Abgesehen von der Bibel wurde kein anderes Buch im Mittelalter so häufig gelesen wie die Legenda aurea. Allein ihre mittelhochdeutsche Übersetzung, die Elsässische Legenda aurea, ist in mehr als 40 (teils fragmentarischen) Textzeugen überliefert; zwei von ihnen - der Cgm 6 (Bayerische Staatsbibliothek München, 1362) und der Cpg 144 (Universitätsbibliothek Heidelberg, 1418) - sind vollständig illustriert. Trotz ihrer aufwändigen Ausstattung fanden sie bislang sowohl von germanistischer als auch von kunsthistorischer Seite kaum Beachtung. Die Studie schließt diese Lücke, indem sie die beiden Bildprogramme wissenschaftlich beschreibt und deren Unterschiede anhand der veränderten Entstehungsbedingungen erklärt: Während der Cgm 6 aufwändige Deckfarbenminiaturen enthält, weist der Cpg 144 aus der Straßburger "Werkstatt von 1418" flüchtig kolorierte Federzeichnungen auf; die Gründe hierfür liegen einerseits in der Verlagerung der Produktion vom klösterlichen Skriptorium in die Handschriftenmanufaktur und andererseits in der Erwartungshaltung einer neuen, laikalen Rezipientenschicht - sichtbar wird dies am veränderten "Anspruchsniveau" (Norbert H. Ott) der Codices. Die Bildanalysen werden durch Seitenblicke auf die übrigen illustrierten Textzeugen ergänzt, deren Miniaturen teilweise zum ersten Mal veröffentlicht und beschrieben werden; auf diese Weise werden die jeweiligen Auftraggeber und die Intentionen der einzelnen Bildprogramme greifbar.