Wussten Sie, dass Kamerun seinen Namen einem Krebs verdankt und Hummer in Amerika einst an Nutztiere verfüttert wurden? Dass Jean-Paul Sartre viele Jahre lang von schrecklichen Langusten träumte? Kennen Sie die Erzählungen, laut denen japanische Samuraikrieger als auffällig gemusterte Krabben wiedergeboren wurden?Nein? Dann wird es dringend Zeit, dass Sie sich zusammen mit Heinz-Dieter Franke auf eine Reise in die kuriose Welt der Krebse begeben. In seiner reich bebilderten Kulturgeschichte erzählt der Autor unterhaltsam und prägnant, wie die Krustentiere ihren Weg an den Sternenhimmel, in die Küchen der Ärmsten und der Reichsten sowie in internationale Sprichwörter und Legenden fanden. Und so viel sei verraten: Rückwärts ging es dabei nicht.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.07.2024Applaus für die Assel
Heinz-Dieter Franke über Krebstiere
"Ein kleiner roter Fisch, der rückwärts geht." So soll eine Kommission der französischen Akademie der Wissenschaften die Krabbe für ein Wörterbuch definiert haben. Darauf der Naturforscher Georges Cuvier (1769 bis 1832): "Eine Krabbe ist kein Fisch, sie ist nicht rot und geht auch nicht rückwärts. Davon abgesehen ist Ihre Definition absolut korrekt." Heinz-Dieter Franke hat sich von dieser Anekdote für den Titel seiner Kulturgeschichte über Krebse und Menschen anregen lassen.
In jedem Kapitel nimmt er eine Eigenschaft der Tiere, ein historisches Ereignis oder eine bestimmte Gruppe in den Blick, etwa die Asseln. Sie sind nicht gerade wohlgelitten, weshalb es der Autor auf eine "Ehrenrettung" anlegt. Wir lernen unter anderem, dass Asseln schon zur Zeit des Superkontinents Pangäa auf der Erde unterwegs waren. Exemplare, die zur Unterordnung der Landasseln gehören und wichtige Zersetzer von abgestorbenen Pflanzen sind, wurden in fünfzig Millionen Jahre altem Bernstein entdeckt - und "gleichen bereits weitgehend den modernen Formen". Zwar fehlt ihnen ein Verdunstungsschutz. Dafür erlaubt es ein im "Tierreich einzigartiges Wasserleitungssystem in der Körperoberfläche", sogar "winzigste Mengen flüssigen Wassers aus der Umgebung aufzunehmen und an die Kiemen weiterzuleiten".
Franke war lange an der Biologischen Anstalt Helgoland des Alfred-Wegener-Instituts beschäftigt. Er ist ein versierter Naturwissenschaftler, aber in seinem Buch entpuppt er sich auch als guter Geschichtenerzähler. Zum Beispiel weiß er einiges zu berichten über Darwins Forschung zu Seepocken und Entenmuscheln, die manch wichtige Einsicht für die Evolutionstheorie geliefert habe. Mehr noch: Die Beschäftigung mit den Krebsen dürfte Franke zufolge mitverantwortlich für den Erfolg der Theorie gewesen sein. Eine deutschsprachige Monographie über die Biologie der Krebse fehlt bis zum heutigen Tag. Eine lesenswerte Kulturgeschichte über die Tiere liegt nun endlich vor. EVA-MARIA BRODTE
Heinz-Dieter Franke: "Kleine rote Fische, die rückwärts gehen". Eine Kulturgeschichte der Krebse.
Mareverlag, Hamburg 2024. 336 S., Abb.,
geb., 28,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
Heinz-Dieter Franke über Krebstiere
"Ein kleiner roter Fisch, der rückwärts geht." So soll eine Kommission der französischen Akademie der Wissenschaften die Krabbe für ein Wörterbuch definiert haben. Darauf der Naturforscher Georges Cuvier (1769 bis 1832): "Eine Krabbe ist kein Fisch, sie ist nicht rot und geht auch nicht rückwärts. Davon abgesehen ist Ihre Definition absolut korrekt." Heinz-Dieter Franke hat sich von dieser Anekdote für den Titel seiner Kulturgeschichte über Krebse und Menschen anregen lassen.
In jedem Kapitel nimmt er eine Eigenschaft der Tiere, ein historisches Ereignis oder eine bestimmte Gruppe in den Blick, etwa die Asseln. Sie sind nicht gerade wohlgelitten, weshalb es der Autor auf eine "Ehrenrettung" anlegt. Wir lernen unter anderem, dass Asseln schon zur Zeit des Superkontinents Pangäa auf der Erde unterwegs waren. Exemplare, die zur Unterordnung der Landasseln gehören und wichtige Zersetzer von abgestorbenen Pflanzen sind, wurden in fünfzig Millionen Jahre altem Bernstein entdeckt - und "gleichen bereits weitgehend den modernen Formen". Zwar fehlt ihnen ein Verdunstungsschutz. Dafür erlaubt es ein im "Tierreich einzigartiges Wasserleitungssystem in der Körperoberfläche", sogar "winzigste Mengen flüssigen Wassers aus der Umgebung aufzunehmen und an die Kiemen weiterzuleiten".
Franke war lange an der Biologischen Anstalt Helgoland des Alfred-Wegener-Instituts beschäftigt. Er ist ein versierter Naturwissenschaftler, aber in seinem Buch entpuppt er sich auch als guter Geschichtenerzähler. Zum Beispiel weiß er einiges zu berichten über Darwins Forschung zu Seepocken und Entenmuscheln, die manch wichtige Einsicht für die Evolutionstheorie geliefert habe. Mehr noch: Die Beschäftigung mit den Krebsen dürfte Franke zufolge mitverantwortlich für den Erfolg der Theorie gewesen sein. Eine deutschsprachige Monographie über die Biologie der Krebse fehlt bis zum heutigen Tag. Eine lesenswerte Kulturgeschichte über die Tiere liegt nun endlich vor. EVA-MARIA BRODTE
Heinz-Dieter Franke: "Kleine rote Fische, die rückwärts gehen". Eine Kulturgeschichte der Krebse.
Mareverlag, Hamburg 2024. 336 S., Abb.,
geb., 28,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.