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Ein leidenschaftlicher Appell zur Reparationsfrage nach dem 1. Weltkrieg. Er fragt nicht nach Verträgen und Institutionen, sondern wendet sich an das Gewissen jedes einzelnen.Der Krieg, der damals noch nicht Erster Weltkrieg hieß, ist verloren für Deutschland, das Elend ist groß. Und der Versailler Vertrag wird als von den Siegermächten auferlegt empfunden, als Knebelvertrag, der das Leben einschnürt und Entwicklung zum Besseren auf lange Zeit fast unmöglich macht. Und da kommt jemand, Florens Christian Rang, der die Deutschen zu freiwilligen Reparationen aufruft. Als ein einzelner ruft er…mehr

Produktbeschreibung
Ein leidenschaftlicher Appell zur Reparationsfrage nach dem 1. Weltkrieg. Er fragt nicht nach Verträgen und Institutionen, sondern wendet sich an das Gewissen jedes einzelnen.Der Krieg, der damals noch nicht Erster Weltkrieg hieß, ist verloren für Deutschland, das Elend ist groß. Und der Versailler Vertrag wird als von den Siegermächten auferlegt empfunden, als Knebelvertrag, der das Leben einschnürt und Entwicklung zum Besseren auf lange Zeit fast unmöglich macht. Und da kommt jemand, Florens Christian Rang, der die Deutschen zu freiwilligen Reparationen aufruft. Als ein einzelner ruft er seine Landsleute auf, am Wiederaufbau der zerstörten Gebiete Frankreichs und Belgiens tatkräftig mitzuhelfen, nicht über die Reparationszahlungen hinaus, sondern ganz und gar unabhängig von ihnen.Das wirkt gewiss ganz und gar weltfremd, zumal in einer Situation allgemein empfundener größter Not; und doch: Jenseits der Frage von Schuld oder Unschuld, jenseits des Rechthabens weist dieser 1924 verfasste Appell in die Zukunft. Er fordert, sich nicht hinter den Institutionen zu verstecken, sondern als einzelner zu tun, was man als einzelner Mensch mit Gewissen und Gefühl für Verantwortung zu tun in der Lage ist.Walter Benjamin, mit dem Florens Christian Rang eng befreundet war, nannte ihn den »tiefsten Kritiker des Deutschtums seit Nietzsche«; sein letztes großes Werk »Deutsche Bauhütte« galt ihm als bedeutend »im Kampf gegen die Idolatrie des Geistes«.
Autorenporträt
Florens Christian Rang (1864-1924) studierte Jura, arbeitete im Staatsdienst, später beim genossenschaftlichen Raiffeisenverband. Er war 1919 mitbeteiligt an den Ausarbeitungen zum Verfassungsentwurf. Zwischenzeitlich hatte er Theologie studiert, um Pfarrer zu werden.Ebenfalls bei Wallstein lieferbar: Florens Christian Rang: Shakespeare der Christ. Eine Deutung der Sonette.

Uwe Steiner ist Professor of German Studies in Houston/Texas.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.08.2015

Für eine gelebte Gewissensethik
Der Jurist und Theologe Florens Christian Rang zur Frage deutscher Reparationen

Florens Christian Rang (1864 bis 1924) war sicher niemand, der Massenwirkung erzielen wollte. Der studierte Jurist und Theologe ließ jedoch einen Essay zurück, der seine späte (Wieder-) Entdeckung ermöglicht: "Deutsche Bauhütte. Philosophische Politik Frankreich gegenüber."

Rang entstammte väterlicherseits einer hessischen Beamten- und mütterlicherseits einer hannoverschen Pastorenfamilie. Aufgewachsen in Köln und promoviert in Bonn, wurde Rang Regierungsassessor in der preußischen Provinzialverwaltung. Im Oberpräsidium Posen bearbeitete er die Kirchen- und Schulfragen. 1895 schied er jedoch aus dem Staatsdienst aus, um in Greifswald Theologie zu studieren, wurde ordiniert und übernahm eine Pfarrei in einem polnisch-westpreußischen Dörfchen, bevor er 1904 wieder in den Staatsdienst zurückkehrte und Regierungsrat im Oberpräsidium Koblenz wurde. 1917 wechselte Rang als Direktor der Raiffeisen nach Berlin und damit in die Nähe seiner Korrespondenzpartner, deren einflussreichster wohl Walter Benjamin war. Rang hatte bereits vor 1914 dem Potsdamer Forte-Kreis angehört, einer - für heutige Begriffe - etwas überspannten Männerbewegung im Stile des George-Kreises.

Rang lässt seine Leser über seine Bildung nicht im Unklaren, und er schenkt ihnen nichts. Ein vorgängiges Ausdauertraining mit Autoren wie Benjamin und Walther Rathenau ist sicher kein Nachteil für die Lektüre. Dies erklärt bereits, warum dieser einsichtsvolle Kopf nie wirklich zur Kenntnis genommen wurde. Dabei hätten seine kompetente Analyse und seine Anregungen durchaus Aufmerksamkeit verdient. Rang schrieb diesen Essay während der französisch-belgischen (und pro forma auch: italienischen) Ruhr-Besetzung im Jahre 1923.

Der erfahrene Beamte und Finanzpraktiker sah sehr genau, dass die bewusst betriebene Inflationierung der Währung darauf angelegt war, sich der bereits mit dem Waffenstillstand vom 11. November 1918 eingegangenen Verpflichtung zur Bezahlung der in Belgien und Frankreich angerichteten Schäden zu entziehen. Rang störte nicht zuletzt, dass sich diese Politik zwanglos verband mit einem "Hoch auf die deutsche Idealität! Immer ein Sich-Betrinken in Selbstvergötterung; immer ein mitleidiges Herabsehen auf die bloßen Durchschnitt-Moralen der Mehrheit-Völker, die unteilhaftig der deutschen Höhe der Idee! Und immer von ihrer Höhe aus die Forderungen verachtet, die auf Grund der Durchschnittmoral uns auferlegt werden - zum Beispiel auf Ersatz an Belgien und Frankreich".

Der Autor ist nicht zimperlich, wenn er schreibt: "Die Deutschen wollen gar nicht, dass ihre Regierung sie Ersatz zahlen lasse. Aber sie wollen, dass ihre Regierung sie das nicht merken lasse; dass sie den vom Volk tief geleugneten Willen zur Leistung dennoch den Gegnern anscheinend mache. Die Regierung soll die Verlust-Geschäfte des Volks zum Schein führen, in Wirklichkeit aber das Volk so führen, dass es nichts verliert." So im Kapitel über "Eigenart und Grund unserer deutschen politischen Verlogenheit". Rang spricht damit an, was französische Diplomaten wie Jacques Seydoux vergleichsweise zurückhaltend als "mauvaise foi" (Unredlichkeit) etikettiert hatten.

Dass diese Unredlichkeit noch ganz andere Ausmaße annehmen könnte, muss Rangs Vorstellungskraft überstiegen haben. Sonst hätte er sich sicher mehr Mühe gegeben, ein größeres Publikum zu erreichen. Seine schöne Utopie deutscher Bauhütten für den Wiederaufbau in Nordfrankreich hätte zumindest eine öffentliche Diskussion verdient. Rang dachte sich diese Bauhütten als autonome Handwerksgruppierungen mit organisierter Selbstfinanzierung, deshalb auch der halbwegs mittelalterliche Begriff.

Über weite Strecken liest sich der Essay wie ein theologisches Traktat ("Schuld", "Gewissen", "Verdrängung") - aber eines, in dem immer wieder kluge Beobachtungen aufblitzen. Bis hin zum Hinweis, dass Preußen in der Imitation Frankreichs groß wurde: "Jeder Jurist weiß, dass unser moderneres Recht in seinen Grundzügen Rezeption des französischen Rechts ist." Oder: "Hätten wir die Vereinigten Staaten von Europa, so hätten wir den Weltkrieg nicht gehabt."

Wiederholt kommt Rang auch auf Frankreichs Sicherheitsbedürfnis und auf die nötige Friedenssicherung zurück. Alles in allem ein Beleg dafür, dass das intellektuelle Deutschland auch realistisch sein konnte. Der Zufall will es, dass in Brüssel unlängst eine neue Auflage von Henri Pirennes "Histoire de l'Europe" erschien - mitsamt seinen Erinnerungen der Gefangenschaft, in denen Pirenne seine Gespräche mit deutschen Intellektuellen notierte. Der belgische Gelehrte war 1915 inhaftiert und nach Deutschland deportiert worden. In Jena begegnete er seinem Kollegen Alexander Cartellieri und bilanzierte ernüchtert: "Der Mangel an kritischem Geist bei diesen Professoren, ihre Unkenntnis der Lage in Europa, ihr völliges Fehlen eines elementaren Gerechtigkeitssinns, sobald es sich um die Interessen oder Ziele Deutschlands handelte, hatten etwas erschreckendes und entmutigendes." Da war Rang schon weiter. Und wenn er noch hätte schreiben können wie Pirenne . . .

IGNAZ MILLER

Florens Christian Rang: Deutsche Bauhütte. Philosophische Politik Frankreich gegenüber. Reprint, herausgegeben von Uwe Steiner. Wallstein Verlag, Göttingen 2015. 236 S., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Über weite Strecken liest sich der Essay wie ein Theologisches Traktat - aber eines, in dem immer wieder kluge Beobachtungen aufblitzen« (Ignaz Miller, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.09.2015) »eine Schrift, die dem heutigen Publikum zu einem besseren Verständnis dieser Zeit verhelfen kann« (Sonia Goldblum, Jahrbuch zur Kultur und Literatur der Weimarer Republik, Bd. 18, 2017)