Produktdetails
- Verlag: Das Arsenal
- ISBN-13: 9783921810392
- Artikelnr.: 20810183
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.07.2011Der Blick des Flaneurs
Seine Einweisung in die Kunst der geistreich plaudernden Prosa erhielt der 1880 geborene und im "Alten Westen" Berlins aufgewachsene Franz Hessel in Paris, also in der Stadt, die sein Freund Walter Benjamin die "Hauptstadt des XIX. Jahrhunderts" genannt hat. Hier machte sich Hessel den Blick des Flaneurs zu eigen, von dem Benjamin sagt, dass er die kommende trostlose Lebensform "des Großstadtmenschen noch mit einem versöhnenden Schimmer umspielt ... Im Flaneur begibt sich die Intelligenz auf den Markt." Mit dem Blick des Flaneurs beginnt Hessel in den zwanziger Jahren Berlin zu durchwandern. Zwar nennt er die 1929 erschienene Summe seiner Erkundungen noch "Spazieren in Berlin", aber der Herausgeber der Neuausgabe von 1984 hielt sich an Walter Benjamins Rezension ("Die Wiederkehr des Flaneurs") und gab ihr den Titel "Flaneur in Berlin". Dabei bleibt es jetzt auch in der revidierten Neuausgabe. Wie Fontane mit seinen "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" zum schriftstellerischen Cicerone durch die Geschichte und die Kulturlandschaft der Provinz geworden war, so wurde es nun für die Hauptstadt Franz Hessel. In mehr als zwanzig Kapiteln nimmt der Flaneur den Leser mit auf seinen Streifzügen durch die Bezirke einer Massensiedlung voller Gegensätze. Die Geschichte der Stadt beginnt anschaulich zu werden in lockeren Erzählungen und Anekdoten, die ironisch in Distanz gehen zum Bild der makellosen Tapferkeit und der hehren Würde des brandenburgisch-preußischen Adels. Nicht immer kann der Flaneur seine Impressionen im Schlendern sammeln. Wo er dem "fleißigen Berlin" auf der Spur ist, braucht er verabredete Führung, zum Beispiel beim Besuch der Turbinenfabrik in der Huttenstraße oder beim Gang durch die "Hallen" von Berlin. Da ist der Erzähler Hessel nicht in seinem eigentlichen Element. (Franz Hessel: "Ein Flaneur in Berlin". Mit Fotografien von Friedrich Seidenstücker. Verlag Das Arsenal, Berlin 2011. 280 S., br., 19,- [Euro].) WHi
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Seine Einweisung in die Kunst der geistreich plaudernden Prosa erhielt der 1880 geborene und im "Alten Westen" Berlins aufgewachsene Franz Hessel in Paris, also in der Stadt, die sein Freund Walter Benjamin die "Hauptstadt des XIX. Jahrhunderts" genannt hat. Hier machte sich Hessel den Blick des Flaneurs zu eigen, von dem Benjamin sagt, dass er die kommende trostlose Lebensform "des Großstadtmenschen noch mit einem versöhnenden Schimmer umspielt ... Im Flaneur begibt sich die Intelligenz auf den Markt." Mit dem Blick des Flaneurs beginnt Hessel in den zwanziger Jahren Berlin zu durchwandern. Zwar nennt er die 1929 erschienene Summe seiner Erkundungen noch "Spazieren in Berlin", aber der Herausgeber der Neuausgabe von 1984 hielt sich an Walter Benjamins Rezension ("Die Wiederkehr des Flaneurs") und gab ihr den Titel "Flaneur in Berlin". Dabei bleibt es jetzt auch in der revidierten Neuausgabe. Wie Fontane mit seinen "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" zum schriftstellerischen Cicerone durch die Geschichte und die Kulturlandschaft der Provinz geworden war, so wurde es nun für die Hauptstadt Franz Hessel. In mehr als zwanzig Kapiteln nimmt der Flaneur den Leser mit auf seinen Streifzügen durch die Bezirke einer Massensiedlung voller Gegensätze. Die Geschichte der Stadt beginnt anschaulich zu werden in lockeren Erzählungen und Anekdoten, die ironisch in Distanz gehen zum Bild der makellosen Tapferkeit und der hehren Würde des brandenburgisch-preußischen Adels. Nicht immer kann der Flaneur seine Impressionen im Schlendern sammeln. Wo er dem "fleißigen Berlin" auf der Spur ist, braucht er verabredete Führung, zum Beispiel beim Besuch der Turbinenfabrik in der Huttenstraße oder beim Gang durch die "Hallen" von Berlin. Da ist der Erzähler Hessel nicht in seinem eigentlichen Element. (Franz Hessel: "Ein Flaneur in Berlin". Mit Fotografien von Friedrich Seidenstücker. Verlag Das Arsenal, Berlin 2011. 280 S., br., 19,- [Euro].) WHi
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