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Die "Kursk" war der Stolz der russischen Flotte. Das Boot, das unbemerkt durch Gibraltar ins Mittelmeer eindrang, repräsentierte den Weltmachtanspruch Moskaus. Als es explodierte, versank ein Mythos. Während der dramatischen Versuche, die 118 eingeschlossenen Seeleute der "Kursk" zu bergen, hielt die Welt den Atem an. Was war geschehen, als am 12. August 2000 eine gewaltige Detonation das modernste U-Boot der russischen Flotte erschütterte und auf den Grund des Nordmeers zwang? Hatte es ein amerikanisches Schiff gerammt? War es Opfer einer russischen Rakete im Flottenmanöver geworden? Oder…mehr

Produktbeschreibung
Die "Kursk" war der Stolz der russischen Flotte. Das Boot, das unbemerkt durch Gibraltar ins Mittelmeer eindrang, repräsentierte den Weltmachtanspruch Moskaus. Als es explodierte, versank ein Mythos. Während der dramatischen Versuche, die 118 eingeschlossenen Seeleute der "Kursk" zu bergen, hielt die Welt den Atem an. Was war geschehen, als am 12. August 2000 eine gewaltige Detonation das modernste U-Boot der russischen Flotte erschütterte und auf den Grund des Nordmeers zwang? Hatte es ein amerikanisches Schiff gerammt? War es Opfer einer russischen Rakete im Flottenmanöver geworden? Oder waren die eigenen Torpedos an Bord explodiert? Moskau suchte zu verdunkeln und wies über lange Stunden die Hilfsangebote des Westens zurück. Bettina Sengling und Johannes Voswinkel haben die Geschichte des Bootes, das fast verbrecherische russische Krisenmanagement und das Schicksal der Hinterbliebenen recherchiert. Sie sind auf eine moderne Tragödie gestoßen, von menschlichem Heldentum und nationalem Größenwahn
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.02.2002

Hilflos und unehrlich
Die Moskauer Reaktionen auf den Untergang der "Kursk"

Bettina Sengling/Johannes Voswinkel: Die Kursk. Tauchfahrt in den Tod. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart/München 2001. 287 Seiten, 18,90 Euro.

Über den Untergang der "Kursk", das dramatische Sterben der Mannschaft des russischen Atom-U-Boots im August 2000, ist viel berichtet worden. Über die Hintergründe weiß man nach wie vor wenig. Die dicht recherchierte Reportage von Bettina Sengling und Johannes Voswinkel kompensiert dieses Defizit. Den Verlauf dieser Katastrophe, ihre Gründe und Konsequenzen haben sie klug und komprimiert zusammengefaßt. Die "Kursk" war nicht irgendein Boot und ihre Havarie nicht einer jener "Störfälle", wie er für die sowjetische oder postsowjetische Gesellschaft so typisch ist. Vielmehr war sie "das" Boot: ein Waffensystem der Superlative, mit einer Wasserverdrängung von 24 000 Tonnen das größte Mehrzweck-Unterseeboot der Welt. Erst im Mai 1994 war sie vom Stapel gelaufen.

Auf der "Kursk" ruhte die Hoffnung der Flottenführung. Nachdem große russische Einheiten fast zehn Jahre lang nicht mehr im Mittelmeer präsent gewesen waren, blieb es diesem Boot vorbehalten, hier im Sommer 1999 erstmals wieder aufzukreuzen. Ihre besondere Brisanz erhielt seine Aufklärungsfahrt vor dem Hintergrund des Engagements der Nato im ehemaligen Jugoslawien. Eine nicht minder große Bedeutung war jenem Manöver zugedacht, das die russische Nordflotte ein Jahr später in der Barentssee nördlich von Murmansk veranstaltete. Diese größte Marineübung seit Zerfall der Sowjetunion sollte nicht allein der Nato imponieren. Auch die politische Führung in Moskau wollte man von der künftigen Schlüsselrolle der Marine überzeugen.

Doch kam alles ganz anders. Das begann bereits mit den peinlichen Aussetzern bei den Tests der Marschflugkörper und Flugkörpertorpedos. "Das große Manöver", so ein Beobachter, "war ein totaler Reinfall." Die Katastrophe, mit der das postkommunistische Rußland sein Ansehen dauerhaft beschädigte, war das freilich noch nicht. Sie begann am Samstag, dem 12. August 2000, zwischen 11.28 Uhr und 11.30 Uhr. In dieser Zeit erfaßten norwegische Seismologen zwei Explosionen im Manövergebiet der Barentssee. Danach war der Kontakt zur "Kursk" abgerissen; kurz zuvor hatte ihr Kapitän noch Probleme mit einem Torpedo gemeldet.

Es spricht für die Autoren, wenn sie die Spekulationen um die Unglücksursache nicht weiter anheizen, sondern sich darauf beschränken, die oft haarsträubenden Verdächtigungen Stück für Stück zu entkräften. Die "Kursk" ist wohl kaum mit einem amerikanischen U-Boot zusammengestoßen, wie es russische Militärs und Politiker suggerierten, und auch nicht von einem tschetschenischen Selbstmord-Attentäter in die Luft gesprengt worden. Vielmehr deutet alles darauf hin, daß eine Torpedoexplosion an Bord erst den Bug und dann die Kommandozentrale des Bootes verwüstete, das dann als stählerne Röhre 108 Meter tief auf den Grund der Barentssee absackte. Eigentlich durften die Torpedos, welche die "Kursk" geladen hatte, wegen ihres hochexplosiven Antriebs im Manöver nicht verwendet werden. Wenn sie dennoch an Bord waren, weil es im Heimathafen Widjajewo keine Spezialkräne zum Ausladen mehr gab, so wirft das ein Schlaglicht auf den Zustand der russischen Marine.

In jenen Tagen "danach" zeigte sich aber noch mehr. Die höchsten militärischen und politischen Repräsentanten Rußlands decouvrierten sich gleich dreimal: im Bankrott ihrer Informationspolitik, in der Hilflosigkeit ihrer Rettungsversuche sowie im Hintertreiben einer effizienten ausländischen Hilfe. So gesehen, sind die 118 Seeleute der "Kursk" nicht allein einer Explosion zum Opfer gefallen.

Erst am 16. August akzeptierten die russischen Militärs Hilfe aus dem Westen. Aber auch dann wurden die britischen Spezialisten erst gar nicht an die Unglücksstelle herangelassen, während die Norweger bei ihren verzweifelten Rettungsversuchen behindert und sogar bewußt falsch informiert wurden. Die russische Führung wollte sich mit der Hilfe von außen offenbar nur noch rechtfertigen, zugleich aber den Verdacht nähren, das Ausland zeige ein schlechtes Gewissen, weil eben doch ein fremdes U-Boot verantwortlich für diese Tragödie sei.

In seiner gleichermaßen hilflosen wie zynischen Reaktion hat das politisch-militärische System Rußlands mehr offenbart, als ihm eigentlich lieb sein kann: die Verkommenheit des Apparats, seine unübersehbaren technischen Defizite, die Unehrlichkeit der Informationspolitik, die bedrückende Armut, aber auch die ungebrochenen außen- und militärpolitischen Machtansprüche und nicht zuletzt eine frappierende Härte gegenüber den eigenen Leuten. Die Lektüre dieses Buchs ist uneingeschränkt zu empfehlen.

CHRISTIAN HARTMANN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.12.2001

Logbuch der Fehler
Warum die Kursk untergehen musste
BETTINA SENGLING, JOHANNES VOSWINKEL: Die Kursk. Tauchfahrt in den Tod, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart/München 2001. 287 Seiten, 36Mark.
Die Einsicht kam wieder einmal deutlich zu spät, darin immerhin ist die russische Führung außerordentlich konsequent. Fast 15 Monate, nachdem das Atom-U-Boot Kursk in der Barentssee verunglückt war, trat Generalstaatsanwalt Wladimir Ustinow vor die Presse und teilte mit, es gebe nicht einen einzigen Hinweis darauf, dass die Kursk mit einem ausländischen U- Boot kollidiert sei. Nur ist es ja so, dass es eigentlich nie einen ernst zu nehmenden Hinweis darauf gegeben hatte, dass die Kursk mit einem ausländischen U-Boot kollidiert ist. Der russischen Seite allerdings hatte dies im zurückliegenden Jahr nie etwas ausgemacht; unerschrocken wie ein erfahrener Seemann wiederholte sie ihre selbst lancierte Kollisionsthese, im Wissen, dass nichts an ihr stimmte.
Gefahr an Bord
Das jüngste Eingeständnis der russischen Staatsanwaltschaft konnte in dem Buch von Bettina Sengling und Johannes Voswinkel, die als Stern- Korrespondenten in Moskau arbeiten, noch nicht berücksichtigt werden. Dennoch hat das von beiden recherchierte Material ausgereicht, um ein Werk zu schaffen, das sich wie ein Logbuch russischer Unzulänglichkeiten liest, und zwar gleich auf mehreren Ebenen: Torpedos mit einem hochexplosiven Antrieb, „die bei einem Manöver gar nicht an Bord hätten sein dürfen”, ein Flottenkommando, welches das Unglück zu spät bemerkte, veraltete Rettungstechniken, stolze Offiziere, die ausländische Hilfsangebote ausschlugen und sich große Mühe gaben, Informationen über das Ausmaß der Katastrophe zurückzuhalten oder zu verdrehen, Militärbehörden, welche die Angehörigen tagelang im Ungewissen ließen. Schließlich ein Präsident, der sich kaum vom sonnigen Badeort Sotschi zu lösen vermochte, um ein aufgewühltes Volk zu trösten. Die Tragödie im August 2000 habe den Verfall des Landes offenbart, schreiben die Autoren; sie „ließ den Zynismus und die Morallosigkeit der Eliten sichtbar werden”. „Das Unglück in der Barentssee spiegelte alle Mängel der russischen Flotte wieder: Vernachlässigung, Verantwortungslosigkeit, Inkompetenz.”
Selbst das ausführlich nachgezeichnete Drama um den Untergang des modernsten russischen Atom-U-Boots und die Schilderung des bisweilen kläglichen Katastrophen-Managements allein hätte allerdings wohl noch nicht genügend Stoff für ein 280 Seiten umfassendes Buch hergegeben. Und so nutzten die Autoren die Chance, mit Blick auf das Schicksal einiger Opfer und deren Angehöriger auch ein Bild zu zeichnen von einem Volk, das nach dem Zerfall der Sowjetunion in weiten Teilen verarmt ist. Woran ließe sich dies besser messen als an den Marinesoldaten, die einst eine der Säulen des Sowjetstolzes bildeten?
In Widjajewo, dem kargen Garnisonsstädtchen der Nordflotte, müssen die Soldaten und ihre Familien in ihren Wohnungen frieren, weil die Heizungen selten funktionieren und die Zimmertemperaturen kaum mehr als null Grad erreichen. Swetlana, Frau des Oberfähnrichs Nikolaj Misjak, hat für sich und ihren kleinen Sohn häufig nicht einmal genügend Geld, um Milch und Brot zu kaufen. Ihr Mann wartet oft monatelang auf seinen Sold. „In Zentralrussland helfen sich die Menschen mit Kartoffeln aus dem Garten”, schreiben Sengling und Voswinkel, „doch hier, am Polarkreis, gedeiht Gemüse nur im Treibhaus.”
Die Armut ist so groß, dass Misjak, der nur durch einen Zufall nicht am entscheidenden Manöver der Kursk teilnimmt, später mit Blick auf die hohen Entschädigungssummen an die Hinterbliebenen seiner Frau sagt: „Wenn ich auf der Kursk gewesen wäre, dann wärest Du mit den Kindern jetzt versorgt.”
Fast 60000 Mark enthalten manche Angehörige der 118 gestorbenen Seeleute – Geld, das neidisch macht. Manche dürfen nun sogar die trostlose Garnison verlassen, weil ihnen anderswo Wohnungen zugewiesen werden. Angehörige werden plötzlich angebettelt, beschimpft, in einigen Familien kommt es zu Zerwürfnissen, weil Eltern verheirateter Kursk-Opfer kein Geld bekommen haben, stattdessen nur die jeweiligen Witwen. In Sowjetzeiten galten Familien als Refugien, heute können sie am hässlichen Streit um das Geld für die Hinterbliebenen auseinander brechen – auch dies sind Facetten des Kursk-Desasters.
Bettina Sengling und Johannes Voswinkel haben also nicht nur ein detailreiches Buch geschrieben über eine U-Boot-Katastrophe, über den sichtbaren Niedergang einer militärischen Weltmacht. Es ist auch die Skizze eines neuen Russland geworden, in dem zugleich „die Geringschätzung der individuellen Persönlichkeit” noch immer Bestand hat.
FRANK
NIENHUYSEN
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als die Kursk im August 2000 in der Barentssee unterging, kam eins zum anderen, berichtet Frank Nienhuysen: Unaufmerksames Führungspersonal, veraltete Technik, explosive Torpedos sowie der unverständliche Verzicht auf ausländische Hilfe hätten das Unglück begünstigt, hat Nienhuysen in diesem "Logbuch russischer Unzulänglichkeiten" gelesen. Das Kursk-Unglück verdeutliche nach Meinung des Autorenduos, beide sind Stern-Korrespondenten, den "Verfall des Landes". Die Autoren haben Schilderungen des Untergangsdramas mit Berichten angereichert über das Schicksal der - bitterarmen - Opfer und ihren Angehörigen, referiert Nienhuysen und schildert, wie Familien auseinanderbrachen, weil die Witwen eine Abfindung erhielten, nicht aber die Eltern verheirateter Kursk-Opfer. Bettina Sengling und Johannes Voswinkel haben für den Rezensenten nicht nur ein detailreiches Buch geschrieben über eine U-Boot-Katastrophe und über den sichtbaren Niedergang einer militärischen Weltmacht - es sei auch die Skizze eines neuen Russland geworden, in dem 'die Geringschätzung der individuellen Persönlichkeit' noch immer Bestand habe, zitiert Nienhuysen die Autoren. Eine Zusatzinformation hat der Rezensent noch: nachdem die russische Regierung 15 Monate lang behauptet hatte, die Kursk sei von einem anderenU-Boot gerammt worden, hat die russische Staatsanwaltschaft endlich zugegeben, dass keinen einzigen Hinweis dafür gibt. Da war das Buch der Autoren allerdings schon im Druck.

© Perlentaucher Medien GmbH
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