Produktdetails
- EAN: 8711539600211
- Artikelnr.: 28218207
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.10.2010Jetzt mit Bürgermeistersolo
Ein guter Trick: Seit Jahrzehnten pflegt Eric Clapton seine Lässigkeit, damit niemand merkt, dass es auch bessere Gitarristen gibt. Sein neuer Blues schläfert ein.
Zu den überzeugenderen Projekten Eric Claptons im letzten Jahrzehnt gehörte, neben der energetischen Bluesplatte mit B.B. King, die entspannte Kollaboration mit J.J. Cale ("The Road to Escondido"). Mitte der siebziger Jahre wurde der lässige Cale zum Role Model für Clapton. Ließ er zuvor als Schmerzensmann an der Gitarre die Töne expressiv lodern, um sein verworrenes, alkoholgetränktes Gefühls- und Liebesleben auszudrücken, so wurde auf den Spuren des Minimalisten aus Oklahoma das Zurückgelehnte sein Ehrgeiz - was zugleich eine clevere Strategie der Selbstbehauptung war, als um 1980 Gitarristen ins Rampenlicht traten, die ihn an Virtuosität übertrafen.
Wenn die beiden heute gemeinsam auf der Bühne stehen, wirft Clapton regelrechte Liebesblicke zu Cale hinüber. Auch auf seinem neuen Album hat er ihn wieder dazugeholt. Gemeinsam bieten sie als ersten Höhepunkt die Version eines alten J.J.-Cale-Songs: "River runs deep / the water is cold as ice" - unscheinbare Zeilen, die das Altherrenduo wie ein Mantra singt, um das Lebensleid und jene "cheatin' woman" in Schach zu halten. Das schmeichelt sich angenehm ins Gehör. Das Solo wird Cale überlassen, unverkennbar und gekonnt.
Clapton hat die Ruhe weg auf dieser Platte. Sympathisch, dass er das Altern nicht verhehlen will - anders als Mick Jagger, der noch hochbetagt vom Hormondruck quäken wird, besingt er jetzt den Schaukelstuhl: "Rocking chair got me / came by my side / fetch me my gin son / or I tan your hide." Dass dem Sohn tatsächlich das Fell gegerbt wird, ist angesichts der Tiefenentspanntheit dieser Musik jedoch nicht zu befürchten.
Zwischendurch nickt man beim Hören aber auch schon mal ein. "Can't Hold Out Much Longer" - ein weiterer Schnarchblues mit Echtholzfurnier. "Jugdement Day Is Almost Here" - angesichts von Claptons Schnurrkaterstimme scheint das keine allzu schlimme Aussicht. "Hard Times Blues" - vom Leidensdruck bleibt nur die Millionärsmelancholie. Und der Ehrgeiz, die Sachen als Elder Statesman des Blues möglichst "geschmackvoll" rüberzubringen. Aber wann hat man von Claptons Gitarre zuletzt eine überraschende Wendung vernommen? Nein, diese altmeisterlichen Reprisen wirken inzwischen ziemlich leblos und berechenbar. Dabei macht Clapton seiner Liebe zum Laid-back wieder alle Ehre - jetzt wird noch mehr gespart mit den Tönen. Wenn hier überhaupt mal ein Solo zu hören ist, dann stammt es womöglich von Doyle Bramhall II oder Derek Trucks.
Immerhin bietet das Album auch Ungewohntes. Claptons Blues-Museum hat jetzt einen Anbau für alten New-Orleans-Jazz. Bei "My Very Good Friend The Milkman" und "When Somebody Thinks You're Wonderful" tröten die Dixie-Trompeten, die Tuba hupt wie auf dem letzten Rathausfest, und dazu gibt der Meister ein knappes, offenbar gewollt ungelenkes Bürgermeister-Gitarrensolo. Bemerkenswert, dass eine Platte, die sich schlicht und selbstbewusst "Clapton" nennt, nur eine einzige Eigenkomposition enthält: "Run Back to Your Side" macht am Ende doch noch mal das Feuer an, über einem Tulsa-Riff jaulen die Gitarren, Claptons warme Licks im Wettstreit mit den Slide-Schnörkeln von Trucks. Das lässt man sich gefallen. Und, zugegeben, die Platte wächst bei mehrmaligem Hören, was an den Feinheiten der Arrangements und der hochklassigen Produktion, vor allem aber an der Mischung der Stile liegt. Das Beste sind dabei die mit Eleganz interpretierten Jazzstandards und Schnulzen: "Diamonds Made From Rain" mit Sheryl Crow als Gastsängerin, "How Deep Is The Ocean" mit Wynton Marsalis an der Trompete und vor allem die anrührende Version des eben doch noch nicht ganz zu Tode gespielten Klassikers "Autumn Leaves".
Hier ist die neue Herausforderung spürbar. Wenn Clapton Standards spielt, gibt er seiner Gitarre zwar eine leicht jazzige Klangfarbe, weicht im Übrigen aber nicht ab von seiner Blues-Pentatonik, der er hier noch einmal hohe Ausdruckskraft abgewinnt. Der Song vom Blätterfall und Verlassensein passt auch als Schlaflied für die Allerkleinsten. Das Klavier tröpfelt beruhigend, die Streicher sind weich wie Kuschelkissen, und dazu diese Opa-Stimme. Gute Nacht!
WOLFGANG SCHNEIDER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein guter Trick: Seit Jahrzehnten pflegt Eric Clapton seine Lässigkeit, damit niemand merkt, dass es auch bessere Gitarristen gibt. Sein neuer Blues schläfert ein.
Zu den überzeugenderen Projekten Eric Claptons im letzten Jahrzehnt gehörte, neben der energetischen Bluesplatte mit B.B. King, die entspannte Kollaboration mit J.J. Cale ("The Road to Escondido"). Mitte der siebziger Jahre wurde der lässige Cale zum Role Model für Clapton. Ließ er zuvor als Schmerzensmann an der Gitarre die Töne expressiv lodern, um sein verworrenes, alkoholgetränktes Gefühls- und Liebesleben auszudrücken, so wurde auf den Spuren des Minimalisten aus Oklahoma das Zurückgelehnte sein Ehrgeiz - was zugleich eine clevere Strategie der Selbstbehauptung war, als um 1980 Gitarristen ins Rampenlicht traten, die ihn an Virtuosität übertrafen.
Wenn die beiden heute gemeinsam auf der Bühne stehen, wirft Clapton regelrechte Liebesblicke zu Cale hinüber. Auch auf seinem neuen Album hat er ihn wieder dazugeholt. Gemeinsam bieten sie als ersten Höhepunkt die Version eines alten J.J.-Cale-Songs: "River runs deep / the water is cold as ice" - unscheinbare Zeilen, die das Altherrenduo wie ein Mantra singt, um das Lebensleid und jene "cheatin' woman" in Schach zu halten. Das schmeichelt sich angenehm ins Gehör. Das Solo wird Cale überlassen, unverkennbar und gekonnt.
Clapton hat die Ruhe weg auf dieser Platte. Sympathisch, dass er das Altern nicht verhehlen will - anders als Mick Jagger, der noch hochbetagt vom Hormondruck quäken wird, besingt er jetzt den Schaukelstuhl: "Rocking chair got me / came by my side / fetch me my gin son / or I tan your hide." Dass dem Sohn tatsächlich das Fell gegerbt wird, ist angesichts der Tiefenentspanntheit dieser Musik jedoch nicht zu befürchten.
Zwischendurch nickt man beim Hören aber auch schon mal ein. "Can't Hold Out Much Longer" - ein weiterer Schnarchblues mit Echtholzfurnier. "Jugdement Day Is Almost Here" - angesichts von Claptons Schnurrkaterstimme scheint das keine allzu schlimme Aussicht. "Hard Times Blues" - vom Leidensdruck bleibt nur die Millionärsmelancholie. Und der Ehrgeiz, die Sachen als Elder Statesman des Blues möglichst "geschmackvoll" rüberzubringen. Aber wann hat man von Claptons Gitarre zuletzt eine überraschende Wendung vernommen? Nein, diese altmeisterlichen Reprisen wirken inzwischen ziemlich leblos und berechenbar. Dabei macht Clapton seiner Liebe zum Laid-back wieder alle Ehre - jetzt wird noch mehr gespart mit den Tönen. Wenn hier überhaupt mal ein Solo zu hören ist, dann stammt es womöglich von Doyle Bramhall II oder Derek Trucks.
Immerhin bietet das Album auch Ungewohntes. Claptons Blues-Museum hat jetzt einen Anbau für alten New-Orleans-Jazz. Bei "My Very Good Friend The Milkman" und "When Somebody Thinks You're Wonderful" tröten die Dixie-Trompeten, die Tuba hupt wie auf dem letzten Rathausfest, und dazu gibt der Meister ein knappes, offenbar gewollt ungelenkes Bürgermeister-Gitarrensolo. Bemerkenswert, dass eine Platte, die sich schlicht und selbstbewusst "Clapton" nennt, nur eine einzige Eigenkomposition enthält: "Run Back to Your Side" macht am Ende doch noch mal das Feuer an, über einem Tulsa-Riff jaulen die Gitarren, Claptons warme Licks im Wettstreit mit den Slide-Schnörkeln von Trucks. Das lässt man sich gefallen. Und, zugegeben, die Platte wächst bei mehrmaligem Hören, was an den Feinheiten der Arrangements und der hochklassigen Produktion, vor allem aber an der Mischung der Stile liegt. Das Beste sind dabei die mit Eleganz interpretierten Jazzstandards und Schnulzen: "Diamonds Made From Rain" mit Sheryl Crow als Gastsängerin, "How Deep Is The Ocean" mit Wynton Marsalis an der Trompete und vor allem die anrührende Version des eben doch noch nicht ganz zu Tode gespielten Klassikers "Autumn Leaves".
Hier ist die neue Herausforderung spürbar. Wenn Clapton Standards spielt, gibt er seiner Gitarre zwar eine leicht jazzige Klangfarbe, weicht im Übrigen aber nicht ab von seiner Blues-Pentatonik, der er hier noch einmal hohe Ausdruckskraft abgewinnt. Der Song vom Blätterfall und Verlassensein passt auch als Schlaflied für die Allerkleinsten. Das Klavier tröpfelt beruhigend, die Streicher sind weich wie Kuschelkissen, und dazu diese Opa-Stimme. Gute Nacht!
WOLFGANG SCHNEIDER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main