* First-ever UK hardback publication* Deluxe edition with foil cover* Complete final FULL-COLOUR text* Special embossed 'maze' case designNow published in hardback in the UK for the first time, the nightmarish story of a house that is bigger on the inside than the outside - a tale that continues to inspire devotion among its ever-growing army of fans... 'Phenomenal . . . thrillingly alive, sublimely creepy, distressingly scary, breathtakingly intelligent.' BRET EASTON ELLIS'Genuinely clever and learned, often funny, brilliantly constructed and surprisingly touching . . . a debut of scintillating intelligence and scope.' MAIL ON SUNDAY'A genuinely scary chiller, a satire on the business of criticism and a meditation on the way we read.' OBSERVER********************************************************************************************A young couple - Pulitzer Prize-winning photojournalist Will Navidson and his partner Karen Green - move into a small house on Ash Tree Lane. But something is terribly wrong - their new home is bigger on the inside than it is on the outside . . . Neither Will nor Karen are prepared to face the consequences of this impossibility until the day their two small children wandered off, and their voices eerily began to tell another story - of creature darkness, of an ever-growing abyss behind a closet door, and of that unholy growl which soon enough would tear through their walls and consume all their dreams and create nightmares. What happened next is loosely recorded on videotapes and interviews, and impelled an eccentric old man to compile - on loose sheets of paper, stained napkins, crammed notebooks - a definitive account of what took place at Ash Tree Lane that seems to unveil a thrilling and terrifying history. Because these scraps prove to be far more than the deranged ramblings of a reclusive old man . . . Immensely imaginative. Impossible to put down. Impossible to forget. House of Leaves is thrilling, terrifying and unlike anything you have read before. ********************************************************************************************WHAT READERS ARE SAYING:'I've never read anything like it' ? ? ? ? ?'Strange, highly addictive and slowly creepy' ? ? ? ? ?'The creativity and originality is astonishing' ? ? ? ? ?'Buy it, read it, and explore it' ? ? ? ? ?
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.09.2001Das Haus wächst nach innen
Mark Z. Danielewskis brillant verrätselter Roman
Wie lange ist es eigentlich her, daß sich die Washington Post, das Wall Street Journal und der Kulturteil des Rock- und Popfachblattes "Spin" auf denselben Roman als eine mittlere Sensation einigen konnten? Wann hat ein kommerziell erfolgreiches literarisches Debüt dem Autor zuletzt Vergleiche mit Melville und Nabokov eingebracht und wurde gleichzeitig von den Fans und Urhebern der neuen amerikanischen Popliteratur zwischen Douglas Coupland und Bret Easton Ellis geschätzt, ja geliebt? Und wann schließlich hat einer wie besagter Ellis je einen Konkurrenten mit den Worten gelobt, dessen Schöpfung sei ein "phänomenales Debüt" und "erhaben gespenstisch"?
Das alles widerfuhr einem 700 Seiten dicken, vor editorischen Arabesken schier berstenden Riesenromans namens "House of Leaves" von einem bislang unbekannten jungen Mann namens Mark Z. Danielewski, der sich so unversehens mit den genannten Größen, aber auch mit Thomas Pynchon, J.G. Ballard und William S. Burroughs in eine Reihe gestellt sieht.
Dabei ist die Grundidee seines ehrgeizigen Romanexperiments gar nicht sonderlich schwer darzustellen: "House of Leaves" gibt vor, der von einem fünfundzwanzigjährigen Angestellten eines Tätowierladens herausgegebene Nachlaß eines geheimnisvollen blinden alten Mannes zu sein, welcher seinen Lebensabend der Aufgabe gewidmet hat, eine luzide Studie über einen bizarren Dokumentarfilm namens "The Navidson Record" zu verfassen. Dieser Film handelt von einem Landhaus, das im Verlauf der Dreharbeiten so viele unvermutete, scheinbar "nachwachsende" Zimmer, Gänge und Irrgärten in seinem Innern offenbart, daß schließlich mehr als nur eine Person darin verlorengeht.
Den Haupttext des Buchs - eben besagte Film-Exegese - und die ausführlichen Fußnoten des Herausgebers Johnny Truant ergänzen Appendices, kurze Gedichte, Dokumente und Protokolle, außerdem Aufrißpläne des absurden Hauses, das dem Buch den Titel gab, sowie ein Index, der in manischer Detailversessenheit sogar auf Allerweltswörter wie "and" und "with" verweist.
Die Disparatheit des geschickt arrangierten Materials wird zusätzlich unterstrichen durch typographische Absonderlichkeiten wie halbleere Seiten, auf dem Kopf stehende oder gespiegelte Spalten, an lettristische Kunst erinnernde Buchstaben-Gitter, ein halbes Dutzend verschiedener Schrifttypen und mehr als einmal ein Satzbild, das an die unklassifizierbaren Exkursionen französischer Poststrukturalisten in para-literarische Bereiche denken läßt, etwa Jacques Derridas "Die Wahrheit in der Malerei".
Das Ergebnis dieses graphematischen Aufwands ist monströs und verunsichernd, oft aber auch bestrickend, mitreißend und gelegentlich witzig. Letzteres zeigt sich etwa, wenn Danielewski frech behauptet, Ausschnitte aus Interviews mit Prominenten des gegenwärtigen Pop- und Geisteslebens zu präsentieren, die sich selbstverständlich allesamt beeindruckt zum "Navidson Record" geäußert haben.
Den Tonfall seiner bekannten Masken trifft der Autor dabei meist traumhaft sicher: den Literaturtheoretiker Harold Bloom läßt er breit und schnurrig über Heideggers "Unheimliches" fantasieren, die Star-Intellektuelle Camille Paglia vermutet in der Geschichte des spukhaften Hauses "eine Manifestation des männlichen Vaginaneides" und der Horrorschriftsteller Stephen King findet den "Navidson Record" einfach "ganz schön gruslig".
Einer Legende zufolge hat Danielewski (von dem manche vermuten, es gebe ihn gar nicht, er sei lediglich das Pseudonym eines bekannteren Autors) sein "House of Leaves" zunächst in einer privat finanzierten Kleinstauflage kursieren lassen; erst die unerwartet große Resonanz habe ihn dann dazu verleitet, das Buch Verlagen anzubieten, von denen schließlich das traditionsreiche Unternehmen Random House den Zuschlag erhielt. Glücklicherweise, muß man sagen, denn ein noch so ambitionierter Kleinverlag hätte vermutlich gar nicht die Mittel aufbringen können, auch nur die typographisch-produktionstechnischen Probleme zu bewältigen, die "House of Leaves" mit sich bringt.
Unter den spielerischen Techniken literarischer Täuschung ist die editorische Mystifikation schon lange eine der reizvollsten. Ein Werk als Arbeit eines andern auszugeben erlaubt es Autoren, narrative Mehrdeutigkeit, Gebrochenheit und Verschachtelung zu betonen, das heißt: mit ihren Stoffen Dinge anzustellen, die zahllose Arten von Irritation, Kopfzerbrechen oder Bewunderung auslösen können.
Schon Cervantes und Rabelais haben diesen Kunstgriff angewendet, in der Moderne gab es dann kein Halten mehr: von Lautreamonts proto-surrealistischen "Gesängen des Maldoror" über Vladimir Nabokovs als Gedichtedition verkleideten Roman "Fahles Feuer" bis zu Italo Calvinos "Wenn ein Reisender in einer Winternacht" reicht das Spektrum der Werke, in denen das ebenso gelehrte wie gewitzte Spiel mit Vorworten, Randglossen, Fußnoten, Falltüren und falschen Ausgängen die jeweilige Fiktion um eine Fülle von Metafiktionen erweitert. Das eigentlich Bemerkenswerte an Danielewskis Buch ist weniger die Tatsache, daß da mal wieder eine jener besessenen Gestalten ein "unlesbares" und zugleich amüsantes Buch geschrieben hat. Womit niemand rechnen konnte, sind die verblüffend guten Verkaufszahlen der Random-House-Ausgabe. Dieser Coup verdankt sich wohl hauptsächlich dem Erfolg von "House of Leaves" bei den Popliteraten und ihren Fans. Die kalifornische Szene schenkt sich das Buch reihum zum Geburtstag; es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis dieser Ruhm auch auf Europa überschwappt.
Die Erfolgsgeschichte dieses ausgesprochen sperrigen Romans berührt ein Grundproblem des gegenwärtigen Erzählens überhaupt: die radikale Geste des emphatischen Verweises auf das "Jetzt" und der angestrengte Versuch, die Romanform vor der behaupteten Ödnis ausführlicher Schilderungen, psychologischer Erörterungen und steriler Seminar-Gelehrsamkeit zu retten.
Danielewskis Buch zeigt, daß neue, qualitativ von den bereits vorhandenen verschiedene Formen gar nicht nötig sind, um etwas Neues zu sagen. Das Spektrum seiner Stimmlagen und Erzähltechniken ist im Ergebnis sinnreiche Fülle statt hohler Prunk, solange die Spannung gehalten wird und der Angriff auf die Form "Story" diese nicht einfach negiert, sondern ihr an jeder neuen Front mit je eigenen Mitteln begegnet.
Daß der Autor dafür die Konstellation eines jungen, von Bildungsballast freien Herausgebers und "seines" uralten, im Schutt des eigenen Wissens grabenden Gelehrten wählt, macht den Dialog zwischen neuen Themen und alten Techniken zur Hauptsache, um die es in "House of Leaves" geht. Über den Augenblicksrummel hinaus wäre deshalb zu wünschen, daß die Existenz von Danielewskis Roman der Lagerbildung zwischen "altem" und "neuem" Erzählen entgegenwirkt.
So kann man nur hoffen, daß sich bald auch ein deutscher Verlag findet, der das mit einer Übersetzung verbundene Risiko eingehen will und kann. Danielewski selbst aber hat sich mit seiner Herkulestat eine Hypothek aufgeladen, um die ihn wohl niemand beneidet. Erstens hat er ein Buch geschrieben, das nicht ganz zu Unrecht allmählich im Verdacht steht, sowohl unlesbar zu sein wie auch inzwischen häufiger gekauft als gelesen zu werden. Zweitens aber sieht sich der Autor jetzt mit dem ewigen Problem von Popmusikern konfrontiert, die ein sensationelles erstes Album abgeliefert haben: Was, um Himmels willen, soll da noch kommen?
DIETMAR DATH
Mark Z. Danielewski: "House of Leaves". Roman. Pantheon/Random House, New York 2000. 709 S., geb., 40,- Dollar.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mark Z. Danielewskis brillant verrätselter Roman
Wie lange ist es eigentlich her, daß sich die Washington Post, das Wall Street Journal und der Kulturteil des Rock- und Popfachblattes "Spin" auf denselben Roman als eine mittlere Sensation einigen konnten? Wann hat ein kommerziell erfolgreiches literarisches Debüt dem Autor zuletzt Vergleiche mit Melville und Nabokov eingebracht und wurde gleichzeitig von den Fans und Urhebern der neuen amerikanischen Popliteratur zwischen Douglas Coupland und Bret Easton Ellis geschätzt, ja geliebt? Und wann schließlich hat einer wie besagter Ellis je einen Konkurrenten mit den Worten gelobt, dessen Schöpfung sei ein "phänomenales Debüt" und "erhaben gespenstisch"?
Das alles widerfuhr einem 700 Seiten dicken, vor editorischen Arabesken schier berstenden Riesenromans namens "House of Leaves" von einem bislang unbekannten jungen Mann namens Mark Z. Danielewski, der sich so unversehens mit den genannten Größen, aber auch mit Thomas Pynchon, J.G. Ballard und William S. Burroughs in eine Reihe gestellt sieht.
Dabei ist die Grundidee seines ehrgeizigen Romanexperiments gar nicht sonderlich schwer darzustellen: "House of Leaves" gibt vor, der von einem fünfundzwanzigjährigen Angestellten eines Tätowierladens herausgegebene Nachlaß eines geheimnisvollen blinden alten Mannes zu sein, welcher seinen Lebensabend der Aufgabe gewidmet hat, eine luzide Studie über einen bizarren Dokumentarfilm namens "The Navidson Record" zu verfassen. Dieser Film handelt von einem Landhaus, das im Verlauf der Dreharbeiten so viele unvermutete, scheinbar "nachwachsende" Zimmer, Gänge und Irrgärten in seinem Innern offenbart, daß schließlich mehr als nur eine Person darin verlorengeht.
Den Haupttext des Buchs - eben besagte Film-Exegese - und die ausführlichen Fußnoten des Herausgebers Johnny Truant ergänzen Appendices, kurze Gedichte, Dokumente und Protokolle, außerdem Aufrißpläne des absurden Hauses, das dem Buch den Titel gab, sowie ein Index, der in manischer Detailversessenheit sogar auf Allerweltswörter wie "and" und "with" verweist.
Die Disparatheit des geschickt arrangierten Materials wird zusätzlich unterstrichen durch typographische Absonderlichkeiten wie halbleere Seiten, auf dem Kopf stehende oder gespiegelte Spalten, an lettristische Kunst erinnernde Buchstaben-Gitter, ein halbes Dutzend verschiedener Schrifttypen und mehr als einmal ein Satzbild, das an die unklassifizierbaren Exkursionen französischer Poststrukturalisten in para-literarische Bereiche denken läßt, etwa Jacques Derridas "Die Wahrheit in der Malerei".
Das Ergebnis dieses graphematischen Aufwands ist monströs und verunsichernd, oft aber auch bestrickend, mitreißend und gelegentlich witzig. Letzteres zeigt sich etwa, wenn Danielewski frech behauptet, Ausschnitte aus Interviews mit Prominenten des gegenwärtigen Pop- und Geisteslebens zu präsentieren, die sich selbstverständlich allesamt beeindruckt zum "Navidson Record" geäußert haben.
Den Tonfall seiner bekannten Masken trifft der Autor dabei meist traumhaft sicher: den Literaturtheoretiker Harold Bloom läßt er breit und schnurrig über Heideggers "Unheimliches" fantasieren, die Star-Intellektuelle Camille Paglia vermutet in der Geschichte des spukhaften Hauses "eine Manifestation des männlichen Vaginaneides" und der Horrorschriftsteller Stephen King findet den "Navidson Record" einfach "ganz schön gruslig".
Einer Legende zufolge hat Danielewski (von dem manche vermuten, es gebe ihn gar nicht, er sei lediglich das Pseudonym eines bekannteren Autors) sein "House of Leaves" zunächst in einer privat finanzierten Kleinstauflage kursieren lassen; erst die unerwartet große Resonanz habe ihn dann dazu verleitet, das Buch Verlagen anzubieten, von denen schließlich das traditionsreiche Unternehmen Random House den Zuschlag erhielt. Glücklicherweise, muß man sagen, denn ein noch so ambitionierter Kleinverlag hätte vermutlich gar nicht die Mittel aufbringen können, auch nur die typographisch-produktionstechnischen Probleme zu bewältigen, die "House of Leaves" mit sich bringt.
Unter den spielerischen Techniken literarischer Täuschung ist die editorische Mystifikation schon lange eine der reizvollsten. Ein Werk als Arbeit eines andern auszugeben erlaubt es Autoren, narrative Mehrdeutigkeit, Gebrochenheit und Verschachtelung zu betonen, das heißt: mit ihren Stoffen Dinge anzustellen, die zahllose Arten von Irritation, Kopfzerbrechen oder Bewunderung auslösen können.
Schon Cervantes und Rabelais haben diesen Kunstgriff angewendet, in der Moderne gab es dann kein Halten mehr: von Lautreamonts proto-surrealistischen "Gesängen des Maldoror" über Vladimir Nabokovs als Gedichtedition verkleideten Roman "Fahles Feuer" bis zu Italo Calvinos "Wenn ein Reisender in einer Winternacht" reicht das Spektrum der Werke, in denen das ebenso gelehrte wie gewitzte Spiel mit Vorworten, Randglossen, Fußnoten, Falltüren und falschen Ausgängen die jeweilige Fiktion um eine Fülle von Metafiktionen erweitert. Das eigentlich Bemerkenswerte an Danielewskis Buch ist weniger die Tatsache, daß da mal wieder eine jener besessenen Gestalten ein "unlesbares" und zugleich amüsantes Buch geschrieben hat. Womit niemand rechnen konnte, sind die verblüffend guten Verkaufszahlen der Random-House-Ausgabe. Dieser Coup verdankt sich wohl hauptsächlich dem Erfolg von "House of Leaves" bei den Popliteraten und ihren Fans. Die kalifornische Szene schenkt sich das Buch reihum zum Geburtstag; es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis dieser Ruhm auch auf Europa überschwappt.
Die Erfolgsgeschichte dieses ausgesprochen sperrigen Romans berührt ein Grundproblem des gegenwärtigen Erzählens überhaupt: die radikale Geste des emphatischen Verweises auf das "Jetzt" und der angestrengte Versuch, die Romanform vor der behaupteten Ödnis ausführlicher Schilderungen, psychologischer Erörterungen und steriler Seminar-Gelehrsamkeit zu retten.
Danielewskis Buch zeigt, daß neue, qualitativ von den bereits vorhandenen verschiedene Formen gar nicht nötig sind, um etwas Neues zu sagen. Das Spektrum seiner Stimmlagen und Erzähltechniken ist im Ergebnis sinnreiche Fülle statt hohler Prunk, solange die Spannung gehalten wird und der Angriff auf die Form "Story" diese nicht einfach negiert, sondern ihr an jeder neuen Front mit je eigenen Mitteln begegnet.
Daß der Autor dafür die Konstellation eines jungen, von Bildungsballast freien Herausgebers und "seines" uralten, im Schutt des eigenen Wissens grabenden Gelehrten wählt, macht den Dialog zwischen neuen Themen und alten Techniken zur Hauptsache, um die es in "House of Leaves" geht. Über den Augenblicksrummel hinaus wäre deshalb zu wünschen, daß die Existenz von Danielewskis Roman der Lagerbildung zwischen "altem" und "neuem" Erzählen entgegenwirkt.
So kann man nur hoffen, daß sich bald auch ein deutscher Verlag findet, der das mit einer Übersetzung verbundene Risiko eingehen will und kann. Danielewski selbst aber hat sich mit seiner Herkulestat eine Hypothek aufgeladen, um die ihn wohl niemand beneidet. Erstens hat er ein Buch geschrieben, das nicht ganz zu Unrecht allmählich im Verdacht steht, sowohl unlesbar zu sein wie auch inzwischen häufiger gekauft als gelesen zu werden. Zweitens aber sieht sich der Autor jetzt mit dem ewigen Problem von Popmusikern konfrontiert, die ein sensationelles erstes Album abgeliefert haben: Was, um Himmels willen, soll da noch kommen?
DIETMAR DATH
Mark Z. Danielewski: "House of Leaves". Roman. Pantheon/Random House, New York 2000. 709 S., geb., 40,- Dollar.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.09.2007Großes Gegrusel mit Gott
Die Freuden der Komplexität: Mark Z. Danielewskis voluminöser Horrorroman „Das Haus” / Von Georg Klein
Energetisch gesehen gibt es für den Leser zwei Arten von sehr dicken Romanen: Zum einen die süffigen Schmöker, die versprechen, viel Lesezeit mit wenig Kraftaufwand durchmessen zu dürfen. Räumlich könnte man solche Bücher mit einer langen Rutschbahn vergleichen. Draufsetzen und loslassen! Alles Weitere erledigen das erzählerische Gefälle und die genreüblichen Gleitmittel. Daneben gibt es aber auch Wälzer, die nicht mit flotter Gängigkeit, sondern mit deren Gegenteil, mit Widerstand, Verzögerung und langwieriger Anstrengung locken. Wer sich auf einen solchen Leseweg begibt, wählt einen Trimm-dich-Parcours für Fortgeschrittene und ist sogar bereit, mit einer speziellen Wollust an der eigenen Kondition zu leiden.
Mark Z. Danielewskis Roman „Das Haus” ist nicht nur dick, sondern auch kompliziert. Dabei gibt es einen zentralen Plot, der alle Voraussetzungen für ein zügiges Wegschmökern mitbringt. Eine vierköpfige Familie, die Navidsons, verlässt Anfang der neunziger Jahre New York, um in Virginia ein altes Haus zu beziehen. Schnell kulminieren unheimliche Begebenheiten. Durch einen wie aus dem Nichts entstandenen Korridor lässt sich ein völlig finsteres, eiskaltes Riesengebäude betreten, das dem Häuschen, von außen unerkennbar, anhängt. Dieses Haus-am-Haus lebt. Unvorhersehbar verändert es seine Struktur und scheint durch sein Wuchern, Dehnen und Schrumpfen auf diejenigen zu reagieren, die es zu erkunden wagen. Was dabei im Einzelnen geschieht, ist weit origineller und vertrackter, als es eine Zusammenfassung wiedergeben kann, und weil es zudem wirklich spannend erzählt wird, soll kein wichtiges Detail der Exkursionen, die Will Navidson und andere wagen, verraten werden.
Was ein Blinder sieht
Neben der fast klassischen Haunted-House-Story, der Geschichte vom verfluchten Haus, bietet Danielewski noch eine umfangreiche zweite Handlung auf. Sechs Jahre nach dem Geschehen um das Spukhaus gerät in Kalifornien ein junger Mann namens Johnny Truant in eine tiefe existentielle Krise. Truant, der in einem Tätowierladen jobbt und seine freie Zeit mit Drogen und schnellem Sex herumkriegt, ist hochsensibel und künstlerisch begabt, hat eine traumatische Kindheit hinter sich, und so braucht es nur noch einen letzten Kick, dass sein Leben aus der Spur springt. Der Roman schließt die beiden Ereigniskomplexe kurz, und als Verbindungsstück dient ihm – dies hat eine lange Tradition – in Gestalt eines Manuskripts die Literatur selbst.
Truant fällt eine wüste Blätter- und Zettelsammlung aus dem Nachlass eines kürzlich verstorbenen Greises namens Zampanò in die Hände. Kernstück dieser Papiere ist der sogenannte „Navidson-Report”, in dem Zampanò erzählt, was der Familie Navidson in Virginia zugestoßen ist. Ein Buch im Buch also, aber mit dieser einmaligen Verschachtelung lässt es Danielewski nicht bewenden. Der Navidson-Report tritt nämlich nicht als direkte Chronik realer Ereignisse vor uns, sondern als Nacherzählung eines Films. Will Navidson hat, nachdem er mit Frau und Kindern ins Spukhaus gezogen war, die dortigen Ereignisse akribisch auf Zelluloid und Video gebannt. Navidson ist ein mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneter Fotoreporter, und mit dem Navidson-Report scheint ihm auf Anhieb ein Meisterwerk des Dokumentarfilms gelungen zu sein.
Den Rang dieses Werks bezeugt die gewaltige Rezeption, die der Film binnen weniger Jahre in der Kritik und in allen möglichen Wissenschaften erfahren hat. Die 450 Fußnoten des Romans geben hierin einen Einblick. Zum größten Teil stammen sie von Zampanò, der in ihnen auf ausgewählte Sekundärliteratur verweist und auch ausführlich aus ihr zitiert. Dazu kommen noch Anmerkungen von Johnny Truant, und Anmerkungen der anonymen Herausgeber, die Truants Werk, also die kombinierten Geschichten der beiden, in Druck gebracht haben. Im Anhang finden sich des Weiteren Dokumente aus beider Leben: Manuskriptfragmente, Zeichnungen, Fotos und Briefe. Eine zusätzliche Dimension der Darstellung öffnet sich im Druckbild des Romans. Es werden verschiedene Schrifttypen und -größen verwendet. Manchmal erscheint der Text in Spalten oder Kästen. Man muss rückwärts lesen oder zwischen den Zeilen hin und her hüpfen – von weiteren den Lesefluss stauenden Einfällen ganz zu schweigen.
Behält man rigoros die Handlung im Auge, werden einem, in wechselnd langen Teilstücken, drei Ebenen „wirklichen” Lebens geboten: die Erlebnisse der Familie Navidson, das allmähliche Ausflippen des jungen Truant und Bruchstücke aus dem Dasein des mysteriösen Zampanò. Allerdings stellt Danielewski den Wirklichkeitscharakter aller drei Dimensionen von Anfang an regelmäßig in Frage. Truant kann bei seinen Recherchen keinen Hinweis darauf finden, dass der angeblich berühmte Film tatsächlich existiert. Viele der in Zampanòs gelehrten Anmerkungen zitierten wissenschaftlichen Werke sind offensichtlich erfunden. Zampanò war zudem die letzten vierzig Jahren seines Lebens blind. Er kann den Film, den er nacherzählt und kommentiert, so es ihn denn gäbe, nie gesehen haben.
Auch Truant selbst ist ein fragwürdiger Erzähler. Gleich zu Beginn des Romans erweist er sich als notorischer Schwindler, als einer, der Geschichten aus seinem Leben gerne so zurechtlügt, dass er damit maximalen Eindruck bei den Zuhörern erzielen kann. Außerdem leidet er während seiner Arbeit über Zampanòs Zetteln zunehmend an Angstattacken und Wahnvorstellungen. Einiges deutet sogar daraufhin, dass er den Navidson-Report in einem kreativen Delirium selbst verfasst haben könnte. Diese und zahlreiche weitere Fragwürdigkeiten werden dem Leser manchmal diskret, oft wie auf dem Präsentierteller serviert. Dabei lässt sich nicht alles, was die Authentizität des Geschilderten in Frage stellt, auf die Konten der beiden fiktiven Autoren Zampanò und Truant verbuchen, manches geht zu Lasten der waghalsigen, nicht immer glatt verfugten Konstruktion des Überautors Mark Z. Danielewski.
Das Grauen und die Maschine
Wer es als Romancier frontal darauf anlegt, die Wirklichkeitsillusion des Lesers zu frustrieren, spielt ein riskantes Spiel. Letztlich hofft er, dass die hauchdünne bleiche Larve, mit der jede Fiktion das banale Bastlertum des erfindenden Autors verbirgt, an Liebreiz gewinnt, wenn sie mit dem Rouge ironischer Relativierung aufgeschminkt wird. Solche Texte sagen dann mit artistischer Koketterie: „Guckt mal, ich bin nur erfunden, aber ist nicht alles hinreißend schlau ausgetüftelt?” Kleine Glanzstücke dieses Spiels mit Wirklichkeitsillusion und Desillusionierung finden sich im Navidson-Report. Die Idee, das Kernstück des Plots, die eigentliche Horrorhandlung, als Abriss eines Dokumentarfilms zu erzählen, geht verblüffend gut auf. Die Beschreibung der Technik, der verschiedenen Kameras und Beleuchtungsutensilien, die fachmännische Reflexion über deren Potenz und über die gewonnenen Resultate erzeugen eine eigene Aura von Wirklichkeit. Im Griff der Geräte bekommen die Körper der wagemutigen Spukhauserforscher eine schmerzhafte Präsenz. Selbst das bis zuletzt gestaltlos bleibende Grauen bekommt eine eigentümlich technologische Kontur. Die bildgebenden Maschinen scheinen auf suggestive, fast magische Weise Garanten für die Authentizität jedweden Geschehens.
Am anderen Ende der Wirkungsskala liegt das Tischfeuerwerk aus Belesenheit und interpretatorischer Schläue, das in den Anmerkungen und auch im Erzähltext abgebrannt wird. Allein die Erfindung der Titel, die die wissenschaftlichen Bücher, Aufsätze, die Fernseh- und Rundfunkbeiträge tragen, strotzt vor Gescheitheit und protzt zugleich mit einem Witz, der die Welt der Theorie aufs Korn nimmt. Selbst einen, der selbst lange, lernend oder lehrend, akademisch gelitten hat, wird dieses Spiel mit wirklichem oder vorgetäuschtem Wissen irgendwann ermüden. Natürlich gibt es Zeitgenossen, die erwarten, dass ein schwieriges Buch auch die Spannbreite möglicher Deutung in irgendeinem Theorie-Kauderwelsch zur Schau stellt. Aber die allzu freigiebige Befriedigung dieses Anspruchs wird zuletzt den Herzmuskel des Lesens, die Phantasie, lähmen.
Der starke Leser denkt gern selbst. Ungut pompös erscheinen mir in diesem Zusammenhang auch die zahlreichen direkten Bezugnahmen auf Werke der Weltliteratur, oft sogar in der Originalsprache. Wessen Bildung wird hier, für oder gegen wen, in Stellung gebracht? Der Anhang bringt unter der Überschrift „Diverse Zitate” noch einmal zwanzig gewichtige Namen, von Homer bis Derrida, und es entsteht der Verdacht, dass der Autor mit einem finalen Schlag entweder alle weniger Belesenen vollends einschüchtern oder uns auf dem Wege der intellektuellen Anbiederung in den Kreis der Eingeweihten, in die Gemeinde der Fans einbinden will.
Die schaurigen Prüfungen
Aber halb so schlimm! Dieses dicke Buch kann dem, der bis auf seine letzten Seiten gelangt, eine Menge Freude bereiten. In der Bewältigung seiner Komplexität genießt unser mentales System sich selbst, es freut sich an der eigenen Vielschichtigkeit, und unser Ego darf stolz sein auf sein Durchhaltevermögen. Unserem Ich bietet das Figurenaufgebot darüber hinaus wunderbare Möglichkeiten der Identifikation. Die Navidsons stehen samt dem zu Hilfe herbeigeeilten Onkel anrührend tapfer füreinander ein. Die Familie, der harte Kern des amerikanischen Selbstbilds, überdauert mit heroischem Opfermut die wahrlich schaurigen Prüfungen, die ihr das Haus auferlegt. Wer jung ist, kann sich speziell Johnny Truant zu Herzen nehmen. Er ist der gefährdete Jüngling, der ums Haar an seiner Sensibilität zerbricht, dann aber über Zampanòs Zetteln selbst zum Künstler, zum wortmächtigen Schriftsteller wird und als Gesellenstück seine traumatische Kindheit in Erzählung verwandelt.
Süßer noch als ein solcher Gleichklang mit den Figuren ist jedoch die Identifikation mit dem, der sie erdacht hat. Denn einfach alles, was einem wichtig erscheint, in einen 800-Seiten-Wälzer zu packen, die Welt und ihre Vergangenheit, Raum und Zeit, die liebe Kunst samt der nicht ganz so geliebten Kritik der Kunst, das muss sich anfühlen wie Gott-Sein. Mehr noch als ein Horror-Roman erscheint mir „House of the Leaves” deshalb ein Künstlerroman. Und die Grandiosität, zu der sich seine Verfasser, die fiktiven wie der authentische, aufschwingen, schreckt vor letzten theologischen Höhen nicht zurück. Gott kommt in diesem Roman, recht gruselig und zugleich ironisch-theoretisch gebrochen, selbstverständlich auch vor.
MARK Z. DANIELEWSKI: Das Haus. House of the Leaves, aus dem amerikanischen Englisch von Christa Schuenke unter Mitarbeit von Olaf Schenk. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2007. 797 S., 29,90 Euro.
Von Georg Klein erschien zuletzt der Roman „Sünde Güte Blitz” (2007).
Dem Häuschen, von außen unerkennbar, hängt ein kaltes, finsteres, lebendiges Riesengebäude an. Foto: Bernd Arnold/Visum
Ist das nicht alles hinreißend schlau ausgetüftelt: Mark Z. Danielewski ist ein Meister des Komplizierten und behält doch die Kontrolle. Foto: Getty Images
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Die Freuden der Komplexität: Mark Z. Danielewskis voluminöser Horrorroman „Das Haus” / Von Georg Klein
Energetisch gesehen gibt es für den Leser zwei Arten von sehr dicken Romanen: Zum einen die süffigen Schmöker, die versprechen, viel Lesezeit mit wenig Kraftaufwand durchmessen zu dürfen. Räumlich könnte man solche Bücher mit einer langen Rutschbahn vergleichen. Draufsetzen und loslassen! Alles Weitere erledigen das erzählerische Gefälle und die genreüblichen Gleitmittel. Daneben gibt es aber auch Wälzer, die nicht mit flotter Gängigkeit, sondern mit deren Gegenteil, mit Widerstand, Verzögerung und langwieriger Anstrengung locken. Wer sich auf einen solchen Leseweg begibt, wählt einen Trimm-dich-Parcours für Fortgeschrittene und ist sogar bereit, mit einer speziellen Wollust an der eigenen Kondition zu leiden.
Mark Z. Danielewskis Roman „Das Haus” ist nicht nur dick, sondern auch kompliziert. Dabei gibt es einen zentralen Plot, der alle Voraussetzungen für ein zügiges Wegschmökern mitbringt. Eine vierköpfige Familie, die Navidsons, verlässt Anfang der neunziger Jahre New York, um in Virginia ein altes Haus zu beziehen. Schnell kulminieren unheimliche Begebenheiten. Durch einen wie aus dem Nichts entstandenen Korridor lässt sich ein völlig finsteres, eiskaltes Riesengebäude betreten, das dem Häuschen, von außen unerkennbar, anhängt. Dieses Haus-am-Haus lebt. Unvorhersehbar verändert es seine Struktur und scheint durch sein Wuchern, Dehnen und Schrumpfen auf diejenigen zu reagieren, die es zu erkunden wagen. Was dabei im Einzelnen geschieht, ist weit origineller und vertrackter, als es eine Zusammenfassung wiedergeben kann, und weil es zudem wirklich spannend erzählt wird, soll kein wichtiges Detail der Exkursionen, die Will Navidson und andere wagen, verraten werden.
Was ein Blinder sieht
Neben der fast klassischen Haunted-House-Story, der Geschichte vom verfluchten Haus, bietet Danielewski noch eine umfangreiche zweite Handlung auf. Sechs Jahre nach dem Geschehen um das Spukhaus gerät in Kalifornien ein junger Mann namens Johnny Truant in eine tiefe existentielle Krise. Truant, der in einem Tätowierladen jobbt und seine freie Zeit mit Drogen und schnellem Sex herumkriegt, ist hochsensibel und künstlerisch begabt, hat eine traumatische Kindheit hinter sich, und so braucht es nur noch einen letzten Kick, dass sein Leben aus der Spur springt. Der Roman schließt die beiden Ereigniskomplexe kurz, und als Verbindungsstück dient ihm – dies hat eine lange Tradition – in Gestalt eines Manuskripts die Literatur selbst.
Truant fällt eine wüste Blätter- und Zettelsammlung aus dem Nachlass eines kürzlich verstorbenen Greises namens Zampanò in die Hände. Kernstück dieser Papiere ist der sogenannte „Navidson-Report”, in dem Zampanò erzählt, was der Familie Navidson in Virginia zugestoßen ist. Ein Buch im Buch also, aber mit dieser einmaligen Verschachtelung lässt es Danielewski nicht bewenden. Der Navidson-Report tritt nämlich nicht als direkte Chronik realer Ereignisse vor uns, sondern als Nacherzählung eines Films. Will Navidson hat, nachdem er mit Frau und Kindern ins Spukhaus gezogen war, die dortigen Ereignisse akribisch auf Zelluloid und Video gebannt. Navidson ist ein mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneter Fotoreporter, und mit dem Navidson-Report scheint ihm auf Anhieb ein Meisterwerk des Dokumentarfilms gelungen zu sein.
Den Rang dieses Werks bezeugt die gewaltige Rezeption, die der Film binnen weniger Jahre in der Kritik und in allen möglichen Wissenschaften erfahren hat. Die 450 Fußnoten des Romans geben hierin einen Einblick. Zum größten Teil stammen sie von Zampanò, der in ihnen auf ausgewählte Sekundärliteratur verweist und auch ausführlich aus ihr zitiert. Dazu kommen noch Anmerkungen von Johnny Truant, und Anmerkungen der anonymen Herausgeber, die Truants Werk, also die kombinierten Geschichten der beiden, in Druck gebracht haben. Im Anhang finden sich des Weiteren Dokumente aus beider Leben: Manuskriptfragmente, Zeichnungen, Fotos und Briefe. Eine zusätzliche Dimension der Darstellung öffnet sich im Druckbild des Romans. Es werden verschiedene Schrifttypen und -größen verwendet. Manchmal erscheint der Text in Spalten oder Kästen. Man muss rückwärts lesen oder zwischen den Zeilen hin und her hüpfen – von weiteren den Lesefluss stauenden Einfällen ganz zu schweigen.
Behält man rigoros die Handlung im Auge, werden einem, in wechselnd langen Teilstücken, drei Ebenen „wirklichen” Lebens geboten: die Erlebnisse der Familie Navidson, das allmähliche Ausflippen des jungen Truant und Bruchstücke aus dem Dasein des mysteriösen Zampanò. Allerdings stellt Danielewski den Wirklichkeitscharakter aller drei Dimensionen von Anfang an regelmäßig in Frage. Truant kann bei seinen Recherchen keinen Hinweis darauf finden, dass der angeblich berühmte Film tatsächlich existiert. Viele der in Zampanòs gelehrten Anmerkungen zitierten wissenschaftlichen Werke sind offensichtlich erfunden. Zampanò war zudem die letzten vierzig Jahren seines Lebens blind. Er kann den Film, den er nacherzählt und kommentiert, so es ihn denn gäbe, nie gesehen haben.
Auch Truant selbst ist ein fragwürdiger Erzähler. Gleich zu Beginn des Romans erweist er sich als notorischer Schwindler, als einer, der Geschichten aus seinem Leben gerne so zurechtlügt, dass er damit maximalen Eindruck bei den Zuhörern erzielen kann. Außerdem leidet er während seiner Arbeit über Zampanòs Zetteln zunehmend an Angstattacken und Wahnvorstellungen. Einiges deutet sogar daraufhin, dass er den Navidson-Report in einem kreativen Delirium selbst verfasst haben könnte. Diese und zahlreiche weitere Fragwürdigkeiten werden dem Leser manchmal diskret, oft wie auf dem Präsentierteller serviert. Dabei lässt sich nicht alles, was die Authentizität des Geschilderten in Frage stellt, auf die Konten der beiden fiktiven Autoren Zampanò und Truant verbuchen, manches geht zu Lasten der waghalsigen, nicht immer glatt verfugten Konstruktion des Überautors Mark Z. Danielewski.
Das Grauen und die Maschine
Wer es als Romancier frontal darauf anlegt, die Wirklichkeitsillusion des Lesers zu frustrieren, spielt ein riskantes Spiel. Letztlich hofft er, dass die hauchdünne bleiche Larve, mit der jede Fiktion das banale Bastlertum des erfindenden Autors verbirgt, an Liebreiz gewinnt, wenn sie mit dem Rouge ironischer Relativierung aufgeschminkt wird. Solche Texte sagen dann mit artistischer Koketterie: „Guckt mal, ich bin nur erfunden, aber ist nicht alles hinreißend schlau ausgetüftelt?” Kleine Glanzstücke dieses Spiels mit Wirklichkeitsillusion und Desillusionierung finden sich im Navidson-Report. Die Idee, das Kernstück des Plots, die eigentliche Horrorhandlung, als Abriss eines Dokumentarfilms zu erzählen, geht verblüffend gut auf. Die Beschreibung der Technik, der verschiedenen Kameras und Beleuchtungsutensilien, die fachmännische Reflexion über deren Potenz und über die gewonnenen Resultate erzeugen eine eigene Aura von Wirklichkeit. Im Griff der Geräte bekommen die Körper der wagemutigen Spukhauserforscher eine schmerzhafte Präsenz. Selbst das bis zuletzt gestaltlos bleibende Grauen bekommt eine eigentümlich technologische Kontur. Die bildgebenden Maschinen scheinen auf suggestive, fast magische Weise Garanten für die Authentizität jedweden Geschehens.
Am anderen Ende der Wirkungsskala liegt das Tischfeuerwerk aus Belesenheit und interpretatorischer Schläue, das in den Anmerkungen und auch im Erzähltext abgebrannt wird. Allein die Erfindung der Titel, die die wissenschaftlichen Bücher, Aufsätze, die Fernseh- und Rundfunkbeiträge tragen, strotzt vor Gescheitheit und protzt zugleich mit einem Witz, der die Welt der Theorie aufs Korn nimmt. Selbst einen, der selbst lange, lernend oder lehrend, akademisch gelitten hat, wird dieses Spiel mit wirklichem oder vorgetäuschtem Wissen irgendwann ermüden. Natürlich gibt es Zeitgenossen, die erwarten, dass ein schwieriges Buch auch die Spannbreite möglicher Deutung in irgendeinem Theorie-Kauderwelsch zur Schau stellt. Aber die allzu freigiebige Befriedigung dieses Anspruchs wird zuletzt den Herzmuskel des Lesens, die Phantasie, lähmen.
Der starke Leser denkt gern selbst. Ungut pompös erscheinen mir in diesem Zusammenhang auch die zahlreichen direkten Bezugnahmen auf Werke der Weltliteratur, oft sogar in der Originalsprache. Wessen Bildung wird hier, für oder gegen wen, in Stellung gebracht? Der Anhang bringt unter der Überschrift „Diverse Zitate” noch einmal zwanzig gewichtige Namen, von Homer bis Derrida, und es entsteht der Verdacht, dass der Autor mit einem finalen Schlag entweder alle weniger Belesenen vollends einschüchtern oder uns auf dem Wege der intellektuellen Anbiederung in den Kreis der Eingeweihten, in die Gemeinde der Fans einbinden will.
Die schaurigen Prüfungen
Aber halb so schlimm! Dieses dicke Buch kann dem, der bis auf seine letzten Seiten gelangt, eine Menge Freude bereiten. In der Bewältigung seiner Komplexität genießt unser mentales System sich selbst, es freut sich an der eigenen Vielschichtigkeit, und unser Ego darf stolz sein auf sein Durchhaltevermögen. Unserem Ich bietet das Figurenaufgebot darüber hinaus wunderbare Möglichkeiten der Identifikation. Die Navidsons stehen samt dem zu Hilfe herbeigeeilten Onkel anrührend tapfer füreinander ein. Die Familie, der harte Kern des amerikanischen Selbstbilds, überdauert mit heroischem Opfermut die wahrlich schaurigen Prüfungen, die ihr das Haus auferlegt. Wer jung ist, kann sich speziell Johnny Truant zu Herzen nehmen. Er ist der gefährdete Jüngling, der ums Haar an seiner Sensibilität zerbricht, dann aber über Zampanòs Zetteln selbst zum Künstler, zum wortmächtigen Schriftsteller wird und als Gesellenstück seine traumatische Kindheit in Erzählung verwandelt.
Süßer noch als ein solcher Gleichklang mit den Figuren ist jedoch die Identifikation mit dem, der sie erdacht hat. Denn einfach alles, was einem wichtig erscheint, in einen 800-Seiten-Wälzer zu packen, die Welt und ihre Vergangenheit, Raum und Zeit, die liebe Kunst samt der nicht ganz so geliebten Kritik der Kunst, das muss sich anfühlen wie Gott-Sein. Mehr noch als ein Horror-Roman erscheint mir „House of the Leaves” deshalb ein Künstlerroman. Und die Grandiosität, zu der sich seine Verfasser, die fiktiven wie der authentische, aufschwingen, schreckt vor letzten theologischen Höhen nicht zurück. Gott kommt in diesem Roman, recht gruselig und zugleich ironisch-theoretisch gebrochen, selbstverständlich auch vor.
MARK Z. DANIELEWSKI: Das Haus. House of the Leaves, aus dem amerikanischen Englisch von Christa Schuenke unter Mitarbeit von Olaf Schenk. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2007. 797 S., 29,90 Euro.
Von Georg Klein erschien zuletzt der Roman „Sünde Güte Blitz” (2007).
Dem Häuschen, von außen unerkennbar, hängt ein kaltes, finsteres, lebendiges Riesengebäude an. Foto: Bernd Arnold/Visum
Ist das nicht alles hinreißend schlau ausgetüftelt: Mark Z. Danielewski ist ein Meister des Komplizierten und behält doch die Kontrolle. Foto: Getty Images
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House of Leaves has continued to reward readers prepared to navigate its labyrinth, with a community of fans ready to support them if they ever get lost in the dark. GUARDIAN