"This book examines the interrelationship between Congress and the Federal Reserve over time, analyzing the congressional politics of the Federal Reserve's founding in 1913 and its subsequent institutional development through the aftermath of the 2008 financial crisis. Binder and Spindel incorporate a wealth of systematic data into their historical narrative." --Frances E. Lee, University of Maryland "With persuasive evidence, The Myth of Independence looks at how the structure and behavior of the Fed is shaped in fundamental ways by Congress. This book is an important and interesting contribution to the study of the American political economy."--Nolan McCarty, Princeton University
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2018Die Geschichte der Fed
Wie unabhängig ist die Zentralbank?
Als die Federal Reserve, die allgemein als "die Fed" bezeichnete amerikanische Zentralbank, erst kürzlich 100 Jahre alt wurde, hatte sie zwar viele Änderungen ihrer Statuten hinter sich, doch nach wie vor sind ihre Organisationsformen das Ergebnis der amerikanischen Kompromisse zwischen versuchter Zentralisierung und dem regionalen Widerstand dagegen. Sarah Binder und Mark Spindel schildern diese Entwicklung als eine Abfolge von Krisen, nachfolgenden Schuldzuweisungen, den daraus abgeleiteten Änderungen des Organisationsgesetzes der Fed (des "Federal Reserve Acts") und schließlich der Wirkungen wie auch der oft unbeabsichtigten Nebenwirkungen solcher Korrekturen.
Diese Geschichte beginnt spät, denn von den Anfängen der Republik an war die Idee einer zentralen monetären Lenkung eher auf Ablehnung gestoßen. Alexander Hamilton scheiterte mit dem Vorschlag zu einer Nationalbank, und noch hundert Jahre später waren Demokraten und Republikaner, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, gegen eine Zentralbank. Die Demokraten des Südens wurden zwar unter dem Einfluss der agrarischen Populisten immer mehr zur "Soft-Money-Party", die für inflationäre Politik eintrat. Sie befürchteten aber, eine Zentralbank werde nur die Dominanz des Nordostens verstärken. Die Republikaner dagegen, die "Hard-Money-Party", setzten auf den Goldstandard, den sie nach einer Veränderung der Mehrheitsverhältnisse schließlich im Jahr 1900 durchsetzten. An einer eigenen Institution der Geldpolitik hatten sie daher kein Interesse.
Doch bald kam es ganz anders, zunächst weil sich nun in beiden Parteien Befürworter und Gegner einer zentralisierten Geldpolitik gegenüberstanden, nämlich einerseits die Demokraten des Nordostens gegen die des Südens und andererseits die traditionellen Republikaner gegen Teddy Roosevelts Progressive. Dann lasteten nicht nur die Demokraten den bis dahin regierenden Republikanern die Finanzkrise des Jahres 1907 an, und als schließlich zur Präsidentschaftswahl von 1912 zwei republikanische Kandidaten antraten, konnte Wilson dieses Rennen zwischen Dreien auch mit der Ankündigung monetärer Reform gewinnen.
Keine der beiden Seiten erhielt jedoch im Jahre 1913, was sie wollte. Beide sprachen von Stabilisierung und öffentlicher Kontrolle, doch William Jennings Bryan, der die Populisten dazu gebracht hatte, statt auf eine eigene Partei auf die Demokraten zu setzen, sprach von einer Reservebank an jedem wichtigeren Knotenpunkt, während es Wilson um Zentralisierung und damit zwangsläufig um die Stärkung des Nordostens ging.
Heraus kam das Mischsystem aus Regionalismus und Zentralismus, das die Fed stets von anderen Zentralbanken unterschied. Zunächst sprach der Kongress zwölf Städten eine Reservebank zu, deren Präsidenten schließlich zusammen mit zwei Ex-Officio-Vertretern der Bundesregierung und fünf weiteren vom Präsidenten ernannten Mitgliedern die Fed leiteten .
Die weiteren gesetzlichen Veränderungen verschoben von Finanzkrise zu Finanzkrise die Gewichte, wobei die Banking Acts von 1933, 1935 und 1977 besonders einschneidend waren. Das Gesetz von 1933 führte als das seitherige Lenkungsgremium das "Federal Open Market Committee" ein und erhöhte die Zahl der vom Präsidenten ernannten Mitglieder von fünf auf sechs. 1935 wurden daraus sieben. Seither hießen sie "Governor", und ihre Amtszeiten von vierzehn Jahren sind so terminiert, dass nur jeweils einer in jedem zweiten Jahr mit dem Ende des Januars ausscheidet. Ein Präsident kann also während seiner eigenen Amtszeit von vier Jahren nur zweimal ein neues Mitglied benennen.
Die zwölf regionalen Bankpräsidenten blieben zwar Mitglieder, hatten aber gemeinsam nur fünf Stimmen. Davon blieb eine für den Präsidenten der New Yorker Reservebank reserviert, der zugleich qua Amt den stellvertretenden Vorsitz innehat, während die restlichen vier Stimmen unter seinen 11 Kollegen rotieren.
Der Kongress, dessen demokratische Mehrheiten auch nach Trumans gescheitertem Anlauf stets an der Forderung nach einem Recht auf Arbeit festhielten, verpflichtete schließlich 1977 die Fed auch auf "Maximum Employment". Vernachlässigt man die in der damaligen Ergänzung des Gesetzes ebenfalls enthaltene dritte recht vage formulierte Aufgabe, nämlich langfristig für mäßige Zinssätze zu sorgen, so ist damit das seither so genannte Doppelmandat dekretiert, also der Auftrag, für Preisstabilität wie auch für Beschäftigung zu sorgen - und dabei blieb es auch, obwohl die Republikaner immer wieder betonten, es sei ratsamer, sich auf das eine Ziel der Preisstabilität zu konzentrieren. Zugleich wurde dem Präsidenten auferlegt, jeweils im zweiten Jahr seiner Amtszeit den Vorsitzenden beziehungsweise die Vorsitzende der Fed zu ernennen, während diese zu einem halbjährlichen Bericht an den Kongress verpflichtet wurden.
Unvermeidlich streifen Sarah Binder und Mark Spindel immer wieder auch Konzepte vom Goldstandard bis zu Bernankes "ungewöhnlichen Maßnahmen für ungewöhnliche Zeiten". Doch damit setzen sie sich kaum auseinander. Sie interessieren sich für das Machtgefüge, und deshalb verfolgen sie die gewundenen Wege, auf denen der Kongress der Fed immer wieder die Grenzen ihrer Autonomie demonstriert hat. Gegen ihre Absicht, die Unabhängigkeit der Fed ganz generell als einen Mythos darzustellen, wird dabei jedoch ein etwas komplizierteres Geflecht gegenseitiger Abhängigkeit sichtbar. Einerseits fällt es der Politik schwer, die Unabhängigkeit von Zentralbanken oder Gerichten zu respektieren, doch andererseits taugen diese nicht mehr als Alibi, wenn die Leine, an der sie geführt werden, zu kurz erscheint, und genauere gesetzliche Regelungen begrenzen nicht nur ihren Handlungsspielraum, sondern bestätigen zwangsläufig auch ihre Eigenständigkeit.
MICHAEL ZÖLLER.
Sarah Binder/Mark Spindel: The Myth of Independence. How Congress Governs the Federal Reserve, Princeton University Press 2017, 35 Dollar
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie unabhängig ist die Zentralbank?
Als die Federal Reserve, die allgemein als "die Fed" bezeichnete amerikanische Zentralbank, erst kürzlich 100 Jahre alt wurde, hatte sie zwar viele Änderungen ihrer Statuten hinter sich, doch nach wie vor sind ihre Organisationsformen das Ergebnis der amerikanischen Kompromisse zwischen versuchter Zentralisierung und dem regionalen Widerstand dagegen. Sarah Binder und Mark Spindel schildern diese Entwicklung als eine Abfolge von Krisen, nachfolgenden Schuldzuweisungen, den daraus abgeleiteten Änderungen des Organisationsgesetzes der Fed (des "Federal Reserve Acts") und schließlich der Wirkungen wie auch der oft unbeabsichtigten Nebenwirkungen solcher Korrekturen.
Diese Geschichte beginnt spät, denn von den Anfängen der Republik an war die Idee einer zentralen monetären Lenkung eher auf Ablehnung gestoßen. Alexander Hamilton scheiterte mit dem Vorschlag zu einer Nationalbank, und noch hundert Jahre später waren Demokraten und Republikaner, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, gegen eine Zentralbank. Die Demokraten des Südens wurden zwar unter dem Einfluss der agrarischen Populisten immer mehr zur "Soft-Money-Party", die für inflationäre Politik eintrat. Sie befürchteten aber, eine Zentralbank werde nur die Dominanz des Nordostens verstärken. Die Republikaner dagegen, die "Hard-Money-Party", setzten auf den Goldstandard, den sie nach einer Veränderung der Mehrheitsverhältnisse schließlich im Jahr 1900 durchsetzten. An einer eigenen Institution der Geldpolitik hatten sie daher kein Interesse.
Doch bald kam es ganz anders, zunächst weil sich nun in beiden Parteien Befürworter und Gegner einer zentralisierten Geldpolitik gegenüberstanden, nämlich einerseits die Demokraten des Nordostens gegen die des Südens und andererseits die traditionellen Republikaner gegen Teddy Roosevelts Progressive. Dann lasteten nicht nur die Demokraten den bis dahin regierenden Republikanern die Finanzkrise des Jahres 1907 an, und als schließlich zur Präsidentschaftswahl von 1912 zwei republikanische Kandidaten antraten, konnte Wilson dieses Rennen zwischen Dreien auch mit der Ankündigung monetärer Reform gewinnen.
Keine der beiden Seiten erhielt jedoch im Jahre 1913, was sie wollte. Beide sprachen von Stabilisierung und öffentlicher Kontrolle, doch William Jennings Bryan, der die Populisten dazu gebracht hatte, statt auf eine eigene Partei auf die Demokraten zu setzen, sprach von einer Reservebank an jedem wichtigeren Knotenpunkt, während es Wilson um Zentralisierung und damit zwangsläufig um die Stärkung des Nordostens ging.
Heraus kam das Mischsystem aus Regionalismus und Zentralismus, das die Fed stets von anderen Zentralbanken unterschied. Zunächst sprach der Kongress zwölf Städten eine Reservebank zu, deren Präsidenten schließlich zusammen mit zwei Ex-Officio-Vertretern der Bundesregierung und fünf weiteren vom Präsidenten ernannten Mitgliedern die Fed leiteten .
Die weiteren gesetzlichen Veränderungen verschoben von Finanzkrise zu Finanzkrise die Gewichte, wobei die Banking Acts von 1933, 1935 und 1977 besonders einschneidend waren. Das Gesetz von 1933 führte als das seitherige Lenkungsgremium das "Federal Open Market Committee" ein und erhöhte die Zahl der vom Präsidenten ernannten Mitglieder von fünf auf sechs. 1935 wurden daraus sieben. Seither hießen sie "Governor", und ihre Amtszeiten von vierzehn Jahren sind so terminiert, dass nur jeweils einer in jedem zweiten Jahr mit dem Ende des Januars ausscheidet. Ein Präsident kann also während seiner eigenen Amtszeit von vier Jahren nur zweimal ein neues Mitglied benennen.
Die zwölf regionalen Bankpräsidenten blieben zwar Mitglieder, hatten aber gemeinsam nur fünf Stimmen. Davon blieb eine für den Präsidenten der New Yorker Reservebank reserviert, der zugleich qua Amt den stellvertretenden Vorsitz innehat, während die restlichen vier Stimmen unter seinen 11 Kollegen rotieren.
Der Kongress, dessen demokratische Mehrheiten auch nach Trumans gescheitertem Anlauf stets an der Forderung nach einem Recht auf Arbeit festhielten, verpflichtete schließlich 1977 die Fed auch auf "Maximum Employment". Vernachlässigt man die in der damaligen Ergänzung des Gesetzes ebenfalls enthaltene dritte recht vage formulierte Aufgabe, nämlich langfristig für mäßige Zinssätze zu sorgen, so ist damit das seither so genannte Doppelmandat dekretiert, also der Auftrag, für Preisstabilität wie auch für Beschäftigung zu sorgen - und dabei blieb es auch, obwohl die Republikaner immer wieder betonten, es sei ratsamer, sich auf das eine Ziel der Preisstabilität zu konzentrieren. Zugleich wurde dem Präsidenten auferlegt, jeweils im zweiten Jahr seiner Amtszeit den Vorsitzenden beziehungsweise die Vorsitzende der Fed zu ernennen, während diese zu einem halbjährlichen Bericht an den Kongress verpflichtet wurden.
Unvermeidlich streifen Sarah Binder und Mark Spindel immer wieder auch Konzepte vom Goldstandard bis zu Bernankes "ungewöhnlichen Maßnahmen für ungewöhnliche Zeiten". Doch damit setzen sie sich kaum auseinander. Sie interessieren sich für das Machtgefüge, und deshalb verfolgen sie die gewundenen Wege, auf denen der Kongress der Fed immer wieder die Grenzen ihrer Autonomie demonstriert hat. Gegen ihre Absicht, die Unabhängigkeit der Fed ganz generell als einen Mythos darzustellen, wird dabei jedoch ein etwas komplizierteres Geflecht gegenseitiger Abhängigkeit sichtbar. Einerseits fällt es der Politik schwer, die Unabhängigkeit von Zentralbanken oder Gerichten zu respektieren, doch andererseits taugen diese nicht mehr als Alibi, wenn die Leine, an der sie geführt werden, zu kurz erscheint, und genauere gesetzliche Regelungen begrenzen nicht nur ihren Handlungsspielraum, sondern bestätigen zwangsläufig auch ihre Eigenständigkeit.
MICHAEL ZÖLLER.
Sarah Binder/Mark Spindel: The Myth of Independence. How Congress Governs the Federal Reserve, Princeton University Press 2017, 35 Dollar
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