In den Visionsschriften Hildegards ist der Begriff 'Klang' (sonus) vielfach belegt. Er verweist darauf, dass in den Visionen Klang und Hören, Hören und Sehen eine untrennbare Einheit bilden, sodass Hildegards Visionen sich als Audio-Visionen erweisen. Zusammen mit dem Schöpfungswort 'es werde' (fiat) durchdringt sonus als Ur- und Schöpfungsklang Hildegards visionäre Theologie. Es war laut Hildegard nämlich die Stimme Gottes (vox Dei), die durch ihren Klang die Welt zum Leben erweckte, sodass sie als Schöpfungsklang allem Seienden - jedem Geschöpf, dem gesamten Kosmos - innewohnt. D.h. als 'Nachklang', quasi als 'inneres Wissen' lässt sich sonus - unterstützt durch das gnadenhafte Wirken des Heiligen Geistes - als 'Widerhall' Gottes vernehmen und 'hören' und ist in jedem Geschöpf als verborgene Lebenskraft wirksam. In diesem Sinne verweist sonus als Einheit von sonus und audire auf eine Glaubenslehre, die mit ihrer Klangsprache und vielen Klangbildern in der Summe sozusagen einer 'theologischen Klanglehre' bzw. einer 'klangorientierten Theologie' entspricht.
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