In diesem Buch schreiben zwei Jungianer und ein Freudianer über die Notwendigkeit, den tiefenpsychologischen Erkenntnisansatz pfleglich zu behandeln. Angesichts des rasanten Zuwachses an neurowissenschaftlichen und kognitionspsychologischen Befunden und Theorien scheinen die ursprünglichen Entdeckungen Sigmund Freuds und Carl Gustav Jungs hoffnungslos überholt und veraltet. Aber gerade angesichts der derzeitigen Überschätzung des positivistischen Wissens und seiner Einseitigkeiten ist das Querdenken der Tiefenpsychologie unverzichtbar. Trotz der Revision mancher Auffassungen bleiben die grundsätzlichen Erkenntnishaltungen und ihre Anwendungen in der Therapie ebenso wie ihre Anregungen für andere Wissenschaften auch ein Jahrhundert später absolut notwendig. Mehr noch: Die Tiefenpsychologie sollte als Grundlage einer Wissenschaft vom Menschen betrachtet werden.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Eine gewisse Ironie liegt für den "LL." zeichnenden Rezensenten darin, dass sich die Tiefenpsychologie heute in einer Abwehrschlacht gegen den Alleinvertretungsanspruch der Neuro- und Kognitionswissenschaften befindet. Denn Freud habe durchaus den Ehrgeiz gehabt, psychische Vorgänge als quantitativ bestimmte Zustände aufzeigbarer materieller Teile darzustellen. Auch C. G. Jung habe über eine komplementäre Auffassung von Physik und Psychologie nachgedacht. In diesen historischen Verbindungen sieht der Rezensent den Vorzug, dass sie einer nichtdogmatischen wechselseitigen Ergänzung der Disziplinen den Weg bahnen können - ein Unterfangen, dem auch der vorliegende Band des Psychoanalytikers Wolfgang Mertens und der Jungianer Willy Obrist und Herbert Scholpp nahe steht. Allerdings erfährt man vom Rezensenten kaum etwas über das Buch. Eigentlich nur, dass es mit Beiträgen zur "Selbstbewusstwerdung der europäischen Naturwissenschaften über den Weg der Selbstaufklärung", zur "Tiefenpsychologie als Basaldisziplin einer integralen Humanwissenschaft" und mit einem fiktiven Gespräch zwischen Freud und einem Fragesteller von heute der "schönen Hoffnung" auf eine "Tiefenpsychologie als Grundlage der Humanwissenschaften" folgt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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