Herbert von Bismarck, von 1871 zwei Jahrzehnte lang engster Mitarbeiter seines Vaters, hat nach seiner Entlassung längere Aufzeichnungen über Kaiser Wilhelm II. und große Themen der deutschen Außenpolitik der 1880er Jahre verfasst. Er wollte sie für ein Erinnerungswerk verwerten, das er durch seinen frühen Tod nur für die Jahre 1871 bis 1886 fertigstellen konnte. Diese Erinnerungen und die Aufzeichnungen werden hier zusammengefügt veröffentlicht.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.10.2015Vater, Sohn, Wilhelmstraße
Herbert Graf von Bismarck
Der 1849 geborene älteste Sohn des späteren Reichsgründers Otto Fürst von Bismarck war von 1886 bis 1890 als Staatssekretär des Auswärtigen Amts "der denkbar loyalste Zu- und Mitarbeiter" des Eisernen Kanzlers und Vaters. Das hebt Winfried Baumgart in seiner einleuchtend kommentierten Edition der Erinnerungen von Herbert Graf von Bismarck hervor. Sie decken nur den Zeitraum von 1871 bis 1886 ab, also die diplomatischen Lehr- und Wanderjahre, die den kriegserfahrenen Leutnant immer wieder in die Zentrale, aber auch nach München, Bern, London und St. Petersburg brachten. Fünf Aufzeichnungen über die Beziehungen zu Russland und über Wilhelm II., die Michael Epkenhans und Eberhard Kolb bereits 2012 erstveröffentlicht haben, runden die Publikation ab.
Schon zu Kaisers Zeiten war Personalpolitik kein Zuckerschlecken. Das zeigte sich nach dem Tod des Staatssekretärs Bernhard Ernst von Bülow 1879. Einige Wunschkandidaten für die Nachfolge winkten ab, so dass die Wahl auf Paul Graf von Hatzfeldt (Botschafter in Konstantinopel) fiel: "Als politischer Kopf und Unterhändler" war er - so der junge Bismarck - "der fähigste unter den Diplomaten", jedoch "standen Moral und Arbeitslust bei ihm um so tiefer; außerdem steckte er ebenso tief in Schulden und seine ehelichen Verhältnisse waren das Gegenteil von einwandfrei". Von seiner "liederlichen" Frau wurde er 1880 geschieden und seine "fast hoffnungslose" finanzielle Situation bis Juli 1881 geregelt, so dass er die "provisorische Leitung" der Wilhelmstraße "vorbehaltlich seiner definitiven Ernennung übernehmen konnte: ihm lag daran, das Provisorium hinzuziehen", weil das Botschaftergehalt das des Staatssekretärs um das Eineinhalbfache "überstieg". Ein echter Beamter!
Als Bismarck junior später einmal im Vorzimmer seines Vaters vier "mit Akten beladene" wartende Vortragende Räte antraf, meinte er zu Bismarck senior, dass nach 1871 zum Reichskanzler "in der Regel nur der Staatssekretär zum Vortrag kam". Darauf seufzte dieser, dass Hatzfeldt viele Themen langweilen würden. Daher sei es zeitsparender, Dezernenten selbst zu "hören" und "direkt zu instruieren". Hatzfeld erklärte 1885 dem Kanzler, "die ministerielle Arbeit in Berlin griffe ihn zu sehr an", so dass er um den Botschafterposten in London bäte. Dies alles hielt Herbert von Bismarck fest, der im Jahr darauf selbst Staatssekretär wurde. Nach der Entlassung des Vaters 1890 verließ auch der Sohn die Wilhelmstraße. Den 1898 verstorbenen Fürsten Otto sollte der kränkliche Herbert nur um sechs Jahre überleben.
RAINER BLASIUS
Herbert Graf von Bismarck: Erinnerungen und Aufzeichnungen 1871-1895. Herausgegeben und bearbeitet von Winfried Baumgart. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2015. 226 S., 34,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Herbert Graf von Bismarck
Der 1849 geborene älteste Sohn des späteren Reichsgründers Otto Fürst von Bismarck war von 1886 bis 1890 als Staatssekretär des Auswärtigen Amts "der denkbar loyalste Zu- und Mitarbeiter" des Eisernen Kanzlers und Vaters. Das hebt Winfried Baumgart in seiner einleuchtend kommentierten Edition der Erinnerungen von Herbert Graf von Bismarck hervor. Sie decken nur den Zeitraum von 1871 bis 1886 ab, also die diplomatischen Lehr- und Wanderjahre, die den kriegserfahrenen Leutnant immer wieder in die Zentrale, aber auch nach München, Bern, London und St. Petersburg brachten. Fünf Aufzeichnungen über die Beziehungen zu Russland und über Wilhelm II., die Michael Epkenhans und Eberhard Kolb bereits 2012 erstveröffentlicht haben, runden die Publikation ab.
Schon zu Kaisers Zeiten war Personalpolitik kein Zuckerschlecken. Das zeigte sich nach dem Tod des Staatssekretärs Bernhard Ernst von Bülow 1879. Einige Wunschkandidaten für die Nachfolge winkten ab, so dass die Wahl auf Paul Graf von Hatzfeldt (Botschafter in Konstantinopel) fiel: "Als politischer Kopf und Unterhändler" war er - so der junge Bismarck - "der fähigste unter den Diplomaten", jedoch "standen Moral und Arbeitslust bei ihm um so tiefer; außerdem steckte er ebenso tief in Schulden und seine ehelichen Verhältnisse waren das Gegenteil von einwandfrei". Von seiner "liederlichen" Frau wurde er 1880 geschieden und seine "fast hoffnungslose" finanzielle Situation bis Juli 1881 geregelt, so dass er die "provisorische Leitung" der Wilhelmstraße "vorbehaltlich seiner definitiven Ernennung übernehmen konnte: ihm lag daran, das Provisorium hinzuziehen", weil das Botschaftergehalt das des Staatssekretärs um das Eineinhalbfache "überstieg". Ein echter Beamter!
Als Bismarck junior später einmal im Vorzimmer seines Vaters vier "mit Akten beladene" wartende Vortragende Räte antraf, meinte er zu Bismarck senior, dass nach 1871 zum Reichskanzler "in der Regel nur der Staatssekretär zum Vortrag kam". Darauf seufzte dieser, dass Hatzfeldt viele Themen langweilen würden. Daher sei es zeitsparender, Dezernenten selbst zu "hören" und "direkt zu instruieren". Hatzfeld erklärte 1885 dem Kanzler, "die ministerielle Arbeit in Berlin griffe ihn zu sehr an", so dass er um den Botschafterposten in London bäte. Dies alles hielt Herbert von Bismarck fest, der im Jahr darauf selbst Staatssekretär wurde. Nach der Entlassung des Vaters 1890 verließ auch der Sohn die Wilhelmstraße. Den 1898 verstorbenen Fürsten Otto sollte der kränkliche Herbert nur um sechs Jahre überleben.
RAINER BLASIUS
Herbert Graf von Bismarck: Erinnerungen und Aufzeichnungen 1871-1895. Herausgegeben und bearbeitet von Winfried Baumgart. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2015. 226 S., 34,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rainer Blasius findet in den Aufzeichnungen von Herbert Graf von Bismarck aus der Zeit von 1871 bis 1886 Hinweise auf die Loyalität, mit der der Sohn dem Vater und Reichskanzler diente. Weitere einleuchtende Einsichten bietet ihm Winfried Baumgarts Kommentar zu den Erinnerungen. Als diplomatische Wander- und Lehrjahre stellen sich diese dem Rezensenten dar. Bismarck schreibt aus Bern, London oder St. Petersburg, über die Beziehungen zu Russland oder Wilhelm II., erklärt Blasius.
© Perlentaucher Medien GmbH
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