Zu den geheimnisvollsten Phänomenen unseres Lebens gehören die Träume. Über Zeit und Raum schlagen sie gewaltige Brücken, wie sie kühner und gewagter keines Baumeisters Hirn zu ersinnen vermag. Traum ist Befreiung, und wo immer er aufdämmert, umfängt uns ein Hauch der Unendlichkeit, die alle Fesseln sprengt. Wenn man bedenkt, daß der normale Mensch ein Drittel seiner Zeit im Schlafe verbringt, dann läßt sich annähernd ermessen, welchen Stellenwert in unserem Dasein wir den Träumen zuordnen müssen, ob wir wollen oder nicht. Aber der Traum und seine Schwester, die Phantasie, beherrschen nicht nur unsere Nächte. Sie greifen über auf das Unterbewußtsein unseres wachen Lebens und zwingen unsere Gedanken in ihren Bann. Sie beflügeln unsere Sinne und aktivieren die kreativen Fähigkeiten. Doch in gleichem Maße vermögen sie bisweilen auch die menschliche Initiative zu lähmen und Depressionen zu schüren. Denn die Phantasie ist eine eigenwillige Gewalt, die sich jeder Lenkung durch den Verstand zu entziehen versteht. Nach rätselhaften Gesetzen geht sie ihre eigenen Wege, und dem Menschen bleibt keine andere Wahl, als sie gewähren zu lassen. Widerstand ist in diesem Bereich der Psyche zwecklos. Er führt nur in den seltensten Fällen zum Erfolg, der nicht nur einen eisernen Willen voraussetzt, sondern auch Selbstbeherrschung und Nüchternheit.