Das Schicksal einer Familie aus Afghanistan - ein orientalisches Epos von Liebe, Macht, Glauben und Poesie
Am Anfang steht eine Reise in die Vergangenheit: Schaer, der während der sowjetischen Besatzung aus Afghanistan fliehen musste, kehrt im Jahr 2008 zurück, um seine alte und kranke Mutter Khurschid in Herat zu besuchen. Er will ihre Erinnerungen vor dem Vergessen bewahren. Nach und nach fördert er ihre Geschichte zutage, die ganz eng mit der Geschichte des Landes verwoben ist, und gibt alles, um ihren letzten Wunsch zu erfüllen. Der üppige und kostbare Teppich seiner Mutter dient ihm dabei als Erinnerungsstütze. In seiner Mitte zeigt er den afghanischen Nationalsport Buskaschi, einen Reiterwettkampf um eine tote Ziege, und liefert damit das Leitmotiv für die Geschichte des Landes. Ähnlich opulent entfaltet sich die Geschichte von Khurschid und Scharif, die durch die Wirren des Landes führt, das sich von der britischen Besatzungsmacht befreien und eigenständig werden will, aber in einen Strudel aus Stammesfehden und Rivalitäten der Großmächte gerät - und zu einem Ausgangspunkt des Islamismus wird. Scharif, Sohn eines Bauern, Koranschüler und Lehrjunge eines Gemüsehändlers, erobert das Herz von Khurschid und wird zu einem einflussreichen Geschäftsmann - und er verliert seinen Traum, zum Buskaschi-Helden zu werden, nicht aus den Augen. Der Buskaschi-Kampf im Jahr 1960 wird zu einem Wendepunkt in seinem Leben. Massum Faryar erzählt eine große Familiensaga mit einer bildreichen, farbenprächtigen Sprache, packenden Dialogen und tiefem Verständnis für die Wechselfälle der Geschichte.
Am Anfang steht eine Reise in die Vergangenheit: Schaer, der während der sowjetischen Besatzung aus Afghanistan fliehen musste, kehrt im Jahr 2008 zurück, um seine alte und kranke Mutter Khurschid in Herat zu besuchen. Er will ihre Erinnerungen vor dem Vergessen bewahren. Nach und nach fördert er ihre Geschichte zutage, die ganz eng mit der Geschichte des Landes verwoben ist, und gibt alles, um ihren letzten Wunsch zu erfüllen. Der üppige und kostbare Teppich seiner Mutter dient ihm dabei als Erinnerungsstütze. In seiner Mitte zeigt er den afghanischen Nationalsport Buskaschi, einen Reiterwettkampf um eine tote Ziege, und liefert damit das Leitmotiv für die Geschichte des Landes. Ähnlich opulent entfaltet sich die Geschichte von Khurschid und Scharif, die durch die Wirren des Landes führt, das sich von der britischen Besatzungsmacht befreien und eigenständig werden will, aber in einen Strudel aus Stammesfehden und Rivalitäten der Großmächte gerät - und zu einem Ausgangspunkt des Islamismus wird. Scharif, Sohn eines Bauern, Koranschüler und Lehrjunge eines Gemüsehändlers, erobert das Herz von Khurschid und wird zu einem einflussreichen Geschäftsmann - und er verliert seinen Traum, zum Buskaschi-Helden zu werden, nicht aus den Augen. Der Buskaschi-Kampf im Jahr 1960 wird zu einem Wendepunkt in seinem Leben. Massum Faryar erzählt eine große Familiensaga mit einer bildreichen, farbenprächtigen Sprache, packenden Dialogen und tiefem Verständnis für die Wechselfälle der Geschichte.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.05.2015So schmutzig ist nur das Paradies
Mit seinem Debütroman, der epischen Familien-Saga „Buskaschi oder Der Teppich meiner Mutter“, holt der in Deutschland
lebende Afghane Massum Faryar seine ebenso schöne wie geschundene Heimat ins deutsche Wohnzimmer
VON TIM NESHITOV
Der Himmel über Deutschland – wie soll ein Exilafghane seiner alten Mutter davon erzählen? Die Mutter lebt in Herat im Westen Afghanistans, umhüllt von Demenz, und ihr Sohn, zu Besuch aus Deutschland, schwankt zwischen Wehmut und Humor: „Der graue Himmel über Deutschland erdrosselt mich! Und die Menschen lieben ihren Himmel, Nane. Sie tragen ihn sogar auf ihren Gesichtern. Sie sind stolz auf ihre vier Jahreszeiten und verschweigen, dass drei davon feucht und grau sind.“
Und was sagt Mutter dazu? „Uh! Der Totenwäscher soll sie holen!“
Massum Faryar, ein 1959 in Herat geborener, seit 1982 in Deutschland lebender Philologe und Übersetzer, hat seinen ersten Roman geschrieben, auf Deutsch. „Buskaschi oder Der Teppich meiner Mutter“ verwebt die Geschichte einer Familie aus Herat (Faryar versichert, dass es keine Autobiografie ist) mit der Geschichte Afghanistans von den Zwanzigerjahren bis in die unruhige Gegenwart. Wer „Drachenläufer“ des US-Afghanen Khaled Hosseini gerne gelesen hat, wird auch an diesem Buch seine Freude haben. Man holt sich damit ein schönes, geschundenes, trotz all der Kriege unbekannt gebliebenes Land ins Wohnzimmer, ohne dass das man aus dem Wohnzimmer gleich fliehen möchte.
Die Handlung ist mit einigen Cliffhangern versehen. Wer beispielsweise darf die unerreichbare Schira heiraten? Kriegt der sadistische Schurke Sultan irgendwann mal seine gerechte Strafe? Wenn man mit Afghanistans Geschichte nicht sonderlich vertraut ist, kommen weitere spannende Fragen hinzu: Wird König Amanullah gestürzt? Wird auch sein Nachfolger gestürzt? Und dessen Nachfolger auch? Wird der KGB den Präsidenten Amin nun vergiften oder erschießen?
Es fließt viel Blut in diesem epischen, 650 Seiten langen Roman. Viele Tränen. Es werden Fingernägel gezogen und Augen ausgestochen. Aber es wird auch viel gelacht und viel sinniert über das Wesen von Religionen, über Liebe, Tod, das Geheimnis der Erinnerung. Zuerst sollte man aber die Sprache Massum Faryars würdigen, die an sich ein Abenteuer ist.
Der Held, er heißt Schaer und das bedeutet auf Dari „Dichter“, erinnert sich mit Scham daran, wie er als Teenager die Tochter der Dienerin angebaggert hat, als sie noch in dem schönen Haus in Herat lebten, umschwärmt von Schmetterlingen, umgeben von Gärten. „Ich liebe deine Brüste“, sagt Schaer. Aber die Tochter der Dienerin ist klug und traurig. Sie zieht ihren Tschador über den Kopfund sagt, der junge Herr werde sie doch nie heiraten, da sie arm und ungebildet sei. Das weiß der junge Herr selbst ganz genau.
„Dann klammerte sie ihre Arme um den schweren Sack, hob ihn hoch und lief flink über das Feld zum Haus. Ich schloss meine Augen und verwandelte mich in eine sitzende Statue aus schwerem, schmutzigem Stein, die vom Einstürzen bedroht war.“
Oder diese tastenden Sätze: „Die Nacht zog sich schleichend zurück, und am Himmel begannen die Sterne, nach und nach ihre Blicke zu schließen. Sie schenkten ihr Augenlicht dem Blau des Himmels und lösten sich auf.“
Manchmal löst sich diese suchende Sprache leider selbst auf, in blumigen Metaphern, was weniger schön ist. Dann schreibt Massum Faryar Sätze wie diese: „Ob aus den Augen der Habgier oder des Hungers – jede Träne schmeckt salzig. Auch alles Lachen, das zu den Sternen steigt, klingt diesen gleich süß. Dein Herz kann dem Vogel, der Liebe heißt, zur Heimat werden.“
Die Familiensaga beginnt damit, dass Schaers Vater, Koranschüler und Lehrling bei einem Gemüsehändler, mit ungewöhnlich viel Glück zum Unternehmer aufsteigt und zwischen den Kriegen das erste Auto und die erste Rolle Klopapier nach Herat bringt. Schaer weiß nicht, wann genau er selbst geboren wurde. Seine Mutter kann ihm lediglich sagen, dass es ein verregneter Tag war, an dem ein weißer Schmetterling gegen das Fenster schlug. Sie gebar auf dem Fensterbrett.
Schaer liest, als er in den Siebzigerjahren aufwächst, Liebesgedichte von Hafes, Bücher von Maxim Gorki und eingeschmuggelte schwedische Pornomagazine. Sein Vater las seinerzeit vor allem den Koran, aber er haderte mit dem Schöpfer. Er fragte sich, wieso es im Paradies Bäche voller Wein geben soll und jede Menge Jungfrauen, während Alkohol und außerehelicher Sex auf Erden verboten sind. „Wenn all dies verderblich und schmutzig ist, warum ist das Paradies voll von diesem Dreck? Wir sollen enthaltsam leben, um mit so etwas Verderblichem für ewig belohnt zu werden?“ Es sind diese Fragen eines Jugendlichen, die hängen bleiben.
Oder die zärtliche, tragische Liebesgeschichte zwischen einer Jüdin und einem Moslem – eine perfekt komponierte Novelle innerhalb des Romans. Religion prägt den afghanischen Alltag wie nichts sonst, oft entscheidet sie über Leben und Tod. Weniger einprägsam sind dagegen die Predigten des sympathischen Maulana Asis, eines Islamgelehrten, der eine wichtige Rolle in diesem Buch spielt. Er ist ein Freund der Familie, und sein Wort hat einiges Gewicht, ob nun die Kommunisten an der Macht sind oder die Taliban; er hilft, wo er kann. Aber seine Beteuerungen, islamistischer Terror sei eigentlich politischer Terror, kein religiöser, lesen sich wie einfallsarme Kommentarspalten in westlichen Medien.
„Buskaschi oder Der Teppich meiner Mutter“ ist um einiges epischer als Hosseinis „Drachenläufer"“. Es steckt in diesem Buch viel historisches Hintergrundwissen (manche Passagen lesen sich leider wie einem Geschichtslehrbuch entnommen). Außerdem schildert Faryar einen bunten Reigen an Protagonisten, vor allem Verwandte und Freunde der Familie, so dass man sich stellenweise vorkommt, als befinde man sich auf einer afghanischen Hochzeit mit unzähligen Gästen, von denen jeder Aufmerksamkeit, Mitleid oder Bewunderung verdient, und doch kreisen und kreisen sie nur um einen herum.
Das zentrale Motiv dieses Buchs, Buskaschi, ein in Afghanistan beliebtes Reiterspiel, beschreibt Massum Faryar mit ungeheurer Zerrissenheit. Dutzende Männer auf Pferden kämpfen, mit allen Mitteln und jeder für sich, um eine tote Ziege. Wer sich die Tierleiche schnappt, muss den anderen entkommen und sie dem Richter vorlegen. Das kann Tage dauern. Schaers Vater triumphiert einmal in Buskaschi. Buskaschi ist ungefähr so schön und so sinnvoll wie der spanische Stierkampf, aber dank dieses Sieges kann Schaers Vater später einem Freund das Leben retten. Der Kampf um Macht in Afghanistan erinnert sehr an den Kampf um die tote Ziege. Nur ist er nie zu Ende.
Viel Blut fließt in diesem
epischen, 650-Seiten-Roman.
Und viele Tränen
Faryar hat sein Buch
mit Fakten und Figuren
überfrachtet
Massum Faryar: Buskaschi oder Der Teppich meiner Mutter. Roman. Verlag
Kiepenheuer & Witsch,
Köln 2015. 656 Seiten,
22,99 Euro. E-Book
19,99 Euro.
Das titelgebende Buskaschi ist ein in Afghanistan beliebtes Reiterspiel, das an die dortigen Machtkämpfe erinnert.
Foto: SHAH Marai / AFP PHOTO
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Mit seinem Debütroman, der epischen Familien-Saga „Buskaschi oder Der Teppich meiner Mutter“, holt der in Deutschland
lebende Afghane Massum Faryar seine ebenso schöne wie geschundene Heimat ins deutsche Wohnzimmer
VON TIM NESHITOV
Der Himmel über Deutschland – wie soll ein Exilafghane seiner alten Mutter davon erzählen? Die Mutter lebt in Herat im Westen Afghanistans, umhüllt von Demenz, und ihr Sohn, zu Besuch aus Deutschland, schwankt zwischen Wehmut und Humor: „Der graue Himmel über Deutschland erdrosselt mich! Und die Menschen lieben ihren Himmel, Nane. Sie tragen ihn sogar auf ihren Gesichtern. Sie sind stolz auf ihre vier Jahreszeiten und verschweigen, dass drei davon feucht und grau sind.“
Und was sagt Mutter dazu? „Uh! Der Totenwäscher soll sie holen!“
Massum Faryar, ein 1959 in Herat geborener, seit 1982 in Deutschland lebender Philologe und Übersetzer, hat seinen ersten Roman geschrieben, auf Deutsch. „Buskaschi oder Der Teppich meiner Mutter“ verwebt die Geschichte einer Familie aus Herat (Faryar versichert, dass es keine Autobiografie ist) mit der Geschichte Afghanistans von den Zwanzigerjahren bis in die unruhige Gegenwart. Wer „Drachenläufer“ des US-Afghanen Khaled Hosseini gerne gelesen hat, wird auch an diesem Buch seine Freude haben. Man holt sich damit ein schönes, geschundenes, trotz all der Kriege unbekannt gebliebenes Land ins Wohnzimmer, ohne dass das man aus dem Wohnzimmer gleich fliehen möchte.
Die Handlung ist mit einigen Cliffhangern versehen. Wer beispielsweise darf die unerreichbare Schira heiraten? Kriegt der sadistische Schurke Sultan irgendwann mal seine gerechte Strafe? Wenn man mit Afghanistans Geschichte nicht sonderlich vertraut ist, kommen weitere spannende Fragen hinzu: Wird König Amanullah gestürzt? Wird auch sein Nachfolger gestürzt? Und dessen Nachfolger auch? Wird der KGB den Präsidenten Amin nun vergiften oder erschießen?
Es fließt viel Blut in diesem epischen, 650 Seiten langen Roman. Viele Tränen. Es werden Fingernägel gezogen und Augen ausgestochen. Aber es wird auch viel gelacht und viel sinniert über das Wesen von Religionen, über Liebe, Tod, das Geheimnis der Erinnerung. Zuerst sollte man aber die Sprache Massum Faryars würdigen, die an sich ein Abenteuer ist.
Der Held, er heißt Schaer und das bedeutet auf Dari „Dichter“, erinnert sich mit Scham daran, wie er als Teenager die Tochter der Dienerin angebaggert hat, als sie noch in dem schönen Haus in Herat lebten, umschwärmt von Schmetterlingen, umgeben von Gärten. „Ich liebe deine Brüste“, sagt Schaer. Aber die Tochter der Dienerin ist klug und traurig. Sie zieht ihren Tschador über den Kopfund sagt, der junge Herr werde sie doch nie heiraten, da sie arm und ungebildet sei. Das weiß der junge Herr selbst ganz genau.
„Dann klammerte sie ihre Arme um den schweren Sack, hob ihn hoch und lief flink über das Feld zum Haus. Ich schloss meine Augen und verwandelte mich in eine sitzende Statue aus schwerem, schmutzigem Stein, die vom Einstürzen bedroht war.“
Oder diese tastenden Sätze: „Die Nacht zog sich schleichend zurück, und am Himmel begannen die Sterne, nach und nach ihre Blicke zu schließen. Sie schenkten ihr Augenlicht dem Blau des Himmels und lösten sich auf.“
Manchmal löst sich diese suchende Sprache leider selbst auf, in blumigen Metaphern, was weniger schön ist. Dann schreibt Massum Faryar Sätze wie diese: „Ob aus den Augen der Habgier oder des Hungers – jede Träne schmeckt salzig. Auch alles Lachen, das zu den Sternen steigt, klingt diesen gleich süß. Dein Herz kann dem Vogel, der Liebe heißt, zur Heimat werden.“
Die Familiensaga beginnt damit, dass Schaers Vater, Koranschüler und Lehrling bei einem Gemüsehändler, mit ungewöhnlich viel Glück zum Unternehmer aufsteigt und zwischen den Kriegen das erste Auto und die erste Rolle Klopapier nach Herat bringt. Schaer weiß nicht, wann genau er selbst geboren wurde. Seine Mutter kann ihm lediglich sagen, dass es ein verregneter Tag war, an dem ein weißer Schmetterling gegen das Fenster schlug. Sie gebar auf dem Fensterbrett.
Schaer liest, als er in den Siebzigerjahren aufwächst, Liebesgedichte von Hafes, Bücher von Maxim Gorki und eingeschmuggelte schwedische Pornomagazine. Sein Vater las seinerzeit vor allem den Koran, aber er haderte mit dem Schöpfer. Er fragte sich, wieso es im Paradies Bäche voller Wein geben soll und jede Menge Jungfrauen, während Alkohol und außerehelicher Sex auf Erden verboten sind. „Wenn all dies verderblich und schmutzig ist, warum ist das Paradies voll von diesem Dreck? Wir sollen enthaltsam leben, um mit so etwas Verderblichem für ewig belohnt zu werden?“ Es sind diese Fragen eines Jugendlichen, die hängen bleiben.
Oder die zärtliche, tragische Liebesgeschichte zwischen einer Jüdin und einem Moslem – eine perfekt komponierte Novelle innerhalb des Romans. Religion prägt den afghanischen Alltag wie nichts sonst, oft entscheidet sie über Leben und Tod. Weniger einprägsam sind dagegen die Predigten des sympathischen Maulana Asis, eines Islamgelehrten, der eine wichtige Rolle in diesem Buch spielt. Er ist ein Freund der Familie, und sein Wort hat einiges Gewicht, ob nun die Kommunisten an der Macht sind oder die Taliban; er hilft, wo er kann. Aber seine Beteuerungen, islamistischer Terror sei eigentlich politischer Terror, kein religiöser, lesen sich wie einfallsarme Kommentarspalten in westlichen Medien.
„Buskaschi oder Der Teppich meiner Mutter“ ist um einiges epischer als Hosseinis „Drachenläufer"“. Es steckt in diesem Buch viel historisches Hintergrundwissen (manche Passagen lesen sich leider wie einem Geschichtslehrbuch entnommen). Außerdem schildert Faryar einen bunten Reigen an Protagonisten, vor allem Verwandte und Freunde der Familie, so dass man sich stellenweise vorkommt, als befinde man sich auf einer afghanischen Hochzeit mit unzähligen Gästen, von denen jeder Aufmerksamkeit, Mitleid oder Bewunderung verdient, und doch kreisen und kreisen sie nur um einen herum.
Das zentrale Motiv dieses Buchs, Buskaschi, ein in Afghanistan beliebtes Reiterspiel, beschreibt Massum Faryar mit ungeheurer Zerrissenheit. Dutzende Männer auf Pferden kämpfen, mit allen Mitteln und jeder für sich, um eine tote Ziege. Wer sich die Tierleiche schnappt, muss den anderen entkommen und sie dem Richter vorlegen. Das kann Tage dauern. Schaers Vater triumphiert einmal in Buskaschi. Buskaschi ist ungefähr so schön und so sinnvoll wie der spanische Stierkampf, aber dank dieses Sieges kann Schaers Vater später einem Freund das Leben retten. Der Kampf um Macht in Afghanistan erinnert sehr an den Kampf um die tote Ziege. Nur ist er nie zu Ende.
Viel Blut fließt in diesem
epischen, 650-Seiten-Roman.
Und viele Tränen
Faryar hat sein Buch
mit Fakten und Figuren
überfrachtet
Massum Faryar: Buskaschi oder Der Teppich meiner Mutter. Roman. Verlag
Kiepenheuer & Witsch,
Köln 2015. 656 Seiten,
22,99 Euro. E-Book
19,99 Euro.
Das titelgebende Buskaschi ist ein in Afghanistan beliebtes Reiterspiel, das an die dortigen Machtkämpfe erinnert.
Foto: SHAH Marai / AFP PHOTO
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»Es ist eine zauberisch leuchtende Prosa, ein wunderbares Buch, das man mit Genuss liest und das einen dabei klüger entlässt..« Tomas Gärtner Dresdner Neueste Nachrichten 20150818