Seit der ersten Verurteilung der Freimaurerei durch Papst Clemens XII. (1738) wird die Mitgliedschaft von Katholiken in Freimaurerlogen mit kirchlichen Strafen belegt. Trotz nationalhistorisch bedingter Unterschiede innerhalb der Freimaurerei und trotz des Bemühens um eine differenzierte Betrachtung blieb die Haltung der maßgebenden kirchlichen Autoritäten gegenüber der gleichzeitigen Mitgliedschaft von Katholiken in Freimaurerlogen und der katholischen Kirche bis heute unverändert rigoros. Ausgehend von den historischen Anlässen der kirchlichen Verurteilungen werden im kanonistischen Teil der Arbeit die Strafnormen bis zur geltenden Rechtslage analysiert, Entwicklungen skizziert und schließlich die Frage nach der unbedingten Unvereinbarkeit, Katholik und Freimaurer zu sein, erneut gestellt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.11.2009Im Tempel strahlen die Weisheitslehrer
Jesus neben Konfuzius, Zarathustra und Platon: Das Pantheon der Freimaurer kann der Kirche kaum geheuer sein. Zwei Bücher über eine schwierige Beziehung.
Man wird im Vatikan ebenso wie in den Logen die kirchenrechtliche Dissertation von Klaus Kottmann aufmerksam lesen. Denn in der Frage nach der Stellung der Kirche zur Freimaurerei, die lange völlig abgelegen und schlechthin unaktuell erscheinen konnte, bündeln sich heute entscheidende Themen für das Selbstverständnis des nachkonziliaren Katholizismus. Und um die Sache gleich zu personalisieren, kann man die Frage auch so formulieren: Wird die künftige Kirche den Weg von Hans Küng gehen, dem 2007 der Kulturpreis der deutschen Freimaurer für sein weltethisches Lebenswerk verliehen wurde - oder wird sie dem heutigen Papst folgen, der 1983, damals noch Kardinal, für die Glaubenskongregation erklärte, Mitglieder der Logen befänden sich im Stand der "schweren Sünde"?
Die europäische Freimaurerei ist ein Kind der Aufklärung. Die Religion wurde privatisiert; dem Programm nach (wenn auch nicht immer in der Praxis der Logen) waren alle Bekenntnisse willkommen und nur die Berufung auf einen unbestimmten "Allmächtigen Baumeister aller Welten" blieb übrig. An die Stelle der Gnade rückte in den maurerischen Tempeln ein neuzeitlicher Mythos der "Arbeit". Überkonfessionell war schließlich seit den Konstitutionen Andersons auch der freimaurerische Kalender. Die christliche Zeitrechnung wird als die "gewöhnliche" bezeichnet. Man rechnet in den Logen die Jahre seit der Weltschöpfung, mit dem "Jahr des wahren Lichts" oder "anno lucis" hebt im Tempel der Kalender an.
Wie diese Überkonfessionalität sich im 32. Grad der schottischen, der Hochgradlogen im Einzelnen darstellt, schildert Burkhardt Gorissen, der bedeutende Positionen in den Logen bekleidete und die Feier für Hans Küng ausrichtete, bevor er sich zur Rückkehr in die Kirche entschloss. Dem Adepten erschließt sich bei der Einweihung das Pantheon einer "universellen Religion", zu dem Konfuzius, Zarathustra, Buddha, Moses, Sokrates, Hermes Trismegistos, Platon und tatsächlich auch Jesus von Nazareth gleichberechtigt als Menschheitslehrer gehören. Als die deutschen Bischöfe aber nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in einen Dialog mit der Freimaurerei eintraten, wurden ihnen nur die ersten drei Grade - Lehrling, Geselle und Meister - in ihren Ritualien mitgeteilt.
Zwischen der katholischen Kirche und die Tempel der Freimaurerei war schon seit den Anfängen der Bruderschaft im frühen achtzehnten Jahrhundert die entschiedenste Feindschaft gesetzt. Die Enzyklika "Quanta cura" von Papst Pius IX. hatte 1864 das Verdikt der Apostolischen Konstitutionen erneuert, "durch welche die geheimen Gesellschaften, ganz gleich, ob von ihnen der Eid auf Geheimhaltung verlangt wird oder nicht, und deren Anhänger und Begünstiger mit dem Ausschluss aus der Kirche bestraft werden". Richtig hatte die Kirche nämlich erkannt, dass die Toleranzidee der Freimaurerei sich mit einer gewissen Konsequenz zum politischen Laizismus entwickeln könne.
Die 1917 kodifizierte Fassung des Kirchenrechts hatte hier noch eine klare Position: "Die, die der Freimaurersekte oder einer anderen Vereinigung dieser Art beitreten, die gegen die Kirche oder die rechtmäßige staatliche Gewalt Böses unternehmen, ziehen sich die dem Apostolischen Stuhl vorbehaltene Tatstrafe der Exkommunikation zu." Die große Wende kam in der Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils. Schon während des Konzils war der mexikanische Bischof Sergio Mendez Arceo mit einer Stellungnahme hervorgetreten, die Kottmann referiert: "Die Freimaurerei sei in ihrem Ursprung nicht antichristlich, und es gäbe Indizien dafür, wenn auch nur wenige, dass sich eine Wiederversöhnung der Freimaurer mit der Kirche ergeben könnte." Angemahnt wurde "guter Wille".
Und nun begann ein Wechselbad. 1974 erklärte Franjo Kardinal Seper, der damalige Präfekt der Glaubenskongregation, das Erscheinungsbild der Freimaurerei habe sich gewandelt. Ohne einer neuen Fassung des kanonischen Rechts vorzugreifen, sei nun so zu verfahren, dass man jenen Katholiken, die gleichzeitig in den Logen tätig sind, die Teilnahme am Sakrament erlauben könne, wenn ihre Tempel nicht ausdrücklich gegen die Kirche agierten. Im 1983 neu gefassten Kirchenrecht kam die Freimaurerei nicht mehr ausdrücklich vor. Als Präfekt der Glaubenskongregation zog Joseph Kardinal Ratzinger am 26. November 1983 aber sozusagen die Reißleine: "Das negative Urteil der Kirche über die freimaurerischen Vereinigungen bleibt . . . unverändert, weil ihre Prinzipien immer als unvereinbar mit der Lehre der Kirche betrachtet wurden und deshalb der Beitritt zu ihnen verboten bleibt. Die Gläubigen, die freimaurerischen Vereinigungen angehören, befinden sich also im Stand der schweren Sünde und können nicht die heilige Kommunion empfangen. Autoritäten der Ortskirche steht es nicht zu, sich über das Wesen freimaurerischer Vereinigungen in einem Urteil zu äußern, das das oben Bestimmte außer Kraft setzt." Plötzlich wird man inne, wie viel damals offenbar von einem Mann abhing.
Kottmanns Auslegung der Intervention von Kardinal Ratzinger ist dagegen eine reductio ad absurdum: Verpflichtend sei die Erklärung zwar objektiv, subjektiv aber jedenfalls dann nicht, wenn für den "katholischen Freimaurer eine Unvereinbarkeit zwischen Freimaurerei und den katholischen Glaubenswahrheiten nicht zu erkennen" sei. Anders verhalte es sich nur bei solchen katholischen Freimaurern, die "willent- und wissentlich" eine der katholischen Lehre widerstreitende Position öffentlich verträten. Gorissen aber las, sehr passend, nach der Küng-Feier der Logen die Studie "Der Gott des Glaubens und der Gott der Philosophen" von Kardinal Ratzinger.
LORENZ JÄGER
Klaus Kottmann: "Die Freimaurer und die katholische Kirche". Vom geschichtlichen Überblick zur geltenden Rechtslage. Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 2009. 370 S., br., 49,- [Euro].
Burkhardt Gorissen: "Ich war Freimaurer". Sankt Ulrich Verlag, Augsburg 2009. 304 S., geb., 19,90 [Euro].
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Jesus neben Konfuzius, Zarathustra und Platon: Das Pantheon der Freimaurer kann der Kirche kaum geheuer sein. Zwei Bücher über eine schwierige Beziehung.
Man wird im Vatikan ebenso wie in den Logen die kirchenrechtliche Dissertation von Klaus Kottmann aufmerksam lesen. Denn in der Frage nach der Stellung der Kirche zur Freimaurerei, die lange völlig abgelegen und schlechthin unaktuell erscheinen konnte, bündeln sich heute entscheidende Themen für das Selbstverständnis des nachkonziliaren Katholizismus. Und um die Sache gleich zu personalisieren, kann man die Frage auch so formulieren: Wird die künftige Kirche den Weg von Hans Küng gehen, dem 2007 der Kulturpreis der deutschen Freimaurer für sein weltethisches Lebenswerk verliehen wurde - oder wird sie dem heutigen Papst folgen, der 1983, damals noch Kardinal, für die Glaubenskongregation erklärte, Mitglieder der Logen befänden sich im Stand der "schweren Sünde"?
Die europäische Freimaurerei ist ein Kind der Aufklärung. Die Religion wurde privatisiert; dem Programm nach (wenn auch nicht immer in der Praxis der Logen) waren alle Bekenntnisse willkommen und nur die Berufung auf einen unbestimmten "Allmächtigen Baumeister aller Welten" blieb übrig. An die Stelle der Gnade rückte in den maurerischen Tempeln ein neuzeitlicher Mythos der "Arbeit". Überkonfessionell war schließlich seit den Konstitutionen Andersons auch der freimaurerische Kalender. Die christliche Zeitrechnung wird als die "gewöhnliche" bezeichnet. Man rechnet in den Logen die Jahre seit der Weltschöpfung, mit dem "Jahr des wahren Lichts" oder "anno lucis" hebt im Tempel der Kalender an.
Wie diese Überkonfessionalität sich im 32. Grad der schottischen, der Hochgradlogen im Einzelnen darstellt, schildert Burkhardt Gorissen, der bedeutende Positionen in den Logen bekleidete und die Feier für Hans Küng ausrichtete, bevor er sich zur Rückkehr in die Kirche entschloss. Dem Adepten erschließt sich bei der Einweihung das Pantheon einer "universellen Religion", zu dem Konfuzius, Zarathustra, Buddha, Moses, Sokrates, Hermes Trismegistos, Platon und tatsächlich auch Jesus von Nazareth gleichberechtigt als Menschheitslehrer gehören. Als die deutschen Bischöfe aber nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in einen Dialog mit der Freimaurerei eintraten, wurden ihnen nur die ersten drei Grade - Lehrling, Geselle und Meister - in ihren Ritualien mitgeteilt.
Zwischen der katholischen Kirche und die Tempel der Freimaurerei war schon seit den Anfängen der Bruderschaft im frühen achtzehnten Jahrhundert die entschiedenste Feindschaft gesetzt. Die Enzyklika "Quanta cura" von Papst Pius IX. hatte 1864 das Verdikt der Apostolischen Konstitutionen erneuert, "durch welche die geheimen Gesellschaften, ganz gleich, ob von ihnen der Eid auf Geheimhaltung verlangt wird oder nicht, und deren Anhänger und Begünstiger mit dem Ausschluss aus der Kirche bestraft werden". Richtig hatte die Kirche nämlich erkannt, dass die Toleranzidee der Freimaurerei sich mit einer gewissen Konsequenz zum politischen Laizismus entwickeln könne.
Die 1917 kodifizierte Fassung des Kirchenrechts hatte hier noch eine klare Position: "Die, die der Freimaurersekte oder einer anderen Vereinigung dieser Art beitreten, die gegen die Kirche oder die rechtmäßige staatliche Gewalt Böses unternehmen, ziehen sich die dem Apostolischen Stuhl vorbehaltene Tatstrafe der Exkommunikation zu." Die große Wende kam in der Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils. Schon während des Konzils war der mexikanische Bischof Sergio Mendez Arceo mit einer Stellungnahme hervorgetreten, die Kottmann referiert: "Die Freimaurerei sei in ihrem Ursprung nicht antichristlich, und es gäbe Indizien dafür, wenn auch nur wenige, dass sich eine Wiederversöhnung der Freimaurer mit der Kirche ergeben könnte." Angemahnt wurde "guter Wille".
Und nun begann ein Wechselbad. 1974 erklärte Franjo Kardinal Seper, der damalige Präfekt der Glaubenskongregation, das Erscheinungsbild der Freimaurerei habe sich gewandelt. Ohne einer neuen Fassung des kanonischen Rechts vorzugreifen, sei nun so zu verfahren, dass man jenen Katholiken, die gleichzeitig in den Logen tätig sind, die Teilnahme am Sakrament erlauben könne, wenn ihre Tempel nicht ausdrücklich gegen die Kirche agierten. Im 1983 neu gefassten Kirchenrecht kam die Freimaurerei nicht mehr ausdrücklich vor. Als Präfekt der Glaubenskongregation zog Joseph Kardinal Ratzinger am 26. November 1983 aber sozusagen die Reißleine: "Das negative Urteil der Kirche über die freimaurerischen Vereinigungen bleibt . . . unverändert, weil ihre Prinzipien immer als unvereinbar mit der Lehre der Kirche betrachtet wurden und deshalb der Beitritt zu ihnen verboten bleibt. Die Gläubigen, die freimaurerischen Vereinigungen angehören, befinden sich also im Stand der schweren Sünde und können nicht die heilige Kommunion empfangen. Autoritäten der Ortskirche steht es nicht zu, sich über das Wesen freimaurerischer Vereinigungen in einem Urteil zu äußern, das das oben Bestimmte außer Kraft setzt." Plötzlich wird man inne, wie viel damals offenbar von einem Mann abhing.
Kottmanns Auslegung der Intervention von Kardinal Ratzinger ist dagegen eine reductio ad absurdum: Verpflichtend sei die Erklärung zwar objektiv, subjektiv aber jedenfalls dann nicht, wenn für den "katholischen Freimaurer eine Unvereinbarkeit zwischen Freimaurerei und den katholischen Glaubenswahrheiten nicht zu erkennen" sei. Anders verhalte es sich nur bei solchen katholischen Freimaurern, die "willent- und wissentlich" eine der katholischen Lehre widerstreitende Position öffentlich verträten. Gorissen aber las, sehr passend, nach der Küng-Feier der Logen die Studie "Der Gott des Glaubens und der Gott der Philosophen" von Kardinal Ratzinger.
LORENZ JÄGER
Klaus Kottmann: "Die Freimaurer und die katholische Kirche". Vom geschichtlichen Überblick zur geltenden Rechtslage. Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 2009. 370 S., br., 49,- [Euro].
Burkhardt Gorissen: "Ich war Freimaurer". Sankt Ulrich Verlag, Augsburg 2009. 304 S., geb., 19,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Diese kirchenrechtliche Dissertation von Klaus Kottmann läuft nach Ansicht des Rezensenten Lorenz Jäger auf diese Frage hinaus: Wird sich die katholische Kirche eher auf die Position des umstrittenen Theologen Hans Küng verständigen, die Freimaurerlogen nicht automatisch aus der katholischen Kirche auszuschließen, oder aber dem 1983 ergangenen Verdikt des damaligen Kardinal Ratzinger folgen, der die Freimaurerei als "schwere Sünde" geißelte und somit mit der katholischen Kirche für unvereinbar hielt. Ausführlich zeichnet der Rezensent die theologische Debatte nach, wie sie Kottmann in seinem Buch darlegt und referiert auch die Schlussfolgerung des Autors: "Objektiv" sei zwar dem Urteil des heutigen Papstes zu folgen, "subjektiv" aber ließe sich abwägen, solange der katholische Freimaurer die katholischen Glaubenswahrheiten mit seinen freimaurerischen Grundsätzen für vereinbar halte. Dies allerdings stellt nach Ansicht Jägers eine "reductio ad absurdum" von Seiten des Autors dar.
© Perlentaucher Medien GmbH
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