, katalogisierende Vorbild stand, sondern ein neues Konzept, das die Vögel als lebendige Wesen den Interessierten nahezubringen versuchte. Die dem Buch beigegebenen Zeichnungen und Farbbilder Wilsons unterstreichen das. Mit ähnlich großem Erfolg revolutionierte ein amerikanisches Vogelbuch, "der Peterson", kurz nach dem Zweiten Weltkrieg die europäische Ornithologie. Dem Künstler Roger Tory Peterson, gleichsam einem geistigen Urenkel Wilsons, verdanken wir die moderne europäische Feldornithologie, die es nicht mehr nötig hat, die Vögel abzuschießen, um sie bestimmen zu können.
JOSEPH REICHHOLF.
Edward H. Burtt/William E. Davis: "Alexander Wilson: The Scot Who Founded American Ornithology".
Harvard University Press, Cambridge/London 2013. 464 S., Abb., geb., 26,- [Euro].
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