Wie erholt man sich in einer Gesellschaft, die immer in Eile ist, die keine Zeit hat und in überindustrialisierten Städten mit wenig Naturräumen lebt? Koreaner sind Pragmatiker. Sie planen ihre Freizeit so effizient wie die berufliche Arbeit und wägen Aufwand gegen Nutzen ab. Stadtnahe Freizeitparks
und Festivals sind Gelegenheiten, mit geringem Aufwand zusammen mit anderen Spaß zu haben.…mehrWie erholt man sich in einer Gesellschaft, die immer in Eile ist, die keine Zeit hat und in überindustrialisierten Städten mit wenig Naturräumen lebt? Koreaner sind Pragmatiker. Sie planen ihre Freizeit so effizient wie die berufliche Arbeit und wägen Aufwand gegen Nutzen ab. Stadtnahe Freizeitparks und Festivals sind Gelegenheiten, mit geringem Aufwand zusammen mit anderen Spaß zu haben. „Kollektiven Individualismus“ nennt der Fotograf Seunggu Kim dieses Phänomen, das es in dieser Ausprägung nur in Korea gibt. Für Europäer sind das uniforme Verhalten und die trostlose Einfachheit der „Attraktionen“ mit Individualismus kaum zu assoziieren, in Korea ist das ganz offensichtlich anders. Kim hat seit fast 10 Jahren detaillierte Übersichtsfotos von Freizeitparks und Festivals aufgenommen und gibt so interessante Einblicke in das Vor-Corona, Während-Corona und Nach-Corona Korea. Die Unterschiede sind kaum wahrnehmbar, was auf bestimmte kollektive Verhaltensmuster zurückzuführen ist, die es Korea ermöglichte, ohne drakonische Maßnahmen die Corona-Pandemie zu überstehen, bei der gleichzeitig geringsten Todesrate aller Industrienationen.
Kims Fotos werden immer aus erhöhten Perspektiven aufgenommen und wirken oft wie Drohnenbilder, wodurch der gleichgeschaltete Individualismus, der für den europäischen Betrachter so irritierend ist, auf den ersten Blick erkennbar wird.
Im Nachwort erklärt der Autor diese auffälligen kulturellen Unterschiede, allerdings zeigen die Fotos auch keine absolute Realität, denn die vielen Dutzend Menschengruppen eines einzelnen Bildes sind einfach zu perfekt arrangiert, um natürlich zu sein. Sie visualisieren also eher ein Konzept. Aber letztlich macht das künstlerische Fotografie immer.
Kim nutzt Großformatkameras für seine Fotos, was im verkleinerten Format als Überdetailliertheit wahrgenommen wird. Es sind echte Wimmelbilder, die man gerne größer sehen möchte, um die Raffinesse der Komposition klarer zu erkennen. Das Buchformat ist erkennbar ein Kompromiss, der den riesigen Originalen zwar nicht wirklich ebenbürtig ist, aber zumindest einen realen Eindruck vermittelt.
(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)