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Die akute Bergkrankheit stellt heute eine der grössten Gefahren und die häufigste Todesursache bei Bergtouren in grosser Höhe, etwa im Himalaya da. Im Extremfall können die durch den Sauerstoffmangel in der "dünnen Luft" herbeigeführetn Veränderungen im menschlichen Körper innert weniger Stunden zum Tod führen. Dieses medizin-historische Sachbuch erzählt in einer auch für den Laien verständlichen Sprache und mit vielen Illustrationen die Geschichte der Entdeckung und Erforschung des Phänomens von den Anfängen in der Antike bis in die Gegenwart.

Produktbeschreibung
Die akute Bergkrankheit stellt heute eine der grössten Gefahren und die häufigste Todesursache bei Bergtouren in grosser Höhe, etwa im Himalaya da. Im Extremfall können die durch den Sauerstoffmangel in der "dünnen Luft" herbeigeführetn Veränderungen im menschlichen Körper innert weniger Stunden zum Tod führen. Dieses medizin-historische Sachbuch erzählt in einer auch für den Laien verständlichen Sprache und mit vielen Illustrationen die Geschichte der Entdeckung und Erforschung des Phänomens von den Anfängen in der Antike bis in die Gegenwart.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.08.2001

Die Luft ist dünn, mein Kopf ist schwer
Am Berg geht es höher und höher her: Erst die Medizin ebnete den modernen Aufsteigern gesunde Wege zu neuen Gipfeln

Im Montblanc-Massiv steht die Welt kopf: Die chamonardischen Bergsteiger lassen ihren Wein im Gepäck und trinken heimlich geschmolzenes Reservewasser. Der Leiter der Expedition, der Genfer Philosophieprofessor Horace Bénédict de Saussure, ist alarmiert. Wenn seine Begleiter ihren Seelentröster, ihr Grundnahrungsmittel, verschmähen, kann es kaum noch schlimmer kommen. Seit Tagen sind sie in großer Höhe unterwegs. Alle fühlen sich mies, schwach, ohne Appetit, manchen ist übel, einigen schwindlig, das Atmen fällt schwer in der dünnen Luft. Doch der Gipfel ist noch nicht erreicht, keiner wagt umzukehren. De Saussure beobachtet genau und notiert alle Befindlichkeiten des Trupps.

Nach der Rückkehr publiziert er 1780 sein Fazit in Band IV seiner Reiseberichte "Voyages dans les Alpes": "Die Natur hat den Menschen nicht für die hohen Regionen geschaffen; die Kälte und die dünne Luft halten ihn von dort fern." De Saussure ist kein Mediziner, erfaßt aber durch den Sachverstand eines gebildeten, interessierten Forschers als erster wesentliche Symptome einer Krankheit, die mit den Höhenmetern kommt und geht und an der schon manch antiker Grieche auf seinem Weg zum Olymp litt: die Bergkrankheit.

Der modische Pauschaltourismus auf die Dächer der Welt, aber auch die Risiken der Bergkrankheit weit unterhalb der höchsten Gipfel stachelten die Mediziner und Bergsteiger Oswald Oelz und Elisabeth Simons an zu einer medizinhistorischen Route auf kuriose, gefährliche und neu erschlossene Höhen der Diagnostik. Dabei zitieren sie einen chinesischen Reise-Chronisten, der um 25 vor Christus auf dem Weg von Kashi nach Kabul gesundheitlich sehr gelitten hat, den Bergen die Schuld gab und sie als "Kopfwehberge" und "Fieberberge" bezeichnete: "Sie erhitzen einen Menschen so, daß sein Gesicht bleich wird, sein Kopf schmerzt und er erbricht." Umfangreiche Quellen- und Literatur-Recherchen ermöglichen den beiden Autoren, die Historie eines medizinischen Fachbereichs lehrreich und unterhaltsam zu erzählen. Zeitgenössische Bilder und Zeichnungen illustrieren die Geschichte der Höhenmedizin, die durch ein Glossar sowie eine dreigliedrige Chronologie aus Höhenmedizin, Medizin und Alpinismus ergänzt ist.

Oelz und Simons erinnern an kuriose Auftritte wie die Tour der Forschertruppe des Berliner Physiologen Nathan Zuntz. Die Atemmeßgeräte huckepack und einen sich drehenden Druckmesser auf dem Kopf, marschierten sie 1901 aufs Brienzer Rothorn, um die Wirkung der Berge auf die Gesundheit zu überprüfen. Zu späten Ehren verhelfen die Autoren dem brillanten, aber verkannten Diagnostiker Thomas H. Ravenhill. Er beschreibt 1913, nach Forschungen im chilenischen Hochland, erstmals die heute noch gültige medizinische Auffassung der Bergkrankheit. Ravenhill begreift sie als ein Phänomen, das sich durch langsame Gewöhnung an die Höhe vermeiden läßt, und als eine Krankheit, die sich durch zerebrale oder pulmonale Symptome zu zwei extremen Formen steigert, die später als Höhenhirnödem und Höhenlungenödem bezeichnet werden. Beachtung fanden diese Beobachtungen erst 1960, als die Amerikaner Herbert Hultgren und Charles Houston sie, unabhängig voneinander, in Medizinfachblättern darlegten.

Die Autoren erstrecken ihre Darstellung weit in die Gegenwart. Sie verweisen auf Bezüge zu anderen Spezialgebieten, beispielsweise zu Kardiologie und Luftfahrtmedizin, erläutern das Krankheitsbild aus der Perspektive heutiger Diagnostik und stellen höhenmedizinische Forschungszentren vor. Ein führendes internationales Zentrum ist die "Capanna Regina Margherita" im Monte-Rosa-Gebiet. Die italienische Königin Margherita weihte 1893 das "Osservatorio" in der mit 4559 Metern höchstgelegenen Hütte Europas ein, der Club Alpino Italiano renovierte sie 1979 und machte sie wieder attraktiv für Wissenschaftler. Zu ihnen zählt auch der Autor Oswald Oelz. Er entwickelte und testete hier Notfallmedikamente zur Behandlung von Höhenödemen. Die Capanna markiert den Weg der Höhenmedizin zu einer ernsthaften Nischendisziplin und ebnet Gipfelpfade für die Bergwütigen. Das Buch spart Kritik nicht aus. Manche Geschichten und Anekdoten beschreiben Forscher, Bergsteiger und Ärzte, die arrogant oder von Vorurteilen beeinträchtigt urteilten. Weil nicht jeder Bergsteiger erkrankte, bezeichnete der Genfer Physiker Jean-André Luc (1727 bis 1817) Patientenberichte als "übertrieben und unwahr". In den Alpenvereinen sprach man von "Zeichen der Verweichlichung".

Tatsächlich heilen neunzig Prozent aller Krankheiten von selbst, behauptet Oelz. Verabreicht ein Arzt parallel dazu übel schmeckende Medizin, glaube der Patient, das habe ihn gesund gemacht und ist begeistert. Viele Krankheiten wiederum, so Oelz, entstehen aus reiner Unvernunft; als Beispiel dient die Bergkrankheit. Verschont bleibt, wer auf seinen Körper hört, obgleich der Berg ruft, und sich langsam nach oben tastet, statt den Gipfel zu stürmen.

MARLIS PRINZING.

Elisabeth Simons, Oswald Oelz: "Kopfwehberge". Eine Geschichte der Höhenmedizin. AS-Verlag, Zürich 2001. 232 S, 40 Abb., geb., 49,80 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Autoren, äußert die Rezensentin ihren Respekt, setzten an "zu einer medizinhistorischen Route auf kuriose, gefährliche und neu erschlossene Höhen der Diagnostik." Neben den umfangreichen Quellen- und Literaturrecherchen, die als Grundlage dienen für die Geschichte eines medizinischen Fachbereichs, haben Marlis Prinzing auch die zeitgenössischen Bilder und Zeichnungen, das Glossar und die "Chronologie aus Höhenmedizin, Medizin und Alpinismus" beeindruckt. Bemerkenswert erscheint ihr ferner, dass sich die Darstellung "weit in die Gegenwart" erstreckt, und dass sie Bezüge zu anderen Spezialgebieten (Kardiologie, Luftfahrtmedizin) her- und Forschungszentren vorstellt.

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