Die Jeckes-Forschung hat sie übersehen, die Architekturgeschichte hat ihre Bauten ignoriert, ihre Emigration stand unter dem Stigma des "Pakts mit dem Teufel": die nach 1933 aus dem nationalsozialistischen Deutschen Reich emigrierten Juden, die im Rahmen der "Kapitalisten-Alija" nach Palästina gelangten und dort in Mittelstandsdörfern angesiedelt wurden. Organisiert wurde ihre Emigration durch die Baugesellschaft RASSCO, die 1934 im Zuge des Haavara-Abkommens für den Siedlungstransfer gegründet wurde. Bis Kriegsausbruch wurden verschiedene Siedlungen realisiert, darunter Kfar Schmarjahu und die "Siedlung der Württemberger" Schawej Zion, bis zur Staatsgründung rund zwei Dutzend. Ines Sonder und Joachim Trezib dokumentieren erstmals den gesamten Prozess der Übersiedlung von der politischen Dimension des Haavara-Transfers bis hin zu den Einzelschicksalen der Siedlerfamilien aus Deutschland. Sie eröffnen somit eine neue Perspektive auf die Fünfte Alija - durch ihr reiches, bislang unveröffentlichtes Bildmaterial auch in visueller Hinsicht.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Rezensent Klaus Hillenbrand freut sich, dass Ines Sonder und Joachim Trezib mit ihrem Buch über Mittelstandssiedlungen in Palästina für geflüchtete deutsche Juden eine Leerstelle füllen. Denn zur Entstehung des Haavara-Abkommens, das diese Siedlungen erst ermöglichte, weil es wohlhabenderen Deutschen erlaubte, Kapital nach Palästina zu "transferieren", wie Hillenbrand erklärt, gebe es zwar schon einige Studien, nicht aber zu dessen positiven Auswirkungen: So erzählen Sonder und Trezib in mehreren Familiengeschichten, wie den ausgewanderten Juden ein neues Leben ermöglicht wurde. In den Siedlungen der Wohnungsbaugesellschaft Rassco (den daraus resultierenden Buchtitel findet Hillenbrand etwas "sperrig") bekamen die Neuankömmlinge eine Art Startkapital aus Land, etwas Vieh und Gemüsesetzlingen und sollten sich als Bauern verdingen - wobei sie zum Teil ihre Unterkünfte erst selbst noch bauen mussten, wie einige Familien sich erinnern. Auch darüber, dass die Siedlungen mit der "Sprache Hitlers" bei den Nachbarn nicht gut ankam und gegen das Haavara-Abkommen dort auch protestiert wurde, klären die "akribischen Recherchen" der Autor*innen auf - vor allem aber darüber, dass das Abkommen "lebensrettend" und damit ein Erfolg war, so Hillenbrand.
© Perlentaucher Medien GmbH
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