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Carl Schmitt hat in seiner Schrift 'Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte' von 1939 versucht, dem Reichsbegriff zu einer völkerrechtlichen Renaissance zu verhelfen. 'Reich' ist bei ihm gedacht als Kern einer europäischen Hegemonialordnung. Die Präsentation dieser Konzeption hat im nationalsozialistischen Deutschland sofort eine lebhafte Debatte ausgelöst. Der Verfasser versucht, sie nachzuzeichnen, wobei auf bisher unveröffentlichte Dokumente aus dem umfangreichen Nachlass Carl Schmitts zurückgegriffen wird. Der Autor weist auch auf die Parallelen…mehr

Produktbeschreibung
Carl Schmitt hat in seiner Schrift 'Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte' von 1939 versucht, dem Reichsbegriff zu einer völkerrechtlichen Renaissance zu verhelfen. 'Reich' ist bei ihm gedacht als Kern einer europäischen Hegemonialordnung. Die Präsentation dieser Konzeption hat im nationalsozialistischen Deutschland sofort eine lebhafte Debatte ausgelöst. Der Verfasser versucht, sie nachzuzeichnen, wobei auf bisher unveröffentlichte Dokumente aus dem umfangreichen Nachlass Carl Schmitts zurückgegriffen wird. Der Autor weist auch auf die Parallelen zwischen Schmitts Konzeption vom 'totalen Staat' und jene vom Reich hin. Ähnlich wie Jüngers berühmte Wendung von der 'totalen Mobilmachung' hat sie Anfang der dreißiger Jahre großes Aufsehen erregt. Das 'Reich' hat immer einen über das Verfassungs- und Völkerrecht hinausweisenden Beiklang - oder genauer: einen engen Bezug zur Politischen Theologie. Einigermaßen überraschend ist, dass der katholische Politische Theologe Carl Schmitt Begriffe benutzt, die eher aus dem Repertoire der protestantischen Theologie stammen. Auch für die Deutung dieses Zusammenhangs wurden unveröffentlichte Briefe aus dem Nachlass Schmitts herangezogen. Das 'Reich' als politische Konzeption ist nach 1945 fast spurlos in der Versenkung verschwunden, und dennoch beweist Schmitts Schrift zur 'Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte' Aktualität durch ihre antiuniversalische Stoßrichtung: 'Die notwendige Konsequenz des Universalismus ist Imperialismus'. So lautet nicht etwa ein Satz aus Schmitts Oevre, sondern er steht in dem Buch 'Kampf der Kulturen' des Harvard Professors Samuel P. Huntington.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.07.1999

Großraumpfleger
Carl Schmitt und das "Reich"

Felix Blindow: Carl Schmitts Reichsordnung. Strategie für einen europäischen Großraum. Akademie Verlag, Berlin 1999. 209 Seiten, 98,- Mark.

Am 1. April 1939 hielt der Staatsrechtler Carl Schmitt an der Kieler Universität einen Vortrag zum Thema "Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte". Darin lieferte Schmitt eine pseudojuristische Begründung für das Recht des "Großdeutschen Reiches", so zu handeln, wie es bereits gehandelt hatte, nämlich als Träger einer neuen Großraumordnung, der über "raumfremde" Mächte ein Interventionsverbot verhängen durfte. Der Vergleich mit der amerikanischen Monroe-Doktrin von 1823, den Schmitt ausdrücklich zog, gelangte rasch zur Kenntnis Hitlers. Am 28. April 1939 berief sich der "Führer" vor dem Reichstag gegenüber Präsident Franklin Delano Roosevelt seinerseits darauf, daß er, Hitler, für Europa nichts anderes forderte als das, was die Vereinigten Staaten seit den Tagen von Präsident Monroe für die westliche Hemisphäre beanspruchten.

Die "Gedankenübertragung" vom Frühjahr 1939 ist seit langem ebenso bekannt wie die Tatsache, daß Schmitt von nationalsozialistischen Juristen sogleich vorgeworfen wurde, seine Begriffe von "Reich" und "Großraum" seien inhaltslos und beliebig, weil ihnen der völkische Charakter fehle. Der Autor der neuesten Studie über Carl Schmitt, einer bei der Freien Universität Berlin eingereichten Dissertation, ist jedoch umfassender und gründlicher als irgend jemand vor ihm dem Echo von Schmitts Kieler Vortrag und seiner darauf beruhenden Schrift, die 1939 unter demselben Titel erschien, nachgegangen, und er bettet diese Auseinandersetzung in große ideengeschichtliche Zusammenhänge ein. Gestützt auf ein inzwischen fast unübersehbares Schrifttum und Teile des Nachlasses seines "Helden", zeichnet Felix Blindow nach, wie Schmitt zu seinen Positionen von 1939 gelangte. Dabei wird deutlich, daß Schmitt mit der verklärenden rechtskatholischen Reichsromantik der dreißiger Jahre nichts im Sinne hatte. Das "Reich" als Kampfbegriff entdeckte er vielmehr erst, als Deutschland durch die Unterwürfigkeit der Tschechen aufhörte, ein Nationalstaat zu sein, und nunmehr einer Ideologie bedurfte, die den Anspruch auf Herrschaft über andere Völker stützte.

Zu den Verdiensten Blindows gehört, daß er Schmitt nicht isoliert sieht, sondern seine Strategien für einen europäischen Großraum mit von "Vorläufern" wie Friedrich Naumann und Zeitgenossen wie Giselher Wirsing und Alexandre Kojève vergleicht. Es ist die Rekonstruktion dieser intellektuellen Beziehungen, die das Buch zu einer spannenden Lektüre macht. Leider kommt darüber die Kritik an Schmitt zu kurz. "Wie viele andere täuschte sich Schmitt in den grundsätzlichen Zielen Hitlers", heißt es bei Blindow. "Hitler ging es nicht um Revision von Versailles und Hegemonie Deutschlands in Mitteleuropa, sondern um Rassereinheit und Lebensraum. Hitlers Großgermanisches Reich hat keine Ähnlichkeit mit Schmitts Großraumordnung."

Das sind verschleiernde Halbwahrheiten, die das Wesentliche verfehlen: Schmitt war einer jener konservativen Intellektuellen, die Hitlers Herrschaft, erst über Deutschland und dann über große Teile Europas, legitimieren halfen. Doch es kommt noch schlimmer. Im Schlußwort schreibt Blindow verständnisvoll, Schmitts "Dilemma" sei das eines "sich als römisch-katholisch verstehenden konservativen Juristen, der sich weder für einen post-säkularen Universalismus der Menschenrechte noch für die Historische Rechtsphilosophie eines positivistischen Normativismus erwärmen konnte".

Dieses "Dilemma" ist offenkundig auch das des Autors. Unter Berufung auf das "Faktum der Nationalstaatlichkeit" zieht er auf den letzten Seiten seines Buches gegen die "leere Rhetorik der westlichen Staaten um die Menschenrechte" zu Felde, die nicht verdecken könne, "daß letztlich nur etwas ausschlaggebend ist: das Geschäft". Schmitt hätte das eleganter ausgedrückt, aber sich in der Abneigung gegen den demokratischen Universalismus des Westens seinem jüngsten Apologeten verbunden gefühlt.

HEINRICH AUGUST WINKLER

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