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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Ein Förster über die Waldwirtschaft der Zukunft
Der Wald ist in Deutschland ein sehr emotionales Thema. Er nimmt 32 Prozent der Gesamtfläche ein und gilt als Balsam für die Menschenseele sowie als ökologisches Multitalent, weil er Kohlenstoff speichert, Grundwasser und Holz liefert. Als Folge des Klimawandels gerät er allerdings an die Grenze der Leistungsfähigkeit. Was zu tun ist, um sein Ökosystem zu retten, wird gegenwärtig heftig diskutiert. Mit Martin Janner meldet sich jetzt ein unmittelbar betroffener Fachmann aus der jüngeren Förstergeneration zu Wort. Seit einem Vierteljahrhundert betreut der heute 54 Jahre alte Forstingenieur aus Alsfeld in Oberhessen das 1500 Hektar große Waldrevier Oberwallmenach zwischen Rhein, Main und Lahn nahe der Loreley. Sein Buch zum "Wald der Zukunft", das erste, das er schreibt, ist als Erfahrungsbericht aus der Praxis erzählt.
Auf Spaziergängen durch sein Revier lässt er die Leser an seiner täglichen Arbeit, deren technischen, ökonomischen und monetären Belangen, seinen Problemen im Klimawandel und seinen Zukunftssorgen teilhaben. Konkrete Beispiele machen deutlich, dass der Wald in den kommenden Jahren noch wichtiger als Erholungsort, Klimaanlage und Wasserspeicher wird, zugleich als Holzproduzent für vielerlei nachhaltige Verwendungen an Bedeutung gewinnt. Angesichts Dürre- und Sturmschäden plädiert Janner eindringlich, die klimageschwächten Wälder nicht erneut mit den für trocken-heiße Temperaturen ungeeigneten, aber finanziell attraktiven Fichten aufzurüsten, sondern zu einem bunten, vielfältigen, hitzetoleranten Mehrgenerationenmix umzubauen.
Auf die Selbstheilungskräfte des Waldes zu vertrauen und abzuwarten, bis eine hitzeresistente Vegetation von selbst wächst, hält der Forstmann für illusorisch. Das brauche über hundert Jahre. Sein Vorschlag: Wir sollten natürliche Prozesse "durch sanfte Entwicklungsmaßnahmen ergänzen". Wenn Trockenheit und anschließender Borkenkäferbefall Bäume oder ganze Fichtenkulturen vernichten, dürfe man sich zwar über jeden Schössling freuen, der von Natur aus nachwächst und den Wald verjüngt. Auf maroden Freiflächen müssten aber trockenheitstolerante Arten sorgsam hinzugefügt werden. "Waldentwicklung braucht langen Atem", sagt er. Ein zukunftsträchtiger Baummix komme nicht von selbst ohne unterstützende Zupflanzung.
Bei der Aufforstung für die Zukunft empfiehlt Janner, sich zunächst unter heimischen Sorten aufmerksam umzuschauen: "Auch hier finden wir Baumarten, die die vergangenen Trockenjahre ausgezeichnet überstanden haben und denen wir womöglich in den letzten Jahrzehnten aus vielerlei Gründen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben." Es gebe bei uns einen großen Schatz an Bäumen, sagt der Förster und betont: "Wir brauchen eine gute Vielfalt, denn nur eine Mischung aus verschiedenen Baumarten kann dem Wald zu mehr Klimastabilität verhelfen."
Hinsichtlich heimischer Sorten denkt Janner konkret an bodenkräftigende "Pionier-" oder "Powerbäume" wie Eberesche, Birke, Kiefer oder Zitterpappel. Ebenso an seltene Arten wie Traubeneiche, Elsbeere und Speierling. Hilfe erhofft er sich auch von mediterranen Bäumen wie der hitze- und trockenheitsgewöhnten Zerreiche oder der Esskastanie. Ein Auswahlkriterium sieht er nicht nur in der Klimastabilität. Zusätzlich kommt es ihm auf die mögliche Holznutzung, den Finanzertrag und die Symbiose mit Boden, Pflanzen und Tieren der Umgebung an. Gleichfalls wichtig sind ihm "verzahnte Generationen" aus unterschiedlichen Baumarten und Altersstufen: "Wenn Wälder nicht mehr aus Bäumen desselben Alters bestehen, sondern verschieden alte Exemplare ein vielfältiges Höhenmosaik aus großen dicken Bäumen, kleinen und mittleren Höhenstufen bilden, ist der Wald besser geschützt."
Bemühungen zu einem widerstandsfähigen Mehr-Generationen-Mischwald aus Laub- und Nadelbäumen will Janner unbedingt von aktiv betriebener "Jagd durch handwerklich versierte Jäger und Jägerinnen" unterstützt sehen. Der Wildbestand müsse dringend reduziert werden. Vor allem Rehe und Hirsche seien Gefährder von frisch gepflanzten, zumal seltenen Bäumen: Die Neulinge müssten ganz besonders vor dem Appetit dieser Tiere bewahrt werden. Auch der Rehverbiss an den Spitzen von Tanne und Eiche behindere die Vielfalt für einen stabilen Mischwald. Deshalb die Faustregel: "Weniger Tiere auf der Fläche fressen weniger Knospen."
Der Charme von Janners kenntnisreichem Buch ist seine angenehme Lesbarkeit. Bei aller Dringlichkeit seines Anliegens kommt er ohne messianische Töne aus. Und es klingt sympathisch, respektvoll und voller Zuneigung, wenn er die Baumarten seiner Wahl auf ihre Tauglichkeit für einen Wald der Zukunft durchmustert und sie dabei in den Status handelnder Personen und selbstbestimmter Charaktere erhebt. Selbst die waldverschattenden Douglasien und die mittlerweile unzuträglichen Fichten verteufelt er nicht.
Sein Buch lässt Janner mit einer Antwort auf die Frage enden, worin für ihn, seine Kollegen und die Gesellschaft die Faszination der Waldes besteht. "Es sind die Gefühle, die jeden von uns mit dem Wald verbinden", resümiert er. Im Klimawandel allerdings könnten nur "wissensbasierte Anpassungsprozesse" die deutschen Wälder stärken. Deshalb sein Rat: "Lernen, Wissen, Beurteilen und dann entschieden und umsichtig Handeln. Gefühle allein bringen uns leider keinen Schritt weiter." ULLA FÖLSING
Martin Janner: Der Wald der Zukunft. Ein Förster berichtet vom Kampf um unsere Bäume. Piper-Verlag, München 2023, 256 Seiten, 22 Euro.
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