Ein halbes Jahrhundert nach dem Erscheinen der Sammlungen "Das Ornament der Masse und Straßen in Berlin und anderswo" wird die Publizistik Siegfried Kracauers erstmals umfassend zugänglich gemacht. Versammelt sind in chronologischer Folge sowie ergänzt um Sacherläuterungen und bibliographische Nachweise rund 780 Artikel und nachgelassene Aufsätze aus den Jahren 1906 bis 1965. Zusammen mit den "Kleinen Schriften" zum Film gehören sie zum Kern von Kracauers Werk und bilden die Matrix vieler seiner Bücher. Im Mittelpunkt stehen die Texte, die Kracauer zwischen 1921 und 1933 in der renommierten "Frankfurter Zeitung" veröffentlichte: Essays, Feuilletons und Rezensionen, aber auch Reportagen, Analysen, Kommentare und Glossen, in denen neue Denk- und Schreibweisen erprobt und die Spalten »unter dem Strich« für die sich rapide wandelnde gesellschaftliche Wirklichkeit der Zwischenkriegszeit geöffnet wurden. Neben den klassischen Themen des Hochfeuilletons widmet sich Kracauer insbesondereder Massen- und Populärkultur und beobachtet mit scharfem Blick die Alltagswelt seiner Zeit. Es sind Glanzstücke des Journalismus und der Essayistik, die nicht nur den publizistischen Einsatz eines der bedeutendsten und produktivsten Intellektuellen der Epoche dokumentieren. Aufgrund ihrer thematischen Bandbreite bilden sie darüber hinaus ein einzigartiges kulturgeschichtliches Archiv der zwanziger und dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Uwe Justus Wenzel begrüßt den von Inka Mülder-Bach herausgegebenen fünften Band der "rühmenswerten" Werkausgabe Siegfried Kracauers. Die vier Teilbände mit journalistischen Arbeiten Kracauers vermitteln in seinen Augen ein erhellendes Bild des Filmtheoretikers, Kultursoziologen und Sozialforschers als Feuilletonist und Zeitdiagnostiker. Im Zentrum stehen für ihn Texte - Glossen, Sprachkritiken, Reportagen, literarische Impressionen, Essays, Rezensionen -, die Kracauer für die "Frankfurter Zeitung" verfasst hat. Der Band ermöglicht es zur Freude Wenzels, die Entwicklung Kracauers zu verfolgen, der sich zunehmend frei geschrieben und vom frühen gravitätischen Ton zugunsten eines schlankeren, lebendigeren, originelleren Stils verabschiedet habe. Lobend erwähnt Wenzel auch das aufschlussreiche Nachwort von Inka Mülder-Bach, die den zeitgeschichtlichen Kontext skizziert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Der Stil ist unverkennbar: eine kunstvolle, niemals gekünstelte Verfremdung. Wer die Fragilität unseres Dasein ... verstehen will, sollte Siegfried Kracauer als unseren Zeitgenossen lesen.« Alexander Cammann DIE ZEIT 20110721