"Über die Zeit hinaus..." - Betrachtungen zum HerbstDer Herbst hat verschiedene Gesichter. Er kann mit "ein paar südlicheren Tagen" (R.M.Rilke) noch einmal spätsommerliche Wärme bringen, er kann uns aber an Tagen mit Nebel und Kühle auch den Winter ahnen lassen. Der Herbst kann mit schräger einfallenden Sonnenstrahlen die Welt in ein besonderes Licht tauchen. Er schwankt zwischen dem Reichtum der Ernte und dem Fallen der Blätter. Und nicht zufällig fallen die kirchlichen Gedenktage, die auf die Endlichkeit der Welt schauen, in den späten Herbst. Aber die christliche Perspektive verbindet den ehrlichen Blick auf unsere Vergänglichkeit mit der Hoffnung auf Gottes Ewigkeit, die nicht einfach unendliche Zeit ist, sondern, selber zeitlos, unsere Zeit und Zeitlichkeit gnädig umschließt. Darauf hoffen, das bedenken wir zu Allerheiligen und Allerseelen, am Volkstrauertag und am Toten- bzw. Ewigkeitssonntag. Auch die bildenden Künstler haben immer wieder dieser besonderen Stimmung im Herbst nachgefühlt und sie auf ihren Bildern in Szene gesetzt. Drei davon finden Sie hier versammelt: den "Wanderer über dem Nebelmeer" von Caspar David Friedrich, den "Apfelbaum mit roten Früchten" von Paul Ranson und die Ruine von "Norham Castle" bei Sonnenaufgang von William Turner. Es sind Bilder mit unterschiedlichen Stimmungen, die in uns unterschiedliche Gefühle und Gedanken hervorrufen und das Angebot machen, uns mit ihnen auf unsere Zeit und unser Leben zu besinnen. Der französische Schriftsteller Gustave Flaubert (1821-1880) meinte zwar, ein großes Kunstwerk bedürfe keiner erklärenden Worte, aber meine Erfahrung ist eine andere: Hinweise zu Bildern der Kunstgeschichte helfen, mehr zu sehen. Ich wünsche Ihnen Freude mit den Bildern und gelingende Besinnung auf Zeit und Ewigkeit.© Stephan Dedring