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Following the success of Spoon in 2002, & Fork presents 10 leading design experts' choice of 100 of the most important young product designers from around the world. The result is a comprehensive, must-have survey of today's most innovative international product design.

Produktbeschreibung
Following the success of Spoon in 2002, & Fork presents 10 leading design experts' choice of 100 of the most important young product designers from around the world. The result is a comprehensive, must-have survey of today's most innovative international product design.

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.04.2007

Ironischer Wohnen
Ein neuer Bildband bestätigt, was der Markt schon ahnen ließ: Design ist die neue Kunst - das Zuhause-Sein wird nicht einfacher dadurch

Nach der Malerei - das sagen seit Jahren alle, die es wissen müssen, und die, die nichts wissen, sagen es vorsichtshalber erst recht -, nach der Malerei komme jetzt die Skulptur. Und dass die Anleger am Kunstmarkt sich sozusagen bitte schon mal umstellen können von flach auf sperrig. Aber wenn man sich die letzten Entwicklungen auf diesem Markt mal genauer anschaut, dann sieht es viel eher so aus, als käme nach dem Bild zum Sofa stattdessen in Wahrheit jetzt das Sofa zum Bild. Und zwar als Skulptur.

In welchem Maße das Design von Gebrauchsgütern die Sehnsüchte der Großsammler inzwischen befeuert, ist spätestens seit dem 9. Juni 2005 unverkennbar. An diesem Tag kam bei Christies ein Glastisch von Carlo Mollino aus dem Jahr 1949, wie man in diesem Falle unpassenderweise so sagt, unter den Hammer - und brachte drei Millionen Euro. Seitdem ging das Schlag auf Schlag, und es war nur eine Frage der Zeit, bis die Designklassiker schlichtweg ausverkauft waren. Das machte aber nichts; wie schon bei der Kunst präferieren die neuen Sammlergenerationen ohnehin ästhetisch eher das Zeitgenössische und anlagetechnisch die spekulativeren Werte. Für diese Leute wurde vor zwei Jahren extra die Messe "Design Miami Basel" ins Leben gerufen, und das Auktionshaus Phillips de Pury veranstaltet seit etwa dem gleichen Zeitpunkt Versteigerungen von sogenannter "Design Art", deren Kataloge fast noch coffeetabletauglicher sind als die zur Kunst.

Diese Entwicklung hat in kürzester Zeit auch schon ihre Superstars hervorgebracht, und der Neo Rauch der Objektgestaltung heißt ganz zweifelsfrei Marc Newson. Die "Lockheed Lounge" des Australiers, eine spätestens durch Madonnas Video zu "Rain" bekanntgewordene Kreuzung aus Recamiere und Bomberflugzeug, wurde vor anderthalb Jahren bei Sotheby's in New York bei einer Million Dollar zugeschlagen. Ursprünglich hat Newson die Sitzobjekte mal für weniger als zehntausend verkauft, und der Händler, der für die Liege eine Million hingelegt hat, wollte jetzt schon wieder 2,5 Millionen dafür haben. So viel zu den Gewinnmargen. Ähnlich ist es bei Leuten wie Ross Lovegrove oder Ron Arad: Auch hier der Hang zu irgendwie quecksilberartig verflüssigten Metalldingern, ein ausgeprägtes Starbewusstsein und spektakuläre Auktionserlöse. Inzwischen ist es schon so, dass ein eigentlich so unprätentiös und verbraucherfreundlich arbeitender Gestalter wie Stefan Diez seine Prototypen eigenhändig bei einem Münchner Auktionshaus einliefert. Eines bleibt natürlich nicht aus, wenn Design wie marktgängige Kunst behandelt wird: die Fixierung auf den Prototypen, das Einzelstück, maximal die Kleinstserie, denn Massenprodukte, und seien sie noch so gelungen gestaltet, können einen echten Sammler nicht glücklich machen.

Man kann sich nun gut vorstellen, dass ganze Generationen von ernstbrilligen Gestaltungsethikern mit Ulmer Hockern um sich werfen vor Empörung über diese Hingabe an einen so niedrigen menschlichen Impuls wie den Wunsch nach Exklusivität. Auf der anderen Seite steckt ja aber auch in frugalsten Entwürfen meistens ein Elitismus, der eigentlich ins Museum will. Und dort angekommen, nehmen sich viele Designer auf jeden Fall nicht uninteressanter aus als ihre Kollegen aus der ganz freien Kunst. Marc Newson hatte seine Einzelschau bei Gagosian, Konstantin Grcic seine im Münchner Haus der Kunst, und das Victoria & Albert Museum in London beweist mit einer eben eröffneten Großausstellung über die Wechselwirkung von Surrealismus und Design, dass die Zuneigung auf Gegenseitigkeit beruht und auch die traumwandlerischste Kunst auf Vergegenständlichung im Wohnzimmer drängt - wofür die zum Sofa gewordene Sehnsucht des Salvador Dalí nach den Lippen von Mae West nur das berühmteste Beispiel ist.

Auch heute trifft das Design auf seinem Weg in die Kunst auf eine Kunst, die es ihrerseits stark zum Design hinzieht, wobei unter Kritikern noch umstritten ist, ob man ihr das vorwerfen oder zugutehalten soll: Weil sie sich in der Wiederaufnahme der alten Arbeit am Dekorativen, etwa durch die Turner-Preis-Gewinnerin Tomma Abts, immerhin wieder einer geschmäcklerischen Kritik stellt, während sich die Designer umgekehrt schon auf die seltsame ästhetische Unangreifbarkeit freuen dürfen, die heute überall dort herrscht, wo Kunst draufsteht.

Dies alles musste vorausgeschickt werden, um nun endlich zu folgendem Buch zu kommen. Also: Der Phaidon-Verlag hat wieder einmal zehn Experten gebeten, ihre jeweiligen zehn liebsten Nachwuchsdesigner vorzustellen. Das hat der Verlag vor fünf Jahren schon einmal getan, damals hieß das Buch "Spoon" und war tatsächlich ein schöner Überblick darüber, was sich auf der Welt in der Produktgestaltung so tut. Diesmal heißt der Band "&Fork", und unter den oben beschriebenen Prämissen kann man es auch als eine Kunstausstellung in Form eines wirklich prachtvollen Buches betrachten (zehn Kuratoren sind für eine Kunstausstellung, die etwas auf sich hält, heute das mindeste). Nur eine Minderheit von Dingen hier lohnt die Anschaffung, weil sie so schön und dezent gestaltet wären wie etwa die Sideboards und Stühle von Russell Pinch. Für die meisten gilt eher das Gegenteil - und das, was die Autoren als Strategie des Recycling und damit als designertypisch ethische Grundhaltung auffassen, wird jedenfalls auf auffällige Weise auch durch Lautréamonts Definition des künstlerischen Surrealismus als "zufällige Begegnung eines Regenschirmes mit einer Nähmaschine auf dem Seziertisch" schon abgedeckt: überall überraschende Mesalliancen, Odd Couples und Liaisons dangereuses, zum Beispiel die Begegnung von alten Reißverschlüssen mit ihrer neuen Funktion als Lampenschirm (Sang-jin Lee). Das Vorgehen, Dinge nicht wegzuschmeißen, sondern ihr Potential für die Erledigung ganz anderer Aufgaben zu erkunden, erinnert einerseits an Behelfspraktiken, wie man sie aus Mangelwirtschaften kennt, in den Wohlstandsgesellschaften des Westens ist so etwas, spätestens seit Picasso einen Fahrradlenker als Stiergeweih an die Wand geschraubt hat, aber eindeutig auch irgendwie "arty". Von richtiger Kunst wird aber gewöhnlich auch Kritik an den herrschenden Verhältnissen erwartet - und es liegt in der Natur der Sache, dass sich die kunstwilligen Designer dann erst einmal die herrschenden Wohnverhältnisse vornehmen und mit ironischer Affirmation und mit gebastelten Scherzen gegen die Sehnsüchte nach zum Beispiel dem röhrenden Hirsch vorgehen.

Designer sind, man kann es gar nicht oft genug sagen, Leute, die jeden Morgen in ihr Büro gehen, um das Rad neu zu erfinden, und meistens ist das Rad ein Stuhl. Deshalb drückt sich auch der Wille zur Kunst in besonders hohem Maß an Sitzmöbeln aus. So kam es zu den lustigen Wartestühlen von Demakersvan aus Rotterdam. Und seit der Holländer Maarten Baas den berühmten Zig-Zag-Stuhl von Gerrit Rietveld in einer Auflage von 25 Stück angezündet und verkohlen lassen hat, gibt es in der Welt des Designs auch endlich ein Pendant zu Rauschenbergs "Erased deKooning". Sogar ein Stuhl aus Bierbüchsen ist wieder mit dabei.

Auch dafür aber gilt im Zweifel, was für Kunst immer gilt, nämlich auf den Einwand "Kann ich auch" die Antwort: "Haste aber nicht."

PETER RICHTER

"&fork", Phaidon Berlin, 448 Seiten, 69,95 Euro

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