Die wirkungsreiche und hochumstrittene Studie des klassischen Philologen und Religionswissenschaftlers Walter F. Otto (1874-1958) "Dionysos. Mythos und Kultus" bildet erstmals den Gegenstand einer Monographie. Ottos Klassiker aus dem Jahr 1933 wird vor dem Hintergrund sämtlicher Publikationen dieses Gelehrten und bisher überwiegend unerforschter biographischer Kontexte in zeitgenössischen soziokulturellen, institutionellen und politischen Zusammenhängen verortet. Die Studie stellt sich als ein Manifest moderner Religiosität antiker griechischer Prägung heraus, das den Zweck verfolgt, die Voraussetzungen für eine kulturelle Erneuerung Europas zu schaffen. Dionysos, der hier zum ersten Mal als ein genuin griechischer Gott gedeutet wird, dient dabei als ein ideales Beispiel zur Entwicklung und Popularisierung von Ottos partikularer Position zum Ursprung und Wesen der altgriechischen Religion und darüber hinaus des religiösen Phänomens überhaupt. Die Untersuchung der Entstehungsgeschichte von Ottos "Dionysos"-Studie nimmt als ihren Ausgangspunkt die übergeordnete Fragestellung nach dem Verhältnis von Antike-Forschung und moderner Kultur: Wie viel Gegenwart steckt also in Antike-Studien? Und welche Rolle spielt die Gegenwart bei der Wissensvermittlung über antike Kultur?