Die Vermittlung von Wissen an der Hochschule geschieht in erster Linie sprachbasiert, häufig auf der Grundlage schriftlicher Texte, mit denen Studierende sowohl rezeptiv als auch produktiv durch das Verfassen von eigenen Texten konfrontiert sind. Ein wichtiger Stellenwert kommt dabei der studentischen Seminararbeit vor allem in den Geistes- und Sozialwissenschaften zu. Das Schreiben von Seminararbeiten bedeutet für Studierende häufig die erste intensive Auseinandersetzung mit (fach-)wissenschaftlichem Wissen, das nicht primär für Studierende aufbereitet ist, sondern sich an ein kundiges Fachpublikum richtet. Insofern rückt die Wissensverarbeitung, das rezeptive Erfassen von Wissenselementen aus der Fachliteratur und das produktive Organisieren dieser Wissenselemente im Formulieren für den studentischen Text, ins Blickfeld.Im Mittelpunkt der empirischen, funktional-pragmatischen Untersuchung steht eben diese studentische Verarbeitung wissenschaftlichen Wissens, wie sie beim Verfassen studentischer Seminararbeiten in Erscheinung tritt. Der Untersuchung vorgeschaltet ist eine Bestimmung der Textart "studentische Seminararbeit". Vor dem Hintergrund dieser Textartenbestimmung beleuchtet sie dann insbesondere diejenigen Bereiche der Wissensverarbeitung, die beobachtbar sind durch den Vergleich des (fach)wissenschaftlichen Bezugstextes mit dem studentischen Text. Die These ist, dass die studentische Verarbeitung durch die Analyse der studentischen Formulierungen rekonstruierbar ist. Die Wissensverarbeitung wird also anhand der jeweils unterschiedlichen Nutzung sprachlicher Mittel herausgearbeitet. Analysegrundlage ist die Sprechhandlung mit ihren Dimensionen, der Äußerungsdimension, der propositionalen und der illokutiven Dimension. Die Untersuchung basiert auf einem Korpus von studentischen Seminararbeiten vorwiegend ausländischer Studierender, die an einer deutschen Universität zum Zweck des Leistungsnachweises verfasst wurden. Insofern findet die Gesamtarbeitin sämtlichen Detailanalysen Berücksichtigung.Es zeigt sich, dass bei der formulativen Aneignung wissenschaftlichen Wissens durch Studierende Umformulierungen in der propositionalen und illokutiven Dimension für die Wissensverarbeitung eine entscheidende Rolle spielen. Zudem lassen sich charakteristische Typen von studentischer Verarbeitung beschreiben - nämlich der Typ "zitierendes sprachliches Handeln", "Kombination aus zitierendem sprachlichen Handeln und Umformulieren", "Kombination aus Umformulieren und Zusammenfassen" -, die einen Unterschied bezüglich der Verarbeitungsleistung aufweisen.