18,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Versandfertig in 1-2 Wochen
payback
0 °P sammeln
  • Broschiertes Buch

Herbst 1913, eine junge Frau aus Serbien reist alleine durch Norwegen. Im Gepäck hat sie ihr Notizbüchlein, ihr Blick ist offen und unvoreingenommen für dieses "kalte Land im Norden". Zutiefst beeindruckt von der übermächtigen Natur und von den uralten Sagen und Legenden, verfasst sie poetische Reisebeschreibungen, die Land und Menschen auf ungesehene Weise zeigen. Zuhause in Serbien muss sich die Schriftstellerin und frühe Feministin rabiaten Anfeindungen stellen.

Produktbeschreibung
Herbst 1913, eine junge Frau aus Serbien reist alleine durch Norwegen. Im Gepäck hat sie ihr Notizbüchlein, ihr Blick ist offen und unvoreingenommen für dieses "kalte Land im Norden". Zutiefst beeindruckt von der übermächtigen Natur und von den uralten Sagen und Legenden, verfasst sie poetische Reisebeschreibungen, die Land und Menschen auf ungesehene Weise zeigen. Zuhause in Serbien muss sich die Schriftstellerin und frühe Feministin rabiaten Anfeindungen stellen.
Autorenporträt
Isidora Sekulic¿, 1877 in Moorin, Vojvodina (damals Königreich Österreich-Ungarn) geboren, studierte, als eine der ersten Frauen in der Region, in Sombor und Budapest Pädagogik, Mathematik und Naturwissenschaften. Sie unternahm ausgedehnte Reisen durch Europa (Deutschland, England, Frankreich, Norwegen, Russland), vero¿ffentlichte Erzählungen, Essays, Reiseberichte und einen Roman und u¿bersetzte aus mehreren europäischen Sprachen. Im Jahre 1950 wurde sie als erste Frau als ordentliches Mitglied in die Serbische Akademie der Wissenschaften und Ku¿nste gewählt. Sie starb 1958 in Belgrad.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.12.2019

Hier können ja alle lesen!
Eine Serbin im hohen Norden: Isidora Sekulics Berichte aus Norwegen

Isidora Sekulic muss eine beeindruckende Persönlichkeit gewesen sein. Geboren 1877 in der Backa, einer historischen Region, die einst Teil Ungarns war und nach Ende des Ersten Weltkriegs größtenteils an Serbien fiel, tat sie früh, was andere Frauen damals zumindest in Südosteuropa noch kaum taten: Sie spielte eine Rolle in der Öffentlichkeit. Als Schriftstellerin, Literaturkritikerin und Essayistin war sie im nach 1918 entstandenen Königreich Jugoslawien eine führende Publizistin. Als erste Frau wurde sie zum korrespondierenden Mitglied der Serbischen königlichen Akademie der Wissenschaften in Belgrad gewählt. Zudem reiste sie allein ins Ausland und schrieb darüber. Dass sie schon dadurch auch zu einer führenden Feministin in Jugoslawien wurde, versteht sich. Heute gilt sie als eine der interessantesten Gestalten der südslawischen Geistesgeschichte.

Zu Lebzeiten aber blieben ihr Zugeständnisse an den Zeitgeist nicht erspart. Eine Reise nach Norwegen im Jahr 1913 gibt sie in Briefen als Hochzeitsreise aus, nur um ihren (ausländischen) Ehemann später per Zeitungsannonce für plötzlich verstorben zu erklären. Die Ehe, über die keine standesamtlichen Belege gefunden wurden, könnte eine Erfindung gewesen sein - wie auch ihre Behauptung, in Berlin promoviert zu haben. In der Friedenauer Presse, die seit Jahrzehnten Preziosen slawischer Literaturen in sorgfältiger Ausstattung auf Deutsch zugänglich macht, ist nun ein Buch erschienen, das Sekulic erstmals einem breiteren deutschsprachigen Publikum vorstellt: "Briefe aus Norwegen" ist das (in der Übersetzung gekürzte) Zeugnis einer Reise im Jahr 1913, die von Oslo über Bergen und Trondheim bis Hammerfest führte.

Was Sekulic darüber schreibt, lohnt zu lesen - auch wenn zwischendrin immer wieder zum Teil schwülstige Metapherngebirge überwunden werden müssen, über die sich wohl bestenfalls sagen ließe, auch sie seien dem Zeitgeist geschuldet gewesen: "In den Kelch des Lebens strömte die Morgenröte" heißt es da über einen Tagesanbruch, oder besser noch: "Norwegische Augen, in denen die seltsame Unruhe von Wasser liegt, das nach dem Ufer strebt, beruhigen sich, sobald sie Blumen erblicken. Anders im slawischen Norden: Der Russe steckt seinen Kopf gewöhnlich in ein Buch, egal, ob er sitzt oder steht, mit der Straßenbahn oder mit dem Zug unterwegs ist. Der Russe, fast immer kurzsichtig, hängt, mit gebeugten Kopf, irgendwelchen Gedanken nach, stellt sich Fragen und gibt sich Rätsel auf."

Nach ophthalmologisch-volkskundlichen Weisheiten solcher Art, die sich lesen, als habe sich der Kabarettist Gerhard Polt davon zu seinem Monolog "Alles über den Russen" anregen lassen, legt sich der raunende Ton irgendwann glücklicherweise weitgehend. Mit wachem Blick beschreibt Sekulic das winterliche Oslo, wo Schlitten das Hauptverkehrsmittel sind, begegnet Elchen und lotet die Sehnsucht von Menschen aus, die auf einsamen nördlichen Gehöften leben, wo es winters an Sonnenlicht und Gesellschaft, sommers an Dunkelheit mangelt. Dass einer Serbin in Norwegen nebenbei zudem die Armut des Landes auffällt, zeigt anschaulich, wie sich innerhalb von wenig mehr als einem Jahrhundert Dinge ändern können und geändert haben.

In dem 1925 veröffentlichten Text "In Norwegen lebt keiner von Gott verlassen" beschreibt Sekulic voller Bewunderung die norwegische Gesellschaft - aber all das lässt sich auch lesen als Kritik an den Zuständen in ihrer Heimat. Norwegen, heißt es da, "führt keine Kriege, macht keine Schulden, teilt keine Beute auf, hat keine ruhmreiche Armee". Stattdessen sorge es für die Bildung der Bevölkerung: "Was heißt, dass in Norwegen dem Volk eine viel größere Sorge gilt als dem Staat. Bei uns in Serbien ist man der Meinung, das Ansehen, das einem Volk entgegengebracht wird, gehe vom Staat aus, doch oben im Norden denkt man umgekehrt. Deshalb gibt es in Norwegen, angefangen von Kristiana bis hinaus zum Nordpol, keine einzige vergessene, nicht alphabetisierte und gemiedene Gegend."

Sekulic bewundert, "dass dem norwegischen Volk das Gefühl innewohnt, die Bevölkerung seines Landes sei nicht die Summe seiner Untertanen, sondern eine Gesellschaft". Und wenn sie eine Bäuerin beschreibt, die zwei uneheliche Söhne aufzieht, aber gesellschaftlich deswegen nicht ausgegrenzt oder missachtet wird, ist es ebenfalls nicht nötig, den Vergleich mit ihrem Heimatland zu ziehen. Ihre Leserschaft wird er sich ohnehin aufgedrängt haben, Sekulic musste nicht erklären, um wie viel schwerer es Frauen in ähnlicher Lage in ihrem eigenen Land hatten.

Leider knüpft die das Buch begleitende Einführung in Leben und Werk Sekulics stellenweise an die Phrasen der 1958 verstorbenen Autorin an. "Die Heimat Sekulics hatte sich in ein Pulverfass verwandelt" heißt es da etwa, wenn es um die politischen Lage in Serbien vor dem Ersten Weltkrieg geht. Zwar hat Maria Todorova schon 1997 in ihrem Buch über "Die Erfindung des Balkans" belegt, dass die Kombination der Worte "Balkan" und "Pulverfass" auf westliche Intellektuelle offenbar einen fast unwiderstehlichen Reiz ausübt, wenn es um Südosteuropa geht, doch die Beständigkeit dieses Klischees erstaunt immer wieder. Dafür kann Isidora Sekulic freilich nichts.

MICHAEL MARTENS

Isidora Sekulic: "Briefe aus Norwegen". Aus dem Serbischen

und hrsg. von Tatjana Petzer. Friedenauer Presse, Berlin 2019. 132 S., br., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr