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Mystische Erzählungen aus SiebenbürgenSiebenbürgen haftete immer etwas Feenhaftes an: veränderlich, unsicher, unerwartet, halluzinierend, schwebend, Schatten, Zauber, Irrwisch im Schrank, Illusionen, aus Kampfer genähter Mantel an den Kleiderhaken gehängt, aufwärts fließende Bäche, güldene Haarsträhnen in der Nacht, Vielleicht-doch-Wesen. Land der geheimen Fürsten, über das ein unbekannter Himmelskörper herrscht. Die Geschichten von Géza Szöcs bieten der Leserschaft einen unerschöpflichen Sprach- und Bilderreichtum und bewahren Siebenbürgen vor dem Vergessen. Wen Siebenbürgen interessiert, in…mehr

Produktbeschreibung
Mystische Erzählungen aus SiebenbürgenSiebenbürgen haftete immer etwas Feenhaftes an: veränderlich, unsicher, unerwartet, halluzinierend, schwebend, Schatten, Zauber, Irrwisch im Schrank, Illusionen, aus Kampfer genähter Mantel an den Kleiderhaken gehängt, aufwärts fließende Bäche, güldene Haarsträhnen in der Nacht, Vielleicht-doch-Wesen. Land der geheimen Fürsten, über das ein unbekannter Himmelskörper herrscht. Die Geschichten von Géza Szöcs bieten der Leserschaft einen unerschöpflichen Sprach- und Bilderreichtum und bewahren Siebenbürgen vor dem Vergessen. Wen Siebenbürgen interessiert, in dessen Bücherregal oder, wie der Autor sarkastisch anmerkt: wenigstens in dessen Keller oder auf dessen Dachboden könnte dieses Buch mit Zeichnungen der preisgekrönten Illustratorin Andrea Jánosi ein Plätzchen erhalten.
Autorenporträt
Géza Szocs (1953-2020), Angehöriger der ungarischen Minderheit in Rumänien, ging von 1986 bis 1989 ins politische Exil in die Schweiz, wo er in Genf als Journalist arbeitete. Er schrieb Gedichte, Prosa, Dramen und Essays und arbeitete als Übersetzer und in der Politik. Seine Gedichte gelten als wichtige Dokumente in Verbindung mit dem Sturz des Kommunismus in Ungarn und Rumänien. Zahlreiche Literaturpreise.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Christiane Pöhlmann bedauert, dass der im letzten Jahr verstorbene ungarisch-rumänische Schriftsteller, die Veröffentlichung der deutschen Übersetzung durch seinen Freund Hans-Henning Paetzke nicht mehr mitbekommt. Gefallen hätte sie ihm, wie überhaupt die ganze Ausgabe, die mit wunderbaren Illustrationen von Andrea Janosi versehen ist, da ist die Kritikerin sicher. In den 23 so kurzen wie rasanten Erzählungen reist sie mit Szöcs durch Siebenbürgen, lässt sich dabei von dessen Fantasie anstecken und liest immer wieder Kritik an der rumänischen Regierung. Anmerkungen hätte sich Pöhlmann allerdings schon gewünscht.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.06.2021

Wettlauf der Uhren
Die Siebenbürger Erzählungen von Géza Szocs

"Schläft ein Lied in allen Dingen, / Die da träumen fort und fort; / Und die Welt hebt an zu singen, / Triffst du nur das Zauberwort." Geschickter noch als womöglich von Eichendorff erwartet, bringt Géza Szocs mit seinen Erzählungen die Saiten zum Schwingen, die Welt zum Klingen. Und dennoch - der Entstehungs- und Veröffentlichungsgeschichte wohnt etwas zutiefst Tragisches inne, das beinahe die Hymne übertönt, die hier doch anzustimmen wäre. Vor gut dreißig Jahren erzählt Szocs seinem Freund und Kollegen János Sziveri von den "Untergrundfürsten", um ihn, einen bereits erkrankten Mann, auf eine Reise ins siebenbürgische Klausenburg - rumänisch Cluj-Napoca, ungarisch Kolozsvár - einzustimmen. Noch bevor sie aufbrechen, stirbt Sziveri. Als die Geschichten auf Deutsch herauskommen sollen, schärft Szocs seinem Übersetzer und Freund Hans-Henning Paetzke immer wieder ein, er müsse die Fahnen sehen. Doch ehe er sie durchgehen konnte, ist er 2020 im Alter von 67 Jahren gestorben. Paetzke erinnert an ihn in einem warmherzigen Nachwort.

Das Eichendorff'sche Gedicht ist aber auch passend, um den Charakter dieser insgesamt 23 kurzen Erzählungen zu fassen. Klausenburg dient trotz Verfalls als Sehnsuchtsort und als geheime Trutzburg, um der Verstaatlichung des Individuums ein "planloses" Fabulieren entgegenzusetzen. Die "Siebenbürger Geschichten" sind weniger Stadtporträt als freies Assoziieren und lustvolles Phantasieren. Die Trajanssäule mag den Sieg der Römer über die Daker feiern, eine dakische Splittergruppe indes setzt noch heute rund um Klausenburg den Freiheitskampf gegen das Römische Reich fort, während in einem Schloss "für gewöhnlich die siebenbürgischen englischen Königinnen geboren werden. Dieses Schloss ist eigentlich ein Wärmekraftwerk."

Den Erzählungen ist ein Gedicht von Szocs in der Tradition schönster Nonsenslyrik vorangestellt. "Schweigend stotterte der Stotterer" da, und "dauernd stummte das stumme Kind". Der Aberwitz dieser skizzenhaften Texte lässt ein wenig an Daniil Charms denken, der fließende Übergang von autobiographischen Momenten zu phantasmagorischen Bruchstücken an Bruno Schulz, vor allem an seine "Zimtläden".

Ihr Tempo gewinnen die Storys auch dadurch, dass sie die dialogische Erzählsituation nachstellen. Gelegentlich schaltet sich der Zuhörer mit einer Nachfrage ein. Im Übrigen ist Zeit ein wiederkehrendes Motiv. Da gibt es Uhrensammler und eigenwillige Antworten auf die Frage nach dem Wann: "In jenem Augenblick, der eintrat, nachdem, bevor gerade etwas hätte geschehen können." Beschleunigung ist von offizieller Seite mehr als erwünscht: "Schon an der Fassade des Gebäudes steht in großen Buchstaben zu lesen: SCHNELLER. Darin findet sich einfach alles: Schnelllese- und Schnellspeichelleckerkurse, Schnellherzoperation, Schnellsex, Schnelltrauung und Schnellehebruch ...", weshalb etliche Klausenburger in der Einführung der Sommerzeit "einen erneuten Trick der rumänischen Regierung erblickten, um die Rechte der ungarischen Minderheit zu beeinträchtigen", und Widerstand dagegen leisteten. Chaos richteten sie nicht an, da sozialistische Fabriken in vorauseilender Planerfüllung die Uhren mehrere Stunden vorstellten, dies aber je nach Gusto.

Solche Seitenhiebe gegen die "Tyrannei des Blutätzers" Nicolae Ceausescu gibt es einige. Hier wären gelegentlich Anmerkungen wünschenswert gewesen. Es müsste ja nicht gleich die komplizierte Situation nationaler Minderheiten auf dem Balkan erschöpfend abgehandelt werden, aber gewisse Informationen zu den Ungarn in Rumänien hätten die Sammlung bereichert. Auch zu manchen der erwähnten Personen wäre ein Hinweis zu begrüßen, beispielsweise zu Miklós Bánffy, einem Autor historischer Romane. Der Übersetzer Paetzke beschränkt sich leider darauf, Szocs' Biographie grob zu umreißen: ein Ungar in Rumänien, Konflikte mit der Securitate, Schweizer Exil, von 2010 bis 2012 unter Orbán Kulturstaatssekretär ... Der Genuss der Texte wird insgesamt nicht beeinträchtigt, hätte aber noch gesteigert und abgerundet werden können. Aufgewogen wird dieses Manko durch hinreißende Illustrationen von Andrea Jánosi, die in satten Farben die Texte bildlich variieren. Bei der räumlichen Darstellung sind sie teils an Marc Chagall orientiert, was zu diesen realistisch-fantastischen Erzählungen passt.

Siebenbürgen ist auch als Transsilvanien bekannt. Der Erzähler ist aber keinem Vampir begegnet, "weil es keine Vampire gibt". Dem Vernehmen nach war nicht einmal Bela Lugosi einer. Allerdings sucht Matthias Corvinus, Ungarns König im fünfzehnten Jahrhundert, gelegentlich einen Klausenburger Richter auf, um "ein bisschen zu sterblichieren".

CHRISTIANE PÖHLMANN

Géza Szocs: "Untergrundfürsten". Geschichten aus Siebenbürgen.

Aus dem Ungarischen von Hans-Henning Paetzke. Mit 21 Illustrationen von Andrea Jánosi. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2021. 128 S., geb., 20,- [Euro].

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