»Ea morte de Venexia, xe anca morta mia.«Wenn Venedig stirbt, so sterbe auch ich.Wenn die Rede auf Venedig kommt, denken wir an die schöne, morbide Stadt im Meer. Aber was sich auf den ersten Blick darbietet, ist meist nur die Fassade - eine Maske. Wir übersehen allzu leicht, dass Venedig ein Organismus ist, der lebt, atmet und sich ständig verändert.Der Fotograf und Grafikdesigner Stefan Hilden hat die blinden Flecken unserer Venedig-Wahrnehmung aufgespürt. In seinem Bildband zeigt er, wo die Zeiten vorübergezogen sind und ihre Spuren hinterlassen haben, träumende Orte, deren Bestimmung verloren gegangen ist, deren nächstes Leben sich aber auch schon vorbereitet.Wir begegnen den Wächtern dieser Orte. Menschen, die den Übergang begleiten, die hier leben und arbeiten, vor und hinter den Kulissen. Wir gehen an Orte, an denen sich jene versammeln, denen diese Kulisse fremd geworden ist. Die an neuen Orten ein neues, alternatives, kreatives und sehr venezianisches Leben erfinden. Durch die Mitarbeit im venezianischen Künstlerkollektiv »Organico«, über persönliche Kontakte und Freundschaften war es Stefan Hilden möglich, Fotos des alten, geheimen, unbekannten und neuen Venedig zu machen. Eine Reise hinter die Kulissen. Eine Reise nach Venexia.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.06.2022In geräumigen Häusern leben
Vielleicht sollte es ein europäisches Gesetz geben, dass es verbietet, venezianische Straßenkatzen zu fotografieren. Vor allem beim Trinken aus kleinen, am Gassenrand herumstehenden Schälchen. Aufnahmen von zwischen Pfützen umhertrippelnden Tauben könnten ebenso untersagt werden. Auch Fotos von an rohen Ziegelwänden lehnenden Fahrrädern. Man könnte es das "Anti-Banalisierungs-Gesetz" nennen. Oder die "Anti-Trivialisierungs-Verordnung". Auf solch schräge Gedanken kann man kommen, wenn man den vorliegenden Fotoband durchblättert, der in seinem Titel ein Venedig "hinter den Kulissen" verspricht. Genau dieses Venedig suchen die Gäste der Serenis
sima seit dem späten achtzehnten Jahrhundert, als die Stadt aufhörte Republik zu sein, und der Prozess der Profanierung und Musealisierung begann. Zugleich ist der Anspruch dieses Buches und seiner Fotografien fast rührend; und wirkliche Naivität ist immer bezaubernd. Tatsächlich gibt es nicht nur Belanglosigkeiten. Einige Fotos - es sind wenige - sind das, was Fotos ja auch durchaus sein dürfen - schlicht schön. Unscharf, nebensächlich, irgendwie aquarellene Schnappschüsse, die etwas mit der Idee von Venedig, denn in der Wirklichkeit existiert solch eine Stadt schon seit Langem nicht, zu tun haben könnten. Der Rest, und gut gemeint ist wie immer schlecht gemacht, ist ein Griff in die tiefsten Tiefen der Floskelkiste. Die Texte sind auch trotz ihrer Knappheit nicht lesbar; fast schon Satire. "Es gibt sie: die stillen Oasen in Venedig", ist hier zu lesen. Wir sind im Garten einer "amerikanischen Besitzerin". Und dann kommt ein Satz, der ebenso platt ist wie dieser Bildband: "Das dazugehörige Haus ist geschmackvoll eingerichtet und geräumig." Venedig wird, und das ohne jeden Zweifel, allein schon wegen des Klimawandels irgendwann im Meer versinken. Manchmal mag man das nicht unbedingt bedauerlich finden. üte
"venexia - Hinter den Kulissen von
Venedig" von Stefan Hilden. Zu Klampen
Verlag, Springe 2021. 204 Seiten, zahlreiche Farbfotos. Gebunden, 30 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vielleicht sollte es ein europäisches Gesetz geben, dass es verbietet, venezianische Straßenkatzen zu fotografieren. Vor allem beim Trinken aus kleinen, am Gassenrand herumstehenden Schälchen. Aufnahmen von zwischen Pfützen umhertrippelnden Tauben könnten ebenso untersagt werden. Auch Fotos von an rohen Ziegelwänden lehnenden Fahrrädern. Man könnte es das "Anti-Banalisierungs-Gesetz" nennen. Oder die "Anti-Trivialisierungs-Verordnung". Auf solch schräge Gedanken kann man kommen, wenn man den vorliegenden Fotoband durchblättert, der in seinem Titel ein Venedig "hinter den Kulissen" verspricht. Genau dieses Venedig suchen die Gäste der Serenis
sima seit dem späten achtzehnten Jahrhundert, als die Stadt aufhörte Republik zu sein, und der Prozess der Profanierung und Musealisierung begann. Zugleich ist der Anspruch dieses Buches und seiner Fotografien fast rührend; und wirkliche Naivität ist immer bezaubernd. Tatsächlich gibt es nicht nur Belanglosigkeiten. Einige Fotos - es sind wenige - sind das, was Fotos ja auch durchaus sein dürfen - schlicht schön. Unscharf, nebensächlich, irgendwie aquarellene Schnappschüsse, die etwas mit der Idee von Venedig, denn in der Wirklichkeit existiert solch eine Stadt schon seit Langem nicht, zu tun haben könnten. Der Rest, und gut gemeint ist wie immer schlecht gemacht, ist ein Griff in die tiefsten Tiefen der Floskelkiste. Die Texte sind auch trotz ihrer Knappheit nicht lesbar; fast schon Satire. "Es gibt sie: die stillen Oasen in Venedig", ist hier zu lesen. Wir sind im Garten einer "amerikanischen Besitzerin". Und dann kommt ein Satz, der ebenso platt ist wie dieser Bildband: "Das dazugehörige Haus ist geschmackvoll eingerichtet und geräumig." Venedig wird, und das ohne jeden Zweifel, allein schon wegen des Klimawandels irgendwann im Meer versinken. Manchmal mag man das nicht unbedingt bedauerlich finden. üte
"venexia - Hinter den Kulissen von
Venedig" von Stefan Hilden. Zu Klampen
Verlag, Springe 2021. 204 Seiten, zahlreiche Farbfotos. Gebunden, 30 Euro.
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»Venedig mal anders - dieser zu oft missbrauchte Satz trifft bei diesem Buch auf jeder der 180 Seiten zu.« Karsten Koblo, Lovelybooks.de, 19. April 2021