Als Holly in den Himmel kommt, ist ihr Leben noch lange nicht zu Ende. Im Jenseits ist ganz schön was los. Mitten im Gewimmel von Menschen und Tieren trifft sie auf Frida, die schon seit 100 Jahren hier ist und sich auskennt. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg zur Engelschule. Denn als Engel darf man, wie Frida verrät, zur Erde zurückreisen. Holly will unbedingt nachsehen, wie es ihrer Familie geht. Doch seit Bortel den Himmel regiert, ist die Schule geschlossen und der Draht zur Erde gekappt.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.08.2022Der Himmel
im Widerstand
Wie Holly und Frida
für eine bessere Welt kämpfen
„Aus dem Lautsprecher scheppert eine Durchsage: Achtung, alle frisch Verstorbenen der Linien 3 und 18 bitte zur Station D. Ihr Bus fährt in wenigen Minuten.“
Gerade noch rannte die zehnjährige Holly über die Straße und achtete, voller Wut auf ihre Mutter, nicht auf den Lieferwagen, der sie erfasste. Zu ihrem großen Schrecken befindet sie sich plötzlich in einer riesigen Halle. In dem unglaublichen Gewimmel von Menschen und Tieren, die ihre Busse suchen, spricht sie Frida, ein seltsames Mädchen, an, das hier schon seit 100 Jahren herumirrt und ihr erklärt, was sie jetzt erwartet.
Micha Lewinsky setzt in seinem Debüt „Holly im Himmel“ seine Erfahrungen als Drehbuchautor und Filmemacher ein, und seine Fantasie scheint zwischen Himmel und Erde keine Grenzen zu kennen. Alle Verstorbenen werden mit Bussen zu ihren Zimmern gefahren, hinter denen sich die Welt befindet, die sie sich schon auf der Erde gewünscht haben, und in der sie nun hier im Himmel für alle Ewigkeit leben werden. Holly und Frida beobachten, wie die Passagiere den Bus verlassen, die alte Dame von ihren Freunden begrüßt wird, und ein Eisbär und ein Inuit in der Arktis verschwinden.
Aber ob Hollys Wunsch, dass sie hinter ihrer Tür wieder ihre Eltern trifft, die sich getrennt hatten, und der blöde Uwe, der Freund der Mutter, wieder verschwunden ist, Wirklichkeit werden soll? Sie beginnt nachzudenken und möchte zur Erde zurückkehren, aber dazu muss sie ein Engel werden – erklärt ihr Frida – und vorher die Engelschule besuchen. Warum das schwierig ist, erzählt der dramatische Teil der Handlung, mit manchen realsatirischen Bezügen zu aktuellen Problemen auf der Erde. Denn im Himmel herrscht der Diktator Bortel, der brutal Ordnung und Gehorsam verlangt und bald Jagd auf die beiden Kinder macht.
In einer Art literarischer Montagetechnik wechselt der Autor in seinen Szenen nun zwischen Himmel und Erde, denn Frida und Holly, nach einigen Schwierigkeiten beste Freundinnen, gelangen mit Hilfe einer Widerstandsgruppe der Engel auf die Erde. Um nicht erkannt zu werden, als altes Ehepaar, das nun von Hollys Familie aufgenommen wird. Was natürlich Holly mit ihren kindlichen Wünschen als vermeintliche Erwachsene in Schwierigkeiten bringt. Das endet oft in Komik, denn verbunden werden beide Welten mit Slapstick und Humor, mit Spannung und Überraschung, und der Erzähler bringt sich selbst ein, wenn er Fragen stellt und Hinweise auf den Verlauf der Geschichte gibt.
Die wird immer turbulenter, bis sie mit einem filmreifen Showdown im Himmel und auf Erden endet, bei dem der Diktator mit einer Bratpfanne, geschwungen von einem Widerstandsengel, außer Gefecht gesetzt wird. Doch vorher gibt der Autor Holly die Möglichkeit, ihrer Mutter und dem Bruder bei der Trauer über ihren Tod zu helfen. „Ich würde mich sehr freuen, wenn das Buch tröstet, wenn es Mut macht. Und vielleicht, das wäre wundervoll, wenn es Lust macht zu leben“, sagte Micha Lewinsky in einem Interview. (ab 10 Jahre)
ROSWITHA BUDEUS-BUDDE
Micha Lewinsky: Holly im Himmel. Mit Illustrationen von Lawrence Grimm. Diogenes 2022. 208 Seiten, 14 Euro. (Erscheinungsdatum 24. August)
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
im Widerstand
Wie Holly und Frida
für eine bessere Welt kämpfen
„Aus dem Lautsprecher scheppert eine Durchsage: Achtung, alle frisch Verstorbenen der Linien 3 und 18 bitte zur Station D. Ihr Bus fährt in wenigen Minuten.“
Gerade noch rannte die zehnjährige Holly über die Straße und achtete, voller Wut auf ihre Mutter, nicht auf den Lieferwagen, der sie erfasste. Zu ihrem großen Schrecken befindet sie sich plötzlich in einer riesigen Halle. In dem unglaublichen Gewimmel von Menschen und Tieren, die ihre Busse suchen, spricht sie Frida, ein seltsames Mädchen, an, das hier schon seit 100 Jahren herumirrt und ihr erklärt, was sie jetzt erwartet.
Micha Lewinsky setzt in seinem Debüt „Holly im Himmel“ seine Erfahrungen als Drehbuchautor und Filmemacher ein, und seine Fantasie scheint zwischen Himmel und Erde keine Grenzen zu kennen. Alle Verstorbenen werden mit Bussen zu ihren Zimmern gefahren, hinter denen sich die Welt befindet, die sie sich schon auf der Erde gewünscht haben, und in der sie nun hier im Himmel für alle Ewigkeit leben werden. Holly und Frida beobachten, wie die Passagiere den Bus verlassen, die alte Dame von ihren Freunden begrüßt wird, und ein Eisbär und ein Inuit in der Arktis verschwinden.
Aber ob Hollys Wunsch, dass sie hinter ihrer Tür wieder ihre Eltern trifft, die sich getrennt hatten, und der blöde Uwe, der Freund der Mutter, wieder verschwunden ist, Wirklichkeit werden soll? Sie beginnt nachzudenken und möchte zur Erde zurückkehren, aber dazu muss sie ein Engel werden – erklärt ihr Frida – und vorher die Engelschule besuchen. Warum das schwierig ist, erzählt der dramatische Teil der Handlung, mit manchen realsatirischen Bezügen zu aktuellen Problemen auf der Erde. Denn im Himmel herrscht der Diktator Bortel, der brutal Ordnung und Gehorsam verlangt und bald Jagd auf die beiden Kinder macht.
In einer Art literarischer Montagetechnik wechselt der Autor in seinen Szenen nun zwischen Himmel und Erde, denn Frida und Holly, nach einigen Schwierigkeiten beste Freundinnen, gelangen mit Hilfe einer Widerstandsgruppe der Engel auf die Erde. Um nicht erkannt zu werden, als altes Ehepaar, das nun von Hollys Familie aufgenommen wird. Was natürlich Holly mit ihren kindlichen Wünschen als vermeintliche Erwachsene in Schwierigkeiten bringt. Das endet oft in Komik, denn verbunden werden beide Welten mit Slapstick und Humor, mit Spannung und Überraschung, und der Erzähler bringt sich selbst ein, wenn er Fragen stellt und Hinweise auf den Verlauf der Geschichte gibt.
Die wird immer turbulenter, bis sie mit einem filmreifen Showdown im Himmel und auf Erden endet, bei dem der Diktator mit einer Bratpfanne, geschwungen von einem Widerstandsengel, außer Gefecht gesetzt wird. Doch vorher gibt der Autor Holly die Möglichkeit, ihrer Mutter und dem Bruder bei der Trauer über ihren Tod zu helfen. „Ich würde mich sehr freuen, wenn das Buch tröstet, wenn es Mut macht. Und vielleicht, das wäre wundervoll, wenn es Lust macht zu leben“, sagte Micha Lewinsky in einem Interview. (ab 10 Jahre)
ROSWITHA BUDEUS-BUDDE
Micha Lewinsky: Holly im Himmel. Mit Illustrationen von Lawrence Grimm. Diogenes 2022. 208 Seiten, 14 Euro. (Erscheinungsdatum 24. August)
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Ein Jugendbuch mit schwierigem Thema haben Lewinsky und Grimm vorgelegt, verrät Rezensentin Judith Scholter. Es geht um Holly, die, nachdem die von der Trennung ihrer Eltern erfahren hat, wütend auf die Straße rennt und in einem Unfall stirbt. Als Besonderheit hebt die Rezensentin hier hervor, dass nicht die Trauer der Familie im Fokus der Geschichte steht, sondern Hollys Leben im Himmel und ihre Bemühungen, noch einmal auf die Erde zurückzukommen. Lewinsky erzählt dies in angenehm beschwingter, nur manchmal zu gewollt lustiger Sprache und schafft eine leichtfüßige und trotzdem der Thematik angemessene Geschichte, lobt die Rezensentin, die diese Geschichte "versöhnlich und hoffnungsvoll" findet.
© Perlentaucher Medien GmbH
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