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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.02.2021Kampf gegen Lehrpläne
Das Erste, was lateinamerikanische genau wie spanische Schülerinnen und Schüler von "Don Quijote" erfahren, sind Superlative: "Der erste Roman der Moderne!" "Das größte Buch des Spanischen!". Sein Autor, Cervantes, der "Vater der Sprache"! Glauben Lehrpläne wirklich, junge Leute würden sich davon begeistern lassen? So erreichte die Pflicht, "Don Quijote" zu bewundern, in meiner kolumbianischen Kindheit zunächst das Gegenteil: Ich stellte mir das Werk als einen verstaubten Wälzer vor, der Dinge enthält, die nichts mit mir zu tun hatten.
Cervantes sprach da über irgendwelche kastilischen Gasthäuser und trockenen Landschaften, die einem Jungen aus der Millionenstadt Bogotá, der kein einziges Mal in seinem Leben eine echte Windmühle gesehen hatte, nicht fremder hätten erscheinen können. Und dann diese verfluchte, altertümliche Sprache, die ich nicht als meine eigene erkennen konnte! Jugend ist ungeduldig. Und so hätte ich mir damals nicht denken können, dass das alte Spanisch eigentlich auch heute noch wirken kann, wenn man sich darauf einlässt.
Doch ein paar Jahre später empfahl uns ein Lehrer einen Autor, der nicht auf dem Lehrplan stand: den Argentinier Jorge Luis Borges.
Ich war sofort fasziniert. Bei Borges las ich von einer Stelle im ersten Teil des "Quijote", bei der eine Figur über Cervantes spöttisch spricht; und vom zweiten Teil, später erschienen, wo viele Protagonisten den ersten Teil bereits gelesen haben! Plötzlich war das Buch nicht mehr das "wichtigste nach der Bibel", keine Sammlung von Archaismen, sondern ein verrückter postmoderner Roman und die Möglichkeit, nach Borges, "der Freundschaft und der Freude". Langsam näherte ich mich "Don Quijote" wieder an. Nun mit mehr Neugier als Ehrfurcht. Ich habe gelacht. Mitgefiebert. Gestaunt! Der Lehrplan hatte es nicht geschafft, mir den Spaß zu verderben. Dank eines Lehrers, der mir einen anderen Lehrer empfohlen hat: Borges.
Hernán D. Caro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Erste, was lateinamerikanische genau wie spanische Schülerinnen und Schüler von "Don Quijote" erfahren, sind Superlative: "Der erste Roman der Moderne!" "Das größte Buch des Spanischen!". Sein Autor, Cervantes, der "Vater der Sprache"! Glauben Lehrpläne wirklich, junge Leute würden sich davon begeistern lassen? So erreichte die Pflicht, "Don Quijote" zu bewundern, in meiner kolumbianischen Kindheit zunächst das Gegenteil: Ich stellte mir das Werk als einen verstaubten Wälzer vor, der Dinge enthält, die nichts mit mir zu tun hatten.
Cervantes sprach da über irgendwelche kastilischen Gasthäuser und trockenen Landschaften, die einem Jungen aus der Millionenstadt Bogotá, der kein einziges Mal in seinem Leben eine echte Windmühle gesehen hatte, nicht fremder hätten erscheinen können. Und dann diese verfluchte, altertümliche Sprache, die ich nicht als meine eigene erkennen konnte! Jugend ist ungeduldig. Und so hätte ich mir damals nicht denken können, dass das alte Spanisch eigentlich auch heute noch wirken kann, wenn man sich darauf einlässt.
Doch ein paar Jahre später empfahl uns ein Lehrer einen Autor, der nicht auf dem Lehrplan stand: den Argentinier Jorge Luis Borges.
Ich war sofort fasziniert. Bei Borges las ich von einer Stelle im ersten Teil des "Quijote", bei der eine Figur über Cervantes spöttisch spricht; und vom zweiten Teil, später erschienen, wo viele Protagonisten den ersten Teil bereits gelesen haben! Plötzlich war das Buch nicht mehr das "wichtigste nach der Bibel", keine Sammlung von Archaismen, sondern ein verrückter postmoderner Roman und die Möglichkeit, nach Borges, "der Freundschaft und der Freude". Langsam näherte ich mich "Don Quijote" wieder an. Nun mit mehr Neugier als Ehrfurcht. Ich habe gelacht. Mitgefiebert. Gestaunt! Der Lehrplan hatte es nicht geschafft, mir den Spaß zu verderben. Dank eines Lehrers, der mir einen anderen Lehrer empfohlen hat: Borges.
Hernán D. Caro
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